IDOS: Mehr Courage für schnelle und gerechte Transformationen in einer turbulenten Welt!

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 Inmitten einer Fülle globaler Krisen, vom Klimawandel über das Artensterben bis hin zu den sozioökonomischen Konsequenzen der fortwährenden COVID-19-Pandemie und geopolitischen Turbulenzen, trafen sich über fünfhundert Wissenschaftler*innen an der Universität von Toronto zur Jahreskonferenz des Earth System Governance (ESG)-Projekts. Die ESG ist ein globales, interdisziplinäres Forschungsnetzwerk von Sozialwissenschaftler*innen, die an den Schnittstellen von globalem Umweltwandel und Governance auf lokaler und globaler Ebene arbeiten.

Gemeinsam mit einer starken Forschungsdelegation des IDOS befasste sich die Konferenz mit Fragen, die sich aktuell auch politische Entscheidungsträger*innen stellen. Wie lassen sich gerechte Übergänge gestalten, während gleichzeitig der Klimawandel bekämpft, Armut und Ungleichheit verringert und internationale Vereinbarungen wie die Agenda 2030 umgesetzt werden sollen – bei gleichzeitiger Anpassung an die aktuelle geopolitische Lage? Die Sozialwissenschaften bieten Antworten. Politikkohärenz erweist sich als wichtiges Instrument zur Maximierung von Synergien, zur Verringerung von Zielkonflikten und zur Gewährleistung effizienter, effektiver und gerechter Transformationsprozesse. Eine entsprechende Orchestrierung muss jedoch die Interessen der Hauptakteure, institutionelle Strukturen und Machtasymmetrien sowie politische Ungleichheit berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass Politik gerechten Transformationen und den für ihre Umsetzung erforderlichen Entscheidungsprozessen besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Die deutsche G7-Präsidentschaft ist bestrebt, Partnerschaften für gerechte Energieübergänge (Just Energy Transition Partnerships, JETPs) zu fördern, um globale Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben. Sie baut auf dem Beispiel der plurilateralen Partnerschaft der EU, der USA, Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs mit Südafrika auf, die auf der letztjährigen UN-Klimakonferenz angekündigt wurde, um den Kohleausstieg und die nachhaltige Energiewende in Südafrika zu beschleunigen. Nun werden ähnliche Vereinbarungen mit weiteren kohleabhängigen Ländern mit mittlerem Einkommen im Rahmen der bevorstehenden COP27 in Ägypten erwartet. Solche Partnerschaften mit Leben zu füllen, ist nicht trivial und birgt das Risiko enttäuschter Erwartungen – insbesondere wenn die internationalen Unterstützer solcher Partnerschaften mit zweierlei Maß messen und ihre eigene Energiepolitik als Reaktion auf die Folgen des Krieges in der Ukraine überdenken.

Auch die globale Forschungsgemeinschaft kann Schaden nehmen, wenn es keine Entkolonialisierung der Wissensgenerierung und keine angemessene Repräsentation eines wirklich globalen Spektrums von Perspektiven gibt. Viele Wissenschaftler*innen aus dem globalen Süden stoßen immer wieder auf Hindernisse, eine gleichberechtigte Teilnahme am globalen Forschungsaustausch scheitert u.a. an strenger Visapolitik. Die Konferenz in Toronto bildete keine Ausnahme: Mehrere Konferenz-Panels mussten kurzfristig abgesagt werden, weil Forscher*innen nicht nach Kanada einreisen konnten. Solche Barrieren haben erhebliche Auswirkungen auf die wissenschaftliche Vernetzung und die Forschungsergebnisse. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass Erkenntnisse aus dem globalen Süden – der am stärksten vom Klimawandel und anderen Umweltkrisen bedroht ist – vernachlässigt werden, sondern auch, dass Lösungsvorschläge für einschlägige Governance-Herausforderungen durch die Perspektive des globalen Nordens verzerrt werden. Gerechte Transformationen sind zum Scheitern verurteilt, wenn Wissenschaft und Forschung nicht vielfältig, gleichberechtigt und integrativ sind. Daher werden zum Beispiel künftige JETPs gut beraten sein, Forschungserkenntnisse aus dem Globalen Süden und insbesondere aus dem jeweiligen Partnerland angemessen zu berücksichtigen.

Der inhärent politische Charakter gerechter Transformationen und die übergreifende Relevanz der Energiepolitik standen auch im Mittelpunkt der Grundsatzrede von Tzeporah Berman, Vorsitzende der Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative. Mit ihrer Betonung von Gründen zur „Hoffnung in einer brennenden Welt”, trotz der zynischen und blockierenden Haltung mächtiger Gegner, setzte sie einen ebenso mutigen wie konstruktiven Akzent. Sie rief die Forschungsgemeinschaft dazu auf, mutig zu sein und Entscheidungsträger*innen konsequent mit unbequemen, evidenzbasierten Wahrheiten zu konfrontieren. Bermans Rede stand stellvertretend für den Geist, mit dem die ESG-Konferenz 2022 selbst in diesen besonders schwierigen Zeiten qualifizierte Gründe für anhaltenden Optimismus lieferte: Ein globaler Wandel in Richtung Nachhaltigkeit ist nicht nur möglich, sondern es können zum Beispiel bei den jetzt bevorstehenden Klimaverhandlungen unmittelbare Schritte unternommen werden, um gerechte Übergänge voranzutreiben.

Mehrere IDOS-Forscher*innen werden sich in Kürze auf den Weg nach Sharm El-Sheikh machen, in der Hoffnung, solchen Optimismus in die COP27 zu tragen und die globale Klimadiplomatie mit ihren forschungsbasierten Erkenntnissen zu informieren. Auch wenn die Notwendigkeit gerechter Transformationen weit über den Bereich der Klimapolitik hinausgeht, so bleibt es doch von vordringlicher Bedeutung, speziell dem Klimawandel mutig und schnell mit gerechten Maßnahmen zu begegnen.

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 Inmitten einer Fülle globaler Krisen, vom Klimawandel über das Artensterben bis hin zu den sozioökonomischen Konsequenzen der fortwährenden COVID-19-Pandemie und geopolitischen Turbulenzen, trafen sich über fünfhundert Wissenschaftler*innen an der Universität von Toronto zur Jahreskonferenz des Earth System Governance (ESG)-Projekts. Die ESG ist ein globales, interdisziplinäres Forschungsnetzwerk von Sozialwissenschaftler*innen, die an den Schnittstellen von globalem Umweltwandel und Governance auf lokaler und globaler Ebene arbeiten.

Gemeinsam mit einer starken Forschungsdelegation des IDOS befasste sich die Konferenz mit Fragen, die sich aktuell auch politische Entscheidungsträger*innen stellen. Wie lassen sich gerechte Übergänge gestalten, während gleichzeitig der Klimawandel bekämpft, Armut und Ungleichheit verringert und internationale Vereinbarungen wie die Agenda 2030 umgesetzt werden sollen – bei gleichzeitiger Anpassung an die aktuelle geopolitische Lage? Die Sozialwissenschaften bieten Antworten. Politikkohärenz erweist sich als wichtiges Instrument zur Maximierung von Synergien, zur Verringerung von Zielkonflikten und zur Gewährleistung effizienter, effektiver und gerechter Transformationsprozesse. Eine entsprechende Orchestrierung muss jedoch die Interessen der Hauptakteure, institutionelle Strukturen und Machtasymmetrien sowie politische Ungleichheit berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass Politik gerechten Transformationen und den für ihre Umsetzung erforderlichen Entscheidungsprozessen besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Die deutsche G7-Präsidentschaft ist bestrebt, Partnerschaften für gerechte Energieübergänge (Just Energy Transition Partnerships, JETPs) zu fördern, um globale Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben. Sie baut auf dem Beispiel der plurilateralen Partnerschaft der EU, der USA, Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs mit Südafrika auf, die auf der letztjährigen UN-Klimakonferenz angekündigt wurde, um den Kohleausstieg und die nachhaltige Energiewende in Südafrika zu beschleunigen. Nun werden ähnliche Vereinbarungen mit weiteren kohleabhängigen Ländern mit mittlerem Einkommen im Rahmen der bevorstehenden COP27 in Ägypten erwartet. Solche Partnerschaften mit Leben zu füllen, ist nicht trivial und birgt das Risiko enttäuschter Erwartungen – insbesondere wenn die internationalen Unterstützer solcher Partnerschaften mit zweierlei Maß messen und ihre eigene Energiepolitik als Reaktion auf die Folgen des Krieges in der Ukraine überdenken.

