„Das Waschen von synthetischen Kleidungsstücken ist eine Hauptquelle für Mikroplastik“
Die Verschmutzung unseres Planeten mit Plastik und Mikroplastik ist ein globales Problem gewaltigen Ausmaßes. In Uruguay verhandeln aktuell Regierungen und Organisationen auf Einladung der Vereinten Nationen über ein Abkommen gegen Plastikmüll. Professor Johannes Steinhaus von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) beschäftigt sich in seiner Forschung mit der Mikroplastikbelastung. Für das Problem der mikroskopisch kleinen Partikel, die über das Abwasser der Waschmaschinen in die Flüsse und Meere gelangen, hat der Wissenschaftler eine Idee.
H-BRS: Herr Professor Steinhaus, lassen Sie uns über Fußball reden: Das Trikot, das die Spieler der deutschen Mannschaft tragen, sondert offensichtlich bei den ersten fünf Wäschen im Schnitt 68.000 Mikroplastik-Fasern ab. Die Forschungsgruppe Mikroplastik an der Universität Hamburg hat dies herausgefunden. Überrascht Sie das?
Johannes Steinhaus: Nein, nicht unbedingt. Die Zahl von 68.000 ist zwar ungewöhnlich hoch, und der Hersteller täte gut daran herauszufinden, warum das so ist. Allerdings waschen wir alle sehr viele Kleidungsstücke, die aus Synthetikfasern wie zum Beispiel Polyester, Acryl, Nylon oder Elastan bestehen. Die Fasern, die sich dabei abreiben – typischerweise eher um die 2000 Fasern pro Kleidungsstück und Wäsche – gelangen ungehindert in unsere Kläranlagen und in der Folge zum Teil in den Klärschlamm und zum anderen Teil in unsere Gewässer. Der Grund ist, dass sich die Fasern aufgrund ihrer Größe schlecht aus dem Abwasser filtern lassen. Da Klärschlämme auch gerne als Dünger auf Ackerflächen ausgetragen werden, kann man davon ausgehen, dass ein Großteil dieser Fasern in der Umwelt landet. Das Waschen von synthetischen Kleidungsstücken ist die Hauptquelle für sekundäres Mikroplastik, also entstanden durch Abrieb und Zerfall größerer Kunststoffprodukte.
H-BRS: Was bedeutet das für die Umwelt? Und wie könnte eine Lösung aussehen?
Steinhaus: Die Auswirkungen all dieser Mikroplastikfasern auf die verschiedenen Ökosysteme sind noch relativ unklar. Das Ärgerliche daran ist, dass man einfach nur alle Waschmaschinen mit einem Filtersystem ausstatten müsste, die den Eintrag der Fasern von Anfang an verhindern würden. Da die Waschmaschinenhersteller das aber nicht in vorauseilendem Gehorsam machen möchten – ein Nachrüstfilter kostet zirka 80 Euro – müssten da gesetzliche Auflagen her. Am besten EU-weit.
H-BRS: Kunststoffe finden sich nicht nur in Textilien, sondern wir begegnen ihnen in unserem Alltag ständig. Täuscht der Eindruck, oder wird immer mehr Kunststoff produziert?
Steinhaus: Nein, der Eindruck täuscht leider nicht. Laut Statista lagen wir weltweit um die Jahrtausendwende bei etwa 200 Millionen Tonnen Kunststoff-Jahresproduktion. Heute haben sich die Mengen bei einem linearen Trend etwa verdoppelt. Ein wesentlicher Faktor ist sicherlich der ungebrochene Trend, Waren in Kunststoff zu verpacken.
H-BRS: Vor allem unsere Supermärkte sind voll von Verpackungen aus Kunststoff. Da wir alles brav in die gelbe Tonne werfen: Wird die Masse der Verpackungen recycelt?
Steinhaus: Könnte man denken. Jedoch wird ein großer Teil des Kunststoffmülls leider immer noch verbrannt. Der Kunststoffeintrag in die Umwelt ist in unseren Breiten durch das Abfallmanagement sicher niedriger als etwa in Asien oder Südamerika. Alles entsorgen wir in Europa aber leider nicht korrekt, wie sich an unserer Umwelt erkennen lässt. Außerdem vergisst man dabei gerne, dass wir Unmengen Mikroplastik über Reifenabrieb und Waschabwässer generieren. Zudem exportieren wir hierzulande große Mengen an Kunststoffmüll nach Südostasien. Das ist der Teil, der sich nur aufwändig oder gar nicht recyceln lässt. Dort wird der Müll auch eher nicht ordnungsmäßig recycelt, sondern oft auf wilden Deponien gelagert oder offen verbrannt. Und so gelangt auch der Müll aus der gelben Tonne in unsere Umwelt.
H-BRS: Schaut man sich die Menge des Plastikverpackungsabfalls pro Kopf in Europa an, dann fällt auf, dass zum Beispiel die Schweden, Niederländer und Tschechen deutlich weniger Abfall produzieren. Was machen diese Länder anders oder besser?
Steinhaus: Gute Frage, dazu liegen mir kaum Daten vor. Ich vermute mal, dass es entweder daran liegt, dass der Plastikmüll nicht getrennt erfasst wird, oder dass das Konsumverhalten anders ist, und weniger in Plastik verpackte Produkte gekauft werden. Laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht bei uns der Trend zu immer mehr To-go-Verpackungen, einem wachsenden Onlinehandel und immer kleineren Verpackungsgrößen.
H-BRS: In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich unter anderem mit Mikroplastikanalytik und der Simulation und Lebensdaueranalyse von Gummi-Bauteilen. Was genau ist Gegenstand Ihrer Forschung, und was kann die H-BRS zur Lösung des Problems beitragen?
Steinhaus: Meine aktuelle Forschung im Bereich der Mikroplastikanalytik bezieht sich auf die Aufbereitung von Strand-, Erd- und Sedimentproben. Es ist tatsächlich sehr schwer, die vielen Studien über die Mikroplastikbelastung der weltweit genommen Proben miteinander zu vergleichen, da die Probenaufbereitung teils unter sehr unterschiedlichen Bedingungen erfolgte und auch die sogenannte Wiederfindungsrate der Mikroplastikpartikel signifikant streut. Wir forschen unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut/Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven daran, möglichst einfache Verfahren zu entwickeln, die möglichst überall auf der Welt umsetzbar sind.
Hinweis an die Medien: Prof. Dr. Johannes Steinhaus steht als Ansprechpartner für Interviews zum Thema (Mikro-)Plastik gerne zur Verfügung. Sie erreichen ihn per E-Mail unter johannes.steinhaus@h-brs.de