Ein feministischer Ansatz in der Entwicklungspolitik erhält seit einigen Monaten erhöhte Aufmerksamkeit. Was bedeutet „feministische Entwicklungspolitik“? Ist es lediglich ein neuer Begriff für die entwicklungspolitischen Bemühungen zur Gleichstellung der Geschlechter?
Anika Mahla: Nein, feministische Entwicklungspolitik geht deutlich darüber hinaus. Sie ist das Resultat einer langen Entwicklung: In den 1980er Jahren wurden Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit primär als Opfer wahrgenommen, eine sehr paternalistische Perspektive. In den 1990er Jahren richtete die Entwicklungszusammenarbeit ihre Aufmerksamkeit dann auf das Empowerment von Frauen. Sie wurden etwa bei der Vergabe von damals sehr populären Mikrokrediten oft als vertrauenswürdiger als Männer wahrgenommen. Dabei wurden jedoch strukturelle Ungleichheiten unzureichend in den Blick genommen. Eine feministische Entwicklungspolitik hat nicht nur die Gleichstellung von Frauen zum Ziel, sondern weitet ihre Forderungen gegen Diskriminierung explizit auf alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Herkunft, sozialen Stellung oder ethnischen Zugehörigkeit aus. Es geht also um weit mehr als um ein neues Schlagwort. Gender muss ein zentrales entwicklungspolitisches Handlungsprinzip sein.
Beline Aoun: Feministische Politik fordert die Einbindung aller Menschen und gleiche Rechte für alle, also nicht nur für Frauen. Das ist ein großer und wichtiger Schritt! Wie feministische Entwicklungspolitik konkret umgesetzt werden soll, ist in Deutschland und anderen Ländern allerdings noch nicht bis ins Detail klar.
Anika Mahla: Das BMZ erarbeitet aktuell ein Strategiepapier hierzu und konsultiert dafür zentrale Akteure wie die feministische Zivilgesellschaft aus dem Globalen Süden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es keine geschlechtsneutrale Entwicklungszusammenarbeit gibt. Gender spielt immer eine Rolle. Länder wie Frankreich, Kanada oder Spanien verfügen bereits über feministische außenpolitische Ansätze. Wir können viel von ihren Erfahrungen lernen.