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Die Ausstellung “ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN!” ist vom 19.04. bis zum 10.06.2018 zu Gast in der Alten VHS in Bonn
© Iken Draeger

Sehr geehrte Frau Goehler Sie kuratieren bereits seit 2010 die Wanderausstellung ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN! expeditionen in ästhetik und nachhaltigkeit. Was war Ihr ursprünglicher Impuls, die Begriffe Nachhaltigkeit und Ästhetik zusammenzubringen?

Adrienne Goehler: Erschrecken, ja Entsetzen darüber, wie wenig übergreifendes Denken und Handeln es auf dem Feld der Nachhaltigkeit gibt. Und die Einsicht, dass wir die Welt nicht den Experten überlassen können. Gleichzeitig hatte ich so viele künstlerische Konzepte gesehen, die sich mit den großen Fragen den Planeten beschäftigen, die aber nicht den Weg zu den “Managern” der Nachhaltigkeit finden. Und es gibt keine Fördertöpfe die eine Kollaboration begünstigen. Ich habe drei Jahre gebraucht, um das nötige Geld für die Ausstellung zusammen zu bekommen, denn Umweltstiftungen und Umweltministerien hatten so wenig Zugang zur Kunst als eine andere Wissensform, und Kulturstiftungen fanden eine Ausstellung zu Fragen der Nachhaltigkeit müsste von der Umweltseite bezahlt werden. Das hat sich bis heute auch leider nur in homöopathisch zu nennenden Nuancen verbessert.

Sie sprechen von der Vernutzung des Begriffs Nachhaltigkeit. Wie kann Kunst dieser Vernutzung entgegenwirken?

Adrienne Goehler: Durch die ästhetische Aufladung des Begriffs. Ästhetik meint ja Wahrnehmung durch die Sinne. Wir müssen den Planeten in seiner Fragilität begreifen und dies eben nicht nur über Fakten, sondern über intuitives Wissen, Empathie. Die Kunst kann überraschende Blickwinkel öffnen, zu Gehör bringen, was dem normalen Hören entzogen ist, sichtbar machen, was mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist. Sie kann auch alte Kulturtechniken und das Wissen der Frauen dem Vergessen entziehen u.v.m.

Sie haben die Ausstellung bereits in vielen Ländern gezeigt. Worin liegen die Unterschiede, worin die Gemeinsamkeiten bei der Wahrnehmung der ausgestellten Kunst mit Blick auf die unterschiedlichen kulturellen Kontexte?

Adrienne Goehler: Alle Themen der Ausstellung sind wie die großen Fragen der Welt global, aber haben regionale Ausprägungen. Die Abhängigkeit der Wasserversorgung von einem Gletscher in Peru, die riesigen Mülldeponien in Mexiko, Indien und China, die hochgefährlichen Arbeitsbedingungen von Arbeitern in wilden Minen in mehreren Ländern, der Kampf um die Gewinnung von seltenen Erden, z.B. in Chile ist es ein großes Lithiumvorkommen, dort ist auch das Wasser zu 100% privatisiert und verursacht der gestiegene Quinoa-Anbau (für mitteleuropäische Allergiker und Lifestyle Fanatiker ) und Kahlschläge bei Wäldern und führt zu Wasserknappheit, enormen Pestizideinsatz oder eine Arbeit, die sich mit der Schädigung von Wanzen in allen radioaktiven Fallout-Gebieten beschäftigt, eine andere, die den verstörenden Titel hat: “Solarpowered electric chair” und sofort klar macht, dass es neben der solaren Energie auch Demokratie braucht.

Wie wirkt sich der jeweilige Veranstaltungsort auf die Ausstellung aus; haben Sie für Bonn Änderungen an der Ausstellung vorgenommen?

Adrienne Goehler: An jeder Station nehme ich künstlerische Positionen aus der Gegend hinzu, die sich mit den breit gefächerten Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Ich schaue mir auch die Häuser der Städte an, gehe gerne an nicht tradierte Orte der Kunst, in Gebäude, mit denen die BewohnerInnen viel verbinden, in Bremen war es der seit Jahren geschlossene Wasserturm, ein Wahrzeichen der Stadt, in Puebla Mexiko, in einer riesigen Stadtvilla, die sonst der Öffentlichkeit entzogen war. Und jetzt eben Bonn, wo wir mit 69 künstlerischen Positionen zu  den großen Fragen der Welt, gerade die Räume der ehemaligen Volkshochschule in der Wilhelmstraße wach küssen. Volkshochschule “reloaded”, zum Verstehen der komplexen Herausforderungen vor der wir stehen.

