Worum geht es in Ihrer Dissertation?
Ich untersuche Suspensionsfresser, um basierend auf ihrem Vorbild einen bionischen Filter zur Reduzierung von Mikroplastik zu entwickeln. Suspensionsfresser sind Organismen, die im Wasser leben und sich von Plankton ernähren. Zu ihnen gehören auch filtrierende Tiere, wie zum Beispiel Schwämme, Muscheln, Flamingos oder Bartenwale. Zuerst habe ich eine Literaturstudie durchgeführt und insgesamt 35 verschiedene Mechanismen der Partikelseparation identifiziert. Besonders interessant finde ich die Schleimfiltration in Seescheiden, die Tiefenfiltration im Flamingoschnabel und die Querstromfiltration in filtrierenden Fischen. Nach einigen Vorversuchen habe ich mich dann dazu entschieden, die Fische mittels Mikroskopie, MikroCT und Videoaufnahmen genauer zu untersuchen, weil man noch nicht genau weiß, wie der Filtrationsmechanismus in den Kiemen funktioniert. Am 1. Oktober 2021 ist das BMBF-geförderte Projekt FishFlow in Kooperation mit Fraunhofer UMSICHT und dem Filterhersteller Hengst SE gestartet, in dem die gewonnenen Daten verwendet werden, um einen Filter für Waschmaschinen zu entwickeln. Bei jedem Waschgang werden Mikroplastikfasern aus der Kleidung abgeschieden, die zum Teil in die Umwelt gelangen. Ich hoffe, dass ich bis Ende meiner Dissertationen einen Filtrationsmechanismus aus der Biologie nachbauen kann.
Was ist bisher die für Sie interessanteste Erkenntnis?
Es gibt wirklich sehr unterschiedliche Filtermechanismen innerhalb der Suspensionsfresser. Aber auch allein innerhalb der fünf verschiedenen Fischarten gibt es starke Unterschiede. Obwohl es sich dabei um recht bekannte Fische handelt, wie Makrele, Hering und Sardelle, gibt es bisher noch nicht genügend Daten, um den Mechanismus vollständig zu verstehen. Es gibt wirklich noch viel zu entdecken. Besonders spannend finde ich auch Schleimfiltration. Das ist unter den Suspensionsfressern sehr weit verbreitet.
Wie unterscheiden sich bionische Filter von anderen Filtersystemen?
Da wir noch keinen funktionierenden bionischen Prototypen haben, kann ich nur auf die Unterschiede zwischen Suspensionsfressern und technischen Filtern eingehen. Aber genau diese Unterschiede haben ein hohes bionisches Potential, um vorhandene Filtertechnologien zu optimieren. Die Mechanismen funktionieren häufig kontinuierlich, sind multifunktional und können an sich ändernde Verhältnisse angepasst werden, z.B. wenn sich Partikelkonzentrationen ändern. Viele Organismen filtern selektiv bestimmte Partikelsorten und alle haben einen integrierten Reinigungsmechanismus. Ein wichtiger Faktor bei technischen Filtern ist auch der Ressourcenverbrauch. Auch hier gibt es biologische Vorbilder. Köcherfliegenlarven bauen ihr Filternetz in einer materialsparenden Geometrie. Walhaie haben bestimmte Strukturen in ihrem Maul, die das Wasser besonders effizient durch die Filterstrukturen leiten.
Welchen praktischen Nutzen hat Ihre Arbeit?
An oberster Stelle steht die Entwicklung eines Waschmaschinenfilters. Die Nutzung ist also ganz klar messbar: Es soll so viel Mikroplastik zurückgehalten werden, wie es nur geht. Aber auch darüber hinaus leistet meine Arbeit einen Beitrag zur Grundlagenforschung. Erkenntnisse über das Fressverhalten von Fischen oder auch anderen Suspensionsfresser sind wichtig für ihre Ökologie und man kann Rückschlüsse über die Aufnahme von Mikroplastik ziehen, das möglicherweise schädliche Wirkungen hat.
Wie trägt Ihre Arbeit zur Erreichung der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) bei?
Der bionische Filter soll verhindern, dass Mikroplastik in die Umwelt gelangt und dort die Organismen schädigt. Die Arbeit trägt also zum Schutz des Unterwasserlebens bei (SDG 14). Ein Filter könnte aber auch in anderen Bereichen eingesetzt werden und den Zugang zu sauberem Wasser sicherstellen (SDG 6). Da der Filter in einer umweltrelevanten Anwendung eingesetzt wird, wird er im Rahmen des Projekts FishFlow von vorneherein nachhaltig konzipiert. Das wird über eine Ökobilanzierung sichergestellt. Diese Art der Produktentwicklung ist ein Beitrag zum nachhaltigen Konsum und Produktion (SDG 12)
Was motiviert Sie morgens und wie denken Sie abends darüber nach?
Mich fasziniert die Biologie. Mir macht es Spaß, sie zu entschlüsseln und gleichzeitig einen Beitrag für den Umweltschutz zu leisten. Das motiviert mich sehr. Ich habe nicht jeden Abend das Gefühl, dass ich was Großes geschafft habe, aber ich habe gelernt, geduldig zu sein und Ausdauer zu haben. Das hat sich bisher immer gelohnt und ich freue mich auch über Kleinigkeiten: erste Zwischenergebnisse, eine neue Kooperation, ein Ausflug ins Aquarium oder ein interessantes Gespräch. Außerdem habe ich tolle Kollegen und ein unterstützendes Arbeitsumfeld. Mir ist meine Freizeit sehr wichtig, auch sie macht einen guten Tag aus. Aber ich gebe zu, dass ich schon viel über mein Projekt nachdenke, auch abends im Bett.
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Das Interview führte Verena Hammes