Seit der neolithischen Revolution – also seit dem Epochenwechsel der Menschen vom Entwicklungsstatus der Jäger und Sammler zu dem der Ackerbauern und Viehzüchter – wissen Bauern und Bäuerinnen: Sie sind diejenigen, die die Menschen ernähren. Sie stehen im Stoffwechsel der Menschen mit der Natur an der ersten Stelle. Ihre Produkte sind die erste Bedingung menschlicher und gesellschaftlicher Existenz. Die Überschüsse ihrer Arbeit sind die Voraussetzung der Arbeitsteilung und jeder weiteren gesellschaftlichen Entwicklung.
Zwar leben weltweit ungefähr seit 2007 zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und hier in Deutschland stellen Landwirte nur noch einen niedrigen einstelligen Anteil an der Bevölkerung. Aber das ändert nichts. Der Umstand, dass ein so kleiner Teil der Bevölkerung den großen anderen Teil ernährt, ist Ausdruck ihrer erstaunlichen Leistung.
Vor diesem Hintergrund mag es verwunderlich sein, dass weltweit ein großer Teil der Armen auf dem Land lebt – „mit einem Anteil von vielerorts mehr als 70 Prozent“, wie die GIZ im September 2012 in ihrer Publikation „Armut und ländliche Räume“ feststellte. Die Gründe sind vielfältig: Bodenknappheit und Übernutzung der Böden, Klimawandel, Mangel an Wasser und Energie, fehlender Zugang zu Krediten, fehlender Marktzugang, zu niedrige Agrarpreise oder deren heftiges Schwanken, allgemeine Rechtsunsicherheit, besonders hinsichtlich der Eigentumsrechte am Boden, niedrige Bildung, fehlende Gesundheitsdienste, mangelnde politische Teilhabe und vieles mehr. „Ländliche Entwicklung“ war und ist – mit unterschiedlichen Konjunkturen – eines der großen Themen der Entwicklungspolitik.
Vom Klimawandel und den sonstigen planetaren Veränderungen durch den Menschen sind natürlich auch die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft dramatisch betroffen, und zwar überall. Landwirte – und besonders die Kleinbauern in den Ländern des globalen Südens – befinden sich meistens auf der Verliererseite des Spiels. Landwirte sind aber auch Mitverursacher dieser Veränderungen, und besonders diejenigen im globalen Norden. Bei uns muss man dabei unter anderem an die Treibhausgas-Emissionen in der Viehwirtschaft und die Stickstoff-Einträge in die Flächen denken, aber auch, dass unsere landwirtschaftlich geprägten Gebiete im Hinblick auf die Vielfalt der dort lebenden Arten weitgehend leergeräumt sind.
Die bäuerliche Landwirtschaft war der Schöpfer der europäischen Kulturlandschaften. Und die waren traditionell außerordentlich artenreich. Dieser Artenreichtum ist auf dem Land als Folge der Produktionsweise unserer Landwirtschaft verloren gegangen. Heute gibt es den größten Artenreichtum in den Siedlungsspeckgürteln der großen Städte. Das muss nicht so sein. Es ist möglich, gute landwirtschaftliche Produktivität mit der Erhaltung der Lebensräume der bei uns heimischen Arten zu verbinden. Und die europäischen Gesellschaften sollten diese Leistung der Landwirtschaft dann auch angemessen materiell honorieren. Deshalb sollte das landwirtschaftliche Subventionsregime in Europa und in Deutschland in diesem Sinne umgebaut werden.
Unsere Landwirtschaft ist schon lange in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden. Das ist an sich erst einmal nichts Schlechtes. Aber wenn eine der Voraussetzungen unserer übermäßigen Fleischproduktion das Eiweißfutter auf der Grundlage von Soja ist, das in Brasilien in gigantischen Monokulturen angebaut wird, und wenn dafür – zumindest teilweise – große Flächen des Amazonas-Urwaldes brandgerodet werden, dann bestehen gute Gründe, dies zu ändern. Das Gleiche gilt für das bei uns produzierte Geflügel. Es wird zu großen Teilen mit importiertem Futter produziert und oft unter Bedingungen, die mit Tierschutz nur schwer vereinbar sind.
Und unser Markt nimmt dann überwiegend nur noch das Brustfleisch ab, während der Rest mit EU-Subventionen in großen Mengen nach Afrika transportiert wird und dort die lokale Produktion kaputt macht. Auch mit unserer landwirtschaftlichen Produktion tragen wir internationale Verantwortung.
Aus all diesen Gründen widmet die Stiftung Umwelt und Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung, betrachtet aus ökologischen und entwicklungspolitischen Perspektiven, den Schwerpunkt der neuen Ausgabe der „Resultate “. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit nachhaltigen Geldanlagen und mit den Grenzen der Wirkungsmessung in der Entwicklungszusammenarbeit.
Zur Zeitschrift Resultate 4-2014
Aus dem Inhalt:
- Land und Entwicklung – Die Wiederentdeckung des ländlichen Raumes in der Entwicklungszusammenarbeit (von Einhard Schmidt-Kallert )
- Zweifelhafter Fortschritt – Landgrabbing in Äthiopien (von Till Winkelmann )
- Wem gehört das Land? – Brasilien: Agroindustrielle versus kleinbäuerliche Landwirtschaft (von Constanze Lemmerich )
- Futter für unser Fleisch – Heimische Leguminosen bieten Eiweiß und mehr
- Doppelte Rendite – Nachhaltige Geldanlagen im Aufwind
- Die Vermessung der (Entwicklungs-)Welt – Ein Kommentar zu den Grenzen des Messens (von Dieter Reuter )
Bild: Stiftung Umwelt und Entwicklung
Quelle: Eberhard Neugebohrn, Editorial der „Resultate“ 4-2014Seit der neolithischen Revolution – also seit dem Epochenwechsel der Menschen vom Entwicklungsstatus der Jäger und Sammler zu dem der Ackerbauern und Viehzüchter – wissen Bauern und Bäuerinnen: Sie sind diejenigen, die die Menschen ernähren. Sie stehen im Stoffwechsel der Menschen mit der Natur an der ersten Stelle. Ihre Produkte sind die erste Bedingung menschlicher und gesellschaftlicher Existenz. Die Überschüsse ihrer Arbeit sind die Voraussetzung der Arbeitsteilung und jeder weiteren gesellschaftlichen Entwicklung.
Zwar leben weltweit ungefähr seit 2007 zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und hier in Deutschland stellen Landwirte nur noch einen niedrigen einstelligen Anteil an der Bevölkerung. Aber das ändert nichts. Der Umstand, dass ein so kleiner Teil der Bevölkerung den großen anderen Teil ernährt, ist Ausdruck ihrer erstaunlichen Leistung.
Vor diesem Hintergrund mag es verwunderlich sein, dass weltweit ein großer Teil der Armen auf dem Land lebt – „mit einem Anteil von vielerorts mehr als 70 Prozent“, wie die GIZ im September 2012 in ihrer Publikation „Armut und ländliche Räume“ feststellte. Die Gründe sind vielfältig: Bodenknappheit und Übernutzung der Böden, Klimawandel, Mangel an Wasser und Energie, fehlender Zugang zu Krediten, fehlender Marktzugang, zu niedrige Agrarpreise oder deren heftiges Schwanken, allgemeine Rechtsunsicherheit, besonders hinsichtlich der Eigentumsrechte am Boden, niedrige Bildung, fehlende Gesundheitsdienste, mangelnde politische Teilhabe und vieles mehr. „Ländliche Entwicklung“ war und ist – mit unterschiedlichen Konjunkturen – eines der großen Themen der Entwicklungspolitik.
Vom Klimawandel und den sonstigen planetaren Veränderungen durch den Menschen sind natürlich auch die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft dramatisch betroffen, und zwar überall. Landwirte – und besonders die Kleinbauern in den Ländern des globalen Südens – befinden sich meistens auf der Verliererseite des Spiels. Landwirte sind aber auch Mitverursacher dieser Veränderungen, und besonders diejenigen im globalen Norden. Bei uns muss man dabei unter anderem an die Treibhausgas-Emissionen in der Viehwirtschaft und die Stickstoff-Einträge in die Flächen denken, aber auch, dass unsere landwirtschaftlich geprägten Gebiete im Hinblick auf die Vielfalt der dort lebenden Arten weitgehend leergeräumt sind.
Die bäuerliche Landwirtschaft war der Schöpfer der europäischen Kulturlandschaften. Und die waren traditionell außerordentlich artenreich. Dieser Artenreichtum ist auf dem Land als Folge der Produktionsweise unserer Landwirtschaft verloren gegangen. Heute gibt es den größten Artenreichtum in den Siedlungsspeckgürteln der großen Städte. Das muss nicht so sein. Es ist möglich, gute landwirtschaftliche Produktivität mit der Erhaltung der Lebensräume der bei uns heimischen Arten zu verbinden. Und die europäischen Gesellschaften sollten diese Leistung der Landwirtschaft dann auch angemessen materiell honorieren. Deshalb sollte das landwirtschaftliche Subventionsregime in Europa und in Deutschland in diesem Sinne umgebaut werden.
Unsere Landwirtschaft ist schon lange in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden. Das ist an sich erst einmal nichts Schlechtes. Aber wenn eine der Voraussetzungen unserer übermäßigen Fleischproduktion das Eiweißfutter auf der Grundlage von Soja ist, das in Brasilien in gigantischen Monokulturen angebaut wird, und wenn dafür – zumindest teilweise – große Flächen des Amazonas-Urwaldes brandgerodet werden, dann bestehen gute Gründe, dies zu ändern. Das Gleiche gilt für das bei uns produzierte Geflügel. Es wird zu großen Teilen mit importiertem Futter produziert und oft unter Bedingungen, die mit Tierschutz nur schwer vereinbar sind.
Und unser Markt nimmt dann überwiegend nur noch das Brustfleisch ab, während der Rest mit EU-Subventionen in großen Mengen nach Afrika transportiert wird und dort die lokale Produktion kaputt macht. Auch mit unserer landwirtschaftlichen Produktion tragen wir internationale Verantwortung.
Aus all diesen Gründen widmet die Stiftung Umwelt und Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung, betrachtet aus ökologischen und entwicklungspolitischen Perspektiven, den Schwerpunkt der neuen Ausgabe der „Resultate “. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit nachhaltigen Geldanlagen und mit den Grenzen der Wirkungsmessung in der Entwicklungszusammenarbeit.
Zur Zeitschrift Resultate 4-2014
Aus dem Inhalt:
- Land und Entwicklung – Die Wiederentdeckung des ländlichen Raumes in der Entwicklungszusammenarbeit (von Einhard Schmidt-Kallert )
- Zweifelhafter Fortschritt – Landgrabbing in Äthiopien (von Till Winkelmann )
- Wem gehört das Land? – Brasilien: Agroindustrielle versus kleinbäuerliche Landwirtschaft (von Constanze Lemmerich )
- Futter für unser Fleisch – Heimische Leguminosen bieten Eiweiß und mehr
- Doppelte Rendite – Nachhaltige Geldanlagen im Aufwind
- Die Vermessung der (Entwicklungs-)Welt – Ein Kommentar zu den Grenzen des Messens (von Dieter Reuter )
Bild: Stiftung Umwelt und Entwicklung
Quelle: Eberhard Neugebohrn, Editorial der „Resultate“ 4-2014