Warum arbeiten Sie vor Ort in Bonn auch mit wissenschaftlichen Partnern, wie dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, zusammen?

Adrienne Goehler: Verflüssigung der unterschiedlichen Wissensformen, neue Allianzen zwischen den Künsten und Wissenschaften, dem Alltags- und Bewegungswissen, da wir ja doch eher einen radikalen Wandel unserer Lebensgewohnheiten brauchen und den erreichen wir nur, wenn sich Menschen als Teil der Lösung und nicht nur als Problem empfinden. Das DIE ist mir aufgefallen, weil es Teil des “Save the World”-Festivals des Theater Bonn war und dadurch unterstrichen hat, dass es auch dringend neue Partner sucht.

Was motiviert Sie morgens und wie denken Sie abends darüber nach?

Adrienne Goehler: Während des Ausstellungsaufbaus dominieren Fragen wie: wo ist das Klebeband, wer hat den Akkuschrauber nicht an den Platz zurückgelegt, die Arbeit hängt noch schief, wieso ist das Plakat noch nicht fertig?

Welche Frage würden Sie gerne einmal beantworten, die Ihnen noch nie gestellt wurde?

Adrienne Goehler: Liebe Adrienne Goehler, wann fangen Sie endlich damit an, den Fonds Ästhetik & Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen, für den sie schon so lange kämpfen? Wir (Umwelt-, Entwicklungs-, und Forschungs-und Bildungsministerium) werden ihn finanzieren, weil wir von dessen Notwendigkeit überzeugt sein, um andere Kollaborationen zwischen Kunst und Wissenschaft zu ermutigen.

Das Interview führte Dominik Biergans[:de]

Die Ausstellung “ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN!” ist vom 19.04. bis zum 10.06.2018 zu Gast in der Alten VHS in Bonn
© Iken Draeger

Sehr geehrte Frau Goehler Sie kuratieren bereits seit 2010 die Wanderausstellung ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN! expeditionen in ästhetik und nachhaltigkeit. Was war Ihr ursprünglicher Impuls, die Begriffe Nachhaltigkeit und Ästhetik zusammenzubringen?

Adrienne Goehler: Erschrecken, ja Entsetzen darüber, wie wenig übergreifendes Denken und Handeln es auf dem Feld der Nachhaltigkeit gibt. Und die Einsicht, dass wir die Welt nicht den Experten überlassen können. Gleichzeitig hatte ich so viele künstlerische Konzepte gesehen, die sich mit den großen Fragen den Planeten beschäftigen, die aber nicht den Weg zu den “Managern” der Nachhaltigkeit finden. Und es gibt keine Fördertöpfe die eine Kollaboration begünstigen. Ich habe drei Jahre gebraucht, um das nötige Geld für die Ausstellung zusammen zu bekommen, denn Umweltstiftungen und Umweltministerien hatten so wenig Zugang zur Kunst als eine andere Wissensform, und Kulturstiftungen fanden eine Ausstellung zu Fragen der Nachhaltigkeit müsste von der Umweltseite bezahlt werden. Das hat sich bis heute auch leider nur in homöopathisch zu nennenden Nuancen verbessert.

Sie sprechen von der Vernutzung des Begriffs Nachhaltigkeit. Wie kann Kunst dieser Vernutzung entgegenwirken?

Adrienne Goehler: Durch die ästhetische Aufladung des Begriffs. Ästhetik meint ja Wahrnehmung durch die Sinne. Wir müssen den Planeten in seiner Fragilität begreifen und dies eben nicht nur über Fakten, sondern über intuitives Wissen, Empathie. Die Kunst kann überraschende Blickwinkel öffnen, zu Gehör bringen, was dem normalen Hören entzogen ist, sichtbar machen, was mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist. Sie kann auch alte Kulturtechniken und das Wissen der Frauen dem Vergessen entziehen u.v.m.

