Plädoyer für einen naturschutz- und landschaftsbewussten Städtebau
Um zeitgemäße städtebauliche und ökologische Lösungen im Rahmen der globalen Tendenz zur Verstädterung zu finden, ist es sehr wichtig, sowohl Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege als auch des Baugesetzbuches, speziell der Bauleitplanung, miteinander zu vereinbaren. Da ohnehin verdichtete Räume weiter verdichtet werden und auch rund um die Städte weitere Siedlungen entstehen und Verkehrsflächen gebaut werden, ist kluges Bauen gefordert. Als Folge der Industrialisierung sind die Menschen heute gezwungen, sich endlich mit selbst geschaffenen, zunehmenden Klimaveränderungen und Störungen der Natur auseinanderzusetzen.
Das Bundesnaturschutzgesetz betont in §1 „Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ ausdrücklich, dass städtebauliche Entwicklungen naturschutzfachlich berücksichtigt werden müssen. Absatz 6 bestimmt, „dass Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich einschließlich ihrer Bestandteile, wie Parkanlagen, großflächige Grünanlagen und Grünzüge, Wälder und Waldränder, Bäume und Gehölzstrukturen (…) zu erhalten und dort, wo sie nicht im ausreichenden Maße vorhanden sind, neu zu schaffen sind.“ Auch die 2007 vom Bundesministerium für Umwelt (BMUB) erarbeitete „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ formuliert eine Vision für urbane Landschaften und unterstreicht dabei die umfassenden positiven Auswirkungen von Grünflächen für Städte. Diese Vision wird ergänzt durch das Grünbuch Stadtgrün und 2017 durch ein entsprechendes Weißbuch. Unter dem Begriff „Urbane Landschaften“ soll vor allem der Grünanteil in der Stadt erhöht und vielseitig weiterentwickelt werden. Das in Bonn ansässige weltweite Städtenetzwerk ICLEI behandelt Fragen der Klimaanpassung und nachhaltigen Transformation und setzt sich für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung ein. Als eine Plattform gelten „Resilient Cities“. Unter dem Begriff „Stadt der Zukunft“ treffen in Bonn alljährlich Städte, Wissenschaft, UNO und Nichtregierungsorganisationen zusammen.
Das 21. Jahrhundert gilt als “Jahrhundert der Städte“. Städte werden immer weiter anwachsen, wobei 2030 von voraussichtlich 5 Milliarden Menschen zirka 80 Prozent im besiedelten Raum leben werden.
Im Städtebau hat schon seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts der Naturschutz-Gedanke Einzug gehalten. Mit „nachhaltiger Entwicklung“ (formuliert u. a. in der „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ 2007) ist im Städtebau nun ein Leitbild geschaffen worden, das endlich den Naturschutz und seine Ziele miteinbezieht. Dabei werden neue „grüne Städte“ gefordert, die den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nutzen grüner Strukturen anerkennen. Urbanes Grün stellt in diesem Konzept einen wichtigen Teil unserer Baukultur dar. Es macht Städte für die Menschen attraktiver und lebenswerter. Es gilt, den Umgang mit diesen Grünflächen zu lieben, was bedeutet sie zu gestalten, zu nutzen ,zu pflegen und sie damit letztendlich zu schützen. Städte beherbergen zudem im Vergleich zur umgebenden Landschaft vielfältige Grünstrukturen auf kleinstem Raum. Es ist für Städte absolut notwendig, diese klimatischen Ausgleichsräume zu erhalten und neu anzulegen. Dazu gehören z. B. Bäume. Sie filtern Stäube, Schadstoffe und CO2 aus der Luft und fördern mit dieser innerstädtischen Frischluftproduktion das Stadtklima. Grünflächen mildern Temperaturschwankungen und sorgen für Kühlung insbesondere bei sommerlichen Hitzeereignissen, die zuweilen dazu führen, dass hitzeempfindliche Menschen sich in Innenstädten von Baum zu Baum fortbewegen – dankbar für jedes kleine Stückchen Schatten und Kühlung, den diese bieten. Extremwetterereignisse, die in den letzten Jahren auch bei uns stattfanden, können zudem besser abgefedert werden. Unversiegelte Grünflächen regulieren den Wasserhaushalt: Ihr Regenwasserrückhalt fängt Starkniederschläge besser auf, verhindern Überflutungen und sind bedeutsam für die Grundwasseranreicherung-Neubildung.
Obwohl Städte aufgrund ihrer vielfältigen Struktur deutlich mehr Pflanzen- und Tierarten beherbergen als allgemein angenommen und artenreicher als das Umland sein können, hat die Urbanisierung mit ihren Flächenumwandlungen einen massiven Einfluss auf die biologische Vielfalt. Stadtökologische Forschungen verzeichnen innerhalb der letzten 100 Jahre eine deutliche Artenzunahme, jedoch einen Artenrückgang und die Gefährdung von einheimischen Pflanzen- und Tierarten. Neophyten (gebietsfremde Arten) treten bei uns stattdessen häufiger auf: „Hinter den hohen Artenzahlen (in Städten) verbirgt sich … ein starker Artenrückgang, der mit einer erheblich verringerten Häufigkeit vieler Arten, vor allem einheimischer, verbunden ist.“(Kowarik).
Naturräume sind für Stadtbewohner wichtige Erholungs- und Naturerfahrungsräume und damit eine kluge Lösung für Erhalt und Steigerung der Lebensqualität und Gesundheit, und das unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht. In diesem Punkt verbinden sich ökologische und soziale Komponenten anschaulich und Stadtgrün wird ein Kriterium für soziale Gerechtigkeit. Denn Stadtgrün ist generell nicht gerecht verteilt, soziale Brennpunkte, ärmere Viertel haben oft weniger und unzureichende grüne Stadtviertel. Parks, Stadtwälder, Sportplätze jedoch, die fußläufig in der Stadt erreicht werden können, stellen vielfältige Freizeit- und Erholungsräume dar, die dem Wohlbehalten und der Gesundheit dienen. Gleichzeitig wird auch das Kima geschützt, da das Pendeln in weiter entfernte Gebiete für freizeitbezogene Aktivitäten verhindert wird. Begrünungen stellen attraktive Lebensräume bereit und steigern die Stadtqualität. Parks werden z.B. zu Begegnungsstätten, fördern das soziale Miteinander und den Austausch zwischen Menschen. Ein weiterer Vorteil ist, dass in der Stadt durch das Grün biologische Vielfalt geschaffen wird. Denn das Grün bietet vielen Tier-und Pflanzenarten einen Lebensraum an. Es stellt einen Verbreitungskorridor dar. Auch in einer Stadt gibt es Ersatzlebensräume für z.B. Vögel, Schmetterlinge, Igel, Eichhörnchen, Wildbienen oder sogar manche Rote Liste-Arten. In einem vegetationskundlichen Praktikum der Uni Bonn wurde auf einem asphaltierten Vorhof eines Uni-Gebäudes ein Vortrag über „Pflasterritzengesellschaften“ gehalten und diese dann durch den Professor und die Studenten ganz ernsthaft begutachtet. Die Stadt hat so vieles zu bieten, wenn man auch hinguckt.
Dennoch ist Grün in der Stadt weiter eine große Herausforderung. Die Bonner Stadtgärtner kümmern sich in Bonn um die anfallenden Pflegearbeiten der Grünflächen. Und das seit kurzem mit fair gehandelter Arbeitskleidung, für die Förderung sozial gerechter Arbeits- und Lebensbedingungen. Ein guter Tipp also: Fair gehandelte Kleidung kaufen macht zufrieden und hilft Menschen in ärmeren Ländern. Und wussten Sie schon, dass es eine süß duftende, gelbe Kletterrose gibt, die sich „Amnesty international delcreja“ nennt? Teile der Verkaufserlöse gehen an die Menschenrechtsorganisation. Vielleicht blühen bald auch solche Rosen in Bonn.
Autorin: Esther Reinecke & Andreas Lison