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First, the good news: in November 2016, the Congress of Colombia ratified the peace accord between the Santos government and the larger guerilla movement Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC). Negotiations will begin in February with the Ejercito de la Liberación Nacional (ELN), the smaller left-wing guerilla group.
The conflict in Colombia, which began in the mid-1960s, cost thousands of people their lives and forced over four million of them to flee their homes. The length and complexity of the war was reflected in the time-consuming negotiations, which began in Havana in 2012 and culminated in the adoption of the peace agreement. This four-year process was accompanied by many highs and lows. Ceasefires were announced and then broken, local politicians kidnapped and freed again, and guerrilla commanders killed. It was uncertain until the last minute whether a peace accord would emerge, as the government wanted to gain legitimacy for the agreement from citizens. Eligible voters decided on the text of the agreement on 2 October 2016, surprisingly rejecting it by a slim majority. In a contrary development that week, the Nobel Committee in Oslo decided to award President Santos the Nobel Peace Prize. The accord was then finally ratified in modified form on 24 November 2016 without Congress calling another referendum.
Santos’ peace project does not enjoy universal support
It appears strange at first that a large group of Colombians would reject the peace accord, but there is a territorial reason behind this. The war between the Colombian Government and FARC was primarily centred on rural regions in which raw materials are mined or coca grown and transported. It is in these peripheral zones, some of which are highly inaccessible, that the power of the warring parties, FARC and ordinary gangs is concentrated. For decades, the civilian population in these areas bore the brunt of the relentless conflict. However, in the big cities, where most of the population live, the presence of the guerilla group has notably diminished in recent years. There has also been a significant reduction in the number of kidnappings on national roads, for instance. For many Colombians living in urban centres, the war is less noticeable. The guerilla fighters also have a bad reputation owing to their long-standing practice of kidnappings and other acts of violence against the population. Politician Alvaro Uribe capitalised on this situation in his campaign against the peace agreement, managing to convince a small majority of the electorate to vote against it.
‘The actual level of peace’
To date, efforts to make peace with FARC could be described as a tour de force with a stage win. We can only hope that, after decades of bloodshed, Colombian society can return to a situation of peace. The high spirits about the peace accord are being dampened by the fact that there is still a great deal to do.
The peace agreement is only the beginning of the end of the conflict in Colombia. In order to bring about long-term peace, the agreement also needs to be put into practice locally. The government must ensure that displaced persons can return to their land and live there in peace. It must see to it that FARC makes material and non-material restitution for its crimes to the civilian population (a requirement which incidentally applies to all warring parties, including the officially demobilised paramilitaries). The government is responsible for making sure that the political participation negotiated as part of the peace accord is delivered in practice. Ultimately, it must provide protection for political opponents and social activists. Let us hope that, in the long term, even those who have so far been intransigent and who voted “no” in October will become convinced of the practical benefits of peace. If the aforementioned pre-requisites are not met, the Havana peace accord will remain no more than a hard-won partial victory which could be quickly nullified by social, political and economic conditions.
Source: Website DIE, 06.02.2017
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Die gute Nachricht zuerst: Im November 2016 hat der kolumbianische Kongress den Friedensvertrag zwischen der Regierung Santos und der größeren Guerillabewegung Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) ratifiziert. Im Februar dieses Jahres beginnen Verhandlungen mit der ELN (Ejerzito de la Liberación nacional), der kleineren linksgerichteten Guerilla.
Der Konflikt in Kolumbien begann Mitte der 1960er Jahre, kostete tausende Menschen das Leben und zwang über vier Millionen von ihnen zur Flucht. So spiegelte sich die Länge und Komplexität des Krieges in den Verhandlungen wider. Denn die Annahme des Friedensvertrages ist das Ergebnis eines langwierigen Prozesses, der 2012 in Havanna begann. Der vierjährige Weg zum Friedensabkommen war von vielen Höhen und Tiefen begleitet: Feuerpausen wurden verkündet und wieder beendet, lokale Politiker entführt und wieder freigelassen, Guerilla-Kommandeure getötet. Bis zum Ende war nicht sicher, ob es zum Friedensschluss kommen würde. Denn die Regierung suchte eine Legitimierung des Friedensvertrages durch die Bürgerinnen und Bürger. So stimmten die Wahlberechtigten am 2. Oktober 2016 über den Vertragstext ab – und lehnten ihn mit knapper Mehrheit überraschend ab. In einer gegenläufigen Entwicklung in jener Woche beschloss das Nobel-Komitee in Oslo, Präsident Santos den Friedensnobelpreis zu verleihen. Am 24. November 2016 wurde der Vertrag dann schließlich in geänderter Form, ohne eine weitere Volksbefragung vom Kongress angenommen.
Nicht jeder ist für Santos‘ Frieden
Es erscheint zunächst verwunderlich, warum eine große Gruppe von Kolumbianerinnen und Kolumbianern den Friedensvertrag abgelehnt hat. Diese Ablehnung hat einen räumlichen Grund. Der Krieg zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC konzentrierte sich zumeist auf ländliche Gebiete, in denen Rohstoffe gefördert werden oder Koka angebaut und transportiert wird. In diesen Randzonen, die zum Teil schwer zugänglich sind, bündelt sich die Gewalt der Kriegsparteien, der FARC, aber auch gewöhnlicher Banden. In solchen Gebieten litt die Zivilbevölkerung Jahrzehnte lang besonders stark unter dem andauernden Konflikt. In den großen Städten jedoch, in denen die Mehrheit der Bevölkerung lebt, hat sich die Präsenz der Guerilla in den letzten Jahren merklich verringert. Auch die Entführungen, etwa auf Überlandstraßen, haben deutlich abgenommen. Für viele Kolumbianerinnen und Kolumbianer, die in urbanen Zentren wohnen, ist der Krieg weniger spürbar. Die Guerilla hat darüber hinaus einen schlechten Ruf, was auf die langjährige Praxis von Entführungen und andere Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung zurückgeht. Diese Bedingungen konnte der rechte Politiker Alvaro Uribe mit seiner Kampagne gegen das Friedensabkommen für sich nutzen und eine knappe Mehrheit des Wahlvolks überzeugen, mit einem „Nein“ zum Friedensvertrag zu stimmen.
„Der real existierende Frieden“
Bis jetzt lässt sich die Suche nach Frieden mit den FARC als Tour de Force mit Etappensieg beschreiben. Es ist der kolumbianischen Gesellschaft zu wünschen, dass sie nach Jahrzehnten des Blutvergießens zum Frieden zurückfindet. Und das ist der Aspekt, der die Freude über den Friedensschluss trübt: es gibt noch viel zu tun.
Der Friedensvertrag ist erst der Anfang vom Ende des Konfliktes in Kolumbien. Um einen langfristigen Frieden zu schaffen, muss der Friedensschluss auch vor Ort mit Leben gefüllt werden. Die Regierung muss gewährleisten, dass vertriebene Menschen auf ihr Land zurückkehren und dort in Frieden leben können. Sie muss dafür sorgen, dass die FARC ihre Verbrechen an der Zivilbevölkerung materiell und ideell wiedergutmachen (eine Forderung, die übrigens für alle Kriegsparteien einschließlich der offiziell demobilisierten Paramilitärs gilt). Die Regierung ist dafür verantwortlich, dass die im Friedensvertrag ausgehandelte politische Teilhabe auch wirklich umgesetzt wird. Schließlich muss sie den Schutz politischer Gegner sowie sozialer Aktivisten gewährleisten. Es ist zu hoffen, dass auf längere Sicht auch diejenigen vom praktischen Nutzen des Friedens überzeugt werden, die sich bis jetzt uneinsichtig zeigen und im Oktober mit einem „Nein“ gestimmt haben. Werden die genannten Voraussetzungen nicht umgesetzt, bleibt der Friedensvertrag von Havanna nur ein mühevoll errungener Teilerfolg, der von den sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnissen schnell zunichte gemacht werden kann.
Quelle: Website DIE, 06.02.2017
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