Sie haben die Ausstellung bereits in vielen Ländern gezeigt. Worin liegen die Unterschiede, worin die Gemeinsamkeiten bei der Wahrnehmung der ausgestellten Kunst mit Blick auf die unterschiedlichen kulturellen Kontexte?

Adrienne Goehler: Alle Themen der Ausstellung sind wie die großen Fragen der Welt global, aber haben regionale Ausprägungen. Die Abhängigkeit der Wasserversorgung von einem Gletscher in Peru, die riesigen Mülldeponien in Mexiko, Indien und China, die hochgefährlichen Arbeitsbedingungen von Arbeitern in wilden Minen in mehreren Ländern, der Kampf um die Gewinnung von seltenen Erden, z.B. in Chile ist es ein großes Lithiumvorkommen, dort ist auch das Wasser zu 100% privatisiert und verursacht der gestiegene Quinoa-Anbau (für mitteleuropäische Allergiker und Lifestyle Fanatiker ) und Kahlschläge bei Wäldern und führt zu Wasserknappheit, enormen Pestizideinsatz oder eine Arbeit, die sich mit der Schädigung von Wanzen in allen radioaktiven Fallout-Gebieten beschäftigt, eine andere, die den verstörenden Titel hat: “Solarpowered electric chair” und sofort klar macht, dass es neben der solaren Energie auch Demokratie braucht.

Wie wirkt sich der jeweilige Veranstaltungsort auf die Ausstellung aus; haben Sie für Bonn Änderungen an der Ausstellung vorgenommen?

Adrienne Goehler: An jeder Station nehme ich künstlerische Positionen aus der Gegend hinzu, die sich mit den breit gefächerten Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Ich schaue mir auch die Häuser der Städte an, gehe gerne an nicht tradierte Orte der Kunst, in Gebäude, mit denen die BewohnerInnen viel verbinden, in Bremen war es der seit Jahren geschlossene Wasserturm, ein Wahrzeichen der Stadt, in Puebla Mexiko, in einer riesigen Stadtvilla, die sonst der Öffentlichkeit entzogen war. Und jetzt eben Bonn, wo wir mit 69 künstlerischen Positionen zu  den großen Fragen der Welt, gerade die Räume der ehemaligen Volkshochschule in der Wilhelmstraße wach küssen. Volkshochschule “reloaded”, zum Verstehen der komplexen Herausforderungen vor der wir stehen.

Warum arbeiten Sie vor Ort in Bonn auch mit wissenschaftlichen Partnern, wie dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, zusammen?

Adrienne Goehler: Verflüssigung der unterschiedlichen Wissensformen, neue Allianzen zwischen den Künsten und Wissenschaften, dem Alltags- und Bewegungswissen, da wir ja doch eher einen radikalen Wandel unserer Lebensgewohnheiten brauchen und den erreichen wir nur, wenn sich Menschen als Teil der Lösung und nicht nur als Problem empfinden. Das DIE ist mir aufgefallen, weil es Teil des “Save the World”-Festivals des Theater Bonn war und dadurch unterstrichen hat, dass es auch dringend neue Partner sucht.

Was motiviert Sie morgens und wie denken Sie abends darüber nach?

Adrienne Goehler: Während des Ausstellungsaufbaus dominieren Fragen wie: wo ist das Klebeband, wer hat den Akkuschrauber nicht an den Platz zurückgelegt, die Arbeit hängt noch schief, wieso ist das Plakat noch nicht fertig?

Welche Frage würden Sie gerne einmal beantworten, die Ihnen noch nie gestellt wurde?

Adrienne Goehler: Liebe Adrienne Goehler, wann fangen Sie endlich damit an, den Fonds Ästhetik & Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen, für den sie schon so lange kämpfen? Wir (Umwelt-, Entwicklungs-, und Forschungs-und Bildungsministerium) werden ihn finanzieren, weil wir von dessen Notwendigkeit überzeugt sein, um andere Kollaborationen zwischen Kunst und Wissenschaft zu ermutigen.

Das Interview führte Dominik Biergans

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