Jil Offermann über den kommunalen Handlungsspielraum in Naturschutzgebieten

    Worum geht es in Ihrer Bachelorarbeit?

    In meiner Bachelorarbeit habe ich den kommunalen Handlungsspielraum in Naturschutzgebieten analysiert. Dazu verglich ich zwei Kommunen miteinander: Saalekreis und Kreis Wesel.

    Begonnen habe ich damit, die Gesetzgebung der beiden Kommunen einander gegenüberzustellen. Dabei legte ich besonderen Wert auf die vom Bund und den Ländern vorgeschriebenen Naturschutzaufgaben. Um die Analyse abzurunden, betrachtete ich zudem die dafür zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Kommunen.

    Aus meinen Untersuchungen ging hervor, welche grundlegenden Handlungsmöglichkeiten eine Kommune in einem Naturschutzgebiet hat bzw. wie sie zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen kann. Gesetzlich sind die Kommunen hauptsächlich an die Landschaftsplanung und die damit verbundenen Erhaltungs-, Entwicklungs- und Eingriffsregelungen in einem Naturschutzgebiet gebunden. Dabei habe ich herausgefunden, dass durch die Landschaftsplanung beispielsweise neue Gebiete erfasst werden, die geschützt sowie deren Zustand, Veränderungen, Nutzung und Entwicklungsziele dokumentiert werden sollen. Zur finanziellen Umsetzung der Naturschutzförderungsmaßnahmen sind insbesondere EU-Fonds wie der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, das Finanzinstrument Life+ oder der europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums etc. wichtig. Diese fördern z.B. verschiedenste Bereiche des Natura-2000 Netzwerkes, einem Netzwerk aus verschiedensten Naturschutzgebieten. So können beispielsweise neue Arbeitsplätze, die Umsetzung von Naturschutzrichtlinien (Natura-2000- Richtlinie), wichtige Infrastruktur im Naturschutzbereich oder Maßnahmen zur nachhaltigen Landwirtschaft gefördert werden. Diese Förderungsmittel spielen eine wichtige Rolle für das Erreichen von kommunalen Naturschutzzielen.

    Welche Parameter untersuchen Sie, um den kommunalen Handlungsspielraum für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen zu bestimmen?

    Um den Handlungsspielraum grundsätzlich eingrenzen zu können, habe ich mich in dem doch engen Rahmen meiner Abschlussarbeit dazu entschlossen, die Gesetzgebung und die Finanzierung als Parameter zu wählen. Diese beiden Aspekte legen meiner Ansicht nach den Grundstein für den Aktionsradius der Kommunen. Die Kommunen müssen sich an die bestehenden Gesetze halten, wodurch sich gleich eine große Eingrenzung der Handlungsmöglichkeiten ergibt. Denn sie können nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens agieren. Auch die Finanzierung spielt eine wichtige Rolle, da die Naturschutzmaßnahmen an das Budget der Kommunen gebunden sind. Daher ist die Finanzierung meiner Meinung nach der zweit wichtigste Faktor bei der Bestimmung des kommunalen Handlungsspