Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen
Vom 7. bis 18. Dezember 2009 findet in Kopenhagen die nächste UN-Klimakonferenz statt. Für die katholische Kirche gehört der Klimaschutz zu den wesentlichen Herausforderungen, wenn es um den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung geht. Aus diesem Anlass gibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, folgende Erklärung ab, die die Erwartungen an den Klimagipfel und die Verantwortung der globalen Menschheitsfamilie beschreibt:
Mit Hoffnung, aber auch mit Sorge blicken wir auf die bevorstehende UN-Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention, die vom 7. bis 18. Dezember 2009 in Kopenhagen stattfinden wird. Ihr kommt eine entscheidende Bedeutung für eine von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl geprägte Entwicklung zu. Deshalb dürfen dringend anstehende Weichenstellungen für globale Solidarität beim Klimaschutz nicht in ferne Zukunft verschoben werden.
Der Klimawandel, der im Wesentlichen durch menschliche Aktivitäten verursacht ist, stellt im globalen Ausmaß – das machen die Prognosen des Internationalen Weltklimarates deutlich – eine erhebliche Gefährdung der Lebensgrundlagen der heutigen und der kommenden Generationen sowie der Artenvielfalt in der Natur dar. Die Auswirkungen des Klimawandels bedrohen Leben, Gesundheit, Nahrung und Sicherheit – und damit grundlegende Menschenrechte – von vielen hundert Millionen Menschen. Sie führen zu Landflucht und gefährden den Frieden. Der Klimawandel ist nicht eine Frage des Schicksals, sondern eine ethische Herausforderung menschlichen Handelns im Sinne von Solidarität und Gerechtigkeit.
Nach christlicher Überzeugung stellt der Umgang mit der natürlichen Umwelt „eine Verantwortung gegenüber den Armen, den künftigen Generationen und der ganzen Menschheit dar“ (Papst Benedikt XVI., Caritas in veritate 48). Die Natur ist für Christen eine Gabe des Schöpfers, die dem Menschen zur Nutzung und Bewahrung anvertraut wurde. Dies umfasst einen sorgsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, der auch Voraussetzung einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen ist. Deshalb setzt sich die Kirche für den Klimaschutz ein: Sie „hat eine Verantwortung für die Schöpfung und muss diese Verantwortung auch öffentlich geltend machen“ (Papst Benedikt XVI. Caritas in veritate 51).
Der Klimaschutz ist die Nagelprobe für die ernsthafte Bereitschaft aller gesellschaftlichen Akteure, Nachhaltigkeit und globale Solidarität im 21. Jahrhundert praktisch umzusetzen. Die Entwicklungsländer emittieren pro Kopf ihrer Bevölkerungen viel weniger Treibhausgase als die Industrieländer. Sie sind jedoch von ihren Auswirkungen am stärksten betroffen. Daher stehen die Industriestaaten nicht nur in einer besonderen Verpflichtung, beim Klimaschutz mit spürbaren Maßnahmen voranzugehen. Sie stehen auch in der Verantwortung, die ärmeren und besonders betroffenen Länder beim Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung der negativen Folgen des Klimawandels und zur Anpassung an geänderte Lebensbedingungen zu unterstützen. Gleichwohl ist nach dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung auch die Bereitschaft der Schwellen- und Entwicklungsländer erforderlich, sich auf konkrete Emissionsreduktionsziele für einen effektiven und globalen Klimaschutz zu einigen. Ein zentraler Punkt der Klimagerechtigkeit ist auch die faire Verteilung der noch nicht vermeidbaren und gerade noch tolerablen Treibhausgas-Emissionen. Aufgrund ihrer historischen Verantwortung und gegenwärtigen Klimaschädigung müssen die Industrieländer ihren Pro-Kopf-Ausstoß deshalb erheblich stärker verringern als die Schwellen- und vor allem die Entwicklungsländer.
Unsere Welt und die globale Menschheitsfamilie brauchen in Kopenhagen einen gemeinsamen Kraftakt, denn das Klima ist ein öffentliches Gut. Jeder einzelne trägt zwar nur geringfügig zu dessen Schädigung bei, aber alle leiden – wenn auch in höchst unterschiedlichem Ausmaß – unter den negativen Auswirkungen. Investitionen für den Klimaschutz müssen durch entsprechende wirksame Rahmenbedingungen gesichert werden. Die Festlegung solcher Regeln ist das Gebot der Stunde, denn nach Ablauf des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 ist ein neuer globaler Gesellschaftsvertrag für nachhaltigen und gerechten Klimaschutz mit konkreten Reduktionszielen und detaillierten Finanzierungsplänen unverzichtbar. Unverbindliche Absichtserklärungen reichen dauerhaft für einen echten globalen Bewusstseinwandel im Hinblick auf die existentielle Notwendigkeit des Klimaschutzes nicht aus. Es müssen völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzziele und maßnahmen vereinbart werden. Um die Umsetzung eines solchen globalen Gesellschaftsvertrages zu gewährleisten, ist langfristig die Gründung einer eigenständigen, mit Sanktions- und politischer Gestaltungsmacht ausgestatteten Organisation innerhalb der UNO anzustreben.
Zu den aktuellen globalen Herausforderungen zählt neben dem Klimawandel die Krise der internationalen Finanzmärkte. Auch hier hat sich gezeigt, wie eng die einzelnen Staaten und Wirtschaftsräume vernetzt sind und wie dringend erforderlich ein globaler Ordnungsrahmen ist. Die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen der Destabilisierung des Klimas, der Struktur der Energieversorgung, der weltweiten Ernährungslage und der Organisation der Finanzmärkte sollten als Chance begriffen werden für eine grundlegende Neuausrichtung des Konzepts globaler Entwicklung. Ökonomie, Ökologie und Soziales können und müssen in der Wirtschafts-, Handels-, Finanz- und Entwicklungspolitik aufeinander abgestimmt sein. Ein ethischer Maßstab ist hierfür die öko-soziale Marktwirtschaft. Wenn auf dieser Grundlage die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden, ergeben sich Synergien zwischen Wachstumsstrategie und Klimaschutz, z. B. durch Investitionen in Maßnahmen zur Energieeinsparung, zum Ausbau regenerativer Energieträger, in eine nachhaltige Ernährungssicherung sowie in Armutsüberwindung.
Langfristig ist der Fortbestand eines menschenwürdigen Daseins auf effektive Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels, zur Anpassung an seine Folgen sowie zur entsprechenden Kompetenzbildung angewiesen. Wir appellieren daher an die internationale Staatengemeinschaft, in Kopenhagen ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll für die Zeit nach 2012 zu verabschieden, das der Größe der Herausforderung gerecht wird. Langfristig gibt es hierzu aus Solidaritäts- und Gerechtigkeitserwägungen keine Alternative. In diesem Protokoll sollten verbindliche und terminierte globale und nationale Ziele zur schrittweisen Emissionsminderung festgelegt und verbindliche Zusagen für technische und finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung ihrer Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen gemacht werden. Zudem müssen Höchstgrenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen festlegt werden, zu deren Unterschreitung durchaus flexible Mechanismen genutzt werden können, solange diese nicht die ärmeren Länder benachteiligen. Gelder aus dem Zertifikatenhandel sollten konsequent für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel genutzt werden. Die Regeln müssen global gelten und Verstöße müssen sanktioniert werden können. Aus Solidarität mit den künftigen Generationen darf nach 2012 keine Lücke im globalen Klimaschutz entstehen. Wir brauchen jetzt einen neuen globalen Gesellschaftsvertrag, der das Klima und damit unsere Lebensgrundlagen wirksam schützt.
Pressemitteilung unter: http://www.dbk.de/aktuell/meldungen/02104/index.htmlErklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen
Vom 7. bis 18. Dezember 2009 findet in Kopenhagen die nächste UN-Klimakonferenz statt. Für die katholische Kirche gehört der Klimaschutz zu den wesentlichen Herausforderungen, wenn es um den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung geht. Aus diesem Anlass gibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, folgende Erklärung ab, die die Erwartungen an den Klimagipfel und die Verantwortung der globalen Menschheitsfamilie beschreibt:
Mit Hoffnung, aber auch mit Sorge blicken wir auf die bevorstehende UN-Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention, die vom 7. bis 18. Dezember 2009 in Kopenhagen stattfinden wird. Ihr kommt eine entscheidende Bedeutung für eine von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl geprägte Entwicklung zu. Deshalb dürfen dringend anstehende Weichenstellungen für globale Solidarität beim Klimaschutz nicht in ferne Zukunft verschoben werden.
Der Klimawandel, der im Wesentlichen durch menschliche Aktivitäten verursacht ist, stellt im globalen Ausmaß – das machen die Prognosen des Internationalen Weltklimarates deutlich – eine erhebliche Gefährdung der Lebensgrundlagen der heutigen und der kommenden Generationen sowie der Artenvielfalt in der Natur dar. Die Auswirkungen des Klimawandels bedrohen Leben, Gesundheit, Nahrung und Sicherheit – und damit grundlegende Menschenrechte – von vielen hundert Millionen Menschen. Sie führen zu Landflucht und gefährden den Frieden. Der Klimawandel ist nicht eine Frage des Schicksals, sondern eine ethische Herausforderung menschlichen Handelns im Sinne von Solidarität und Gerechtigkeit.
Nach christlicher Überzeugung stellt der Umgang mit der natürlichen Umwelt „eine Verantwortung gegenüber den Armen, den künftigen Generationen und der ganzen Menschheit dar“ (Papst Benedikt XVI., Caritas in veritate 48). Die Natur ist für Christen eine Gabe des Schöpfers, die dem Menschen zur Nutzung und Bewahrung anvertraut wurde. Dies umfasst einen sorgsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, der auch Voraussetzung einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen ist. Deshalb setzt sich die Kirche für den Klimaschutz ein: Sie „hat eine Verantwortung für die Schöpfung und muss diese Verantwortung auch öffentlich geltend machen“ (Papst Benedikt XVI. Caritas in veritate 51).
Der Klimaschutz ist die Nagelprobe für die ernsthafte Bereitschaft aller gesellschaftlichen Akteure, Nachhaltigkeit und globale Solidarität im 21. Jahrhundert praktisch umzusetzen. Die Entwicklungsländer emittieren pro Kopf ihrer Bevölkerungen viel weniger Treibhausgase als die Industrieländer. Sie sind jedoch von ihren Auswirkungen am stärksten betroffen. Daher stehen die Industriestaaten nicht nur in einer besonderen Verpflichtung, beim Klimaschutz mit spürbaren Maßnahmen voranzugehen. Sie stehen auch in der Verantwortung, die ärmeren und besonders betroffenen Länder beim Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung der negativen Folgen des Klimawandels und zur Anpassung an geänderte Lebensbedingungen zu unterstützen. Gleichwohl ist nach dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung auch die Bereitschaft der Schwellen- und Entwicklungsländer erforderlich, sich auf konkrete Emissionsreduktionsziele für einen effektiven und globalen Klimaschutz zu einigen. Ein zentraler Punkt der Klimagerechtigkeit ist auch die faire Verteilung der noch nicht vermeidbaren und gerade noch tolerablen Treibhausgas-Emissionen. Aufgrund ihrer historischen Verantwortung und gegenwärtigen Klimaschädigung müssen die Industrieländer ihren Pro-Kopf-Ausstoß deshalb erheblich stärker verringern als die Schwellen- und vor allem die Entwicklungsländer.
Unsere Welt und die globale Menschheitsfamilie brauchen in Kopenhagen einen gemeinsamen Kraftakt, denn das Klima ist ein öffentliches Gut. Jeder einzelne trägt zwar nur geringfügig zu dessen Schädigung bei, aber alle leiden – wenn auch in höchst unterschiedlichem Ausmaß – unter den negativen Auswirkungen. Investitionen für den Klimaschutz müssen durch entsprechende wirksame Rahmenbedingungen gesichert werden. Die Festlegung solcher Regeln ist das Gebot der Stunde, denn nach Ablauf des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 ist ein neuer globaler Gesellschaftsvertrag für nachhaltigen und gerechten Klimaschutz mit konkreten Reduktionszielen und detaillierten Finanzierungsplänen unverzichtbar. Unverbindliche Absichtserklärungen reichen dauerhaft für einen echten globalen Bewusstseinwandel im Hinblick auf die existentielle Notwendigkeit des Klimaschutzes nicht aus. Es müssen völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzziele und maßnahmen vereinbart werden. Um die Umsetzung eines solchen globalen Gesellschaftsvertrages zu gewährleisten, ist langfristig die Gründung einer eigenständigen, mit Sanktions- und politischer Gestaltungsmacht ausgestatteten Organisation innerhalb der UNO anzustreben.
Zu den aktuellen globalen Herausforderungen zählt neben dem Klimawandel die Krise der internationalen Finanzmärkte. Auch hier hat sich gezeigt, wie eng die einzelnen Staaten und Wirtschaftsräume vernetzt sind und wie dringend erforderlich ein globaler Ordnungsrahmen ist. Die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen der Destabilisierung des Klimas, der Struktur der Energieversorgung, der weltweiten Ernährungslage und der Organisation der Finanzmärkte sollten als Chance begriffen werden für eine grundlegende Neuausrichtung des Konzepts globaler Entwicklung. Ökonomie, Ökologie und Soziales können und müssen in der Wirtschafts-, Handels-, Finanz- und Entwicklungspolitik aufeinander abgestimmt sein. Ein ethischer Maßstab ist hierfür die öko-soziale Marktwirtschaft. Wenn auf dieser Grundlage die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden, ergeben sich Synergien zwischen Wachstumsstrategie und Klimaschutz, z. B. durch Investitionen in Maßnahmen zur Energieeinsparung, zum Ausbau regenerativer Energieträger, in eine nachhaltige Ernährungssicherung sowie in Armutsüberwindung.
Langfristig ist der Fortbestand eines menschenwürdigen Daseins auf effektive Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels, zur Anpassung an seine Folgen sowie zur entsprechenden Kompetenzbildung angewiesen. Wir appellieren daher an die internationale Staatengemeinschaft, in Kopenhagen ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll für die Zeit nach 2012 zu verabschieden, das der Größe der Herausforderung gerecht wird. Langfristig gibt es hierzu aus Solidaritäts- und Gerechtigkeitserwägungen keine Alternative. In diesem Protokoll sollten verbindliche und terminierte globale und nationale Ziele zur schrittweisen Emissionsminderung festgelegt und verbindliche Zusagen für technische und finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung ihrer Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen gemacht werden. Zudem müssen Höchstgrenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen festlegt werden, zu deren Unterschreitung durchaus flexible Mechanismen genutzt werden können, solange diese nicht die ärmeren Länder benachteiligen. Gelder aus dem Zertifikatenhandel sollten konsequent für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel genutzt werden. Die Regeln müssen global gelten und Verstöße müssen sanktioniert werden können. Aus Solidarität mit den künftigen Generationen darf nach 2012 keine Lücke im globalen Klimaschutz entstehen. Wir brauchen jetzt einen neuen globalen Gesellschaftsvertrag, der das Klima und damit unsere Lebensgrundlagen wirksam schützt.
Pressemitteilung unter: http://www.dbk.de/aktuell/meldungen/02104/index.html