Auch die globale Forschungsgemeinschaft kann Schaden nehmen, wenn es keine Entkolonialisierung der Wissensgenerierung und keine angemessene Repräsentation eines wirklich globalen Spektrums von Perspektiven gibt. Viele Wissenschaftler*innen aus dem globalen Süden stoßen immer wieder auf Hindernisse, eine gleichberechtigte Teilnahme am globalen Forschungsaustausch scheitert u.a. an strenger Visapolitik. Die Konferenz in Toronto bildete keine Ausnahme: Mehrere Konferenz-Panels mussten kurzfristig abgesagt werden, weil Forscher*innen nicht nach Kanada einreisen konnten. Solche Barrieren haben erhebliche Auswirkungen auf die wissenschaftliche Vernetzung und die Forschungsergebnisse. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass Erkenntnisse aus dem globalen Süden – der am stärksten vom Klimawandel und anderen Umweltkrisen bedroht ist – vernachlässigt werden, sondern auch, dass Lösungsvorschläge für einschlägige Governance-Herausforderungen durch die Perspektive des globalen Nordens verzerrt werden. Gerechte Transformationen sind zum Scheitern verurteilt, wenn Wissenschaft und Forschung nicht vielfältig, gleichberechtigt und integrativ sind. Daher werden zum Beispiel künftige JETPs gut beraten sein, Forschungserkenntnisse aus dem Globalen Süden und insbesondere aus dem jeweiligen Partnerland angemessen zu berücksichtigen.

Der inhärent politische Charakter gerechter Transformationen und die übergreifende Relevanz der Energiepolitik standen auch im Mittelpunkt der Grundsatzrede von Tzeporah Berman, Vorsitzende der Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative. Mit ihrer Betonung von Gründen zur „Hoffnung in einer brennenden Welt”, trotz der zynischen und blockierenden Haltung mächtiger Gegner, setzte sie einen ebenso mutigen wie konstruktiven Akzent. Sie rief die Forschungsgemeinschaft dazu auf, mutig zu sein und Entscheidungsträger*innen konsequent mit unbequemen, evidenzbasierten Wahrheiten zu konfrontieren. Bermans Rede stand stellvertretend für den Geist, mit dem die ESG-Konferenz 2022 selbst in diesen besonders schwierigen Zeiten qualifizierte Gründe für anhaltenden Optimismus lieferte: Ein globaler Wandel in Richtung Nachhaltigkeit ist nicht nur möglich, sondern es können zum Beispiel bei den jetzt bevorstehenden Klimaverhandlungen unmittelbare Schritte unternommen werden, um gerechte Übergänge voranzutreiben.

Mehrere IDOS-Forscher*innen werden sich in Kürze auf den Weg nach Sharm El-Sheikh machen, in der Hoffnung, solchen Optimismus in die COP27 zu tragen und die globale Klimadiplomatie mit ihren forschungsbasierten Erkenntnissen zu informieren. Auch wenn die Notwendigkeit gerechter Transformationen weit über den Bereich der Klimapolitik hinausgeht, so bleibt es doch von vordringlicher Bedeutung, speziell dem Klimawandel mutig und schnell mit gerechten Maßnahmen zu begegnen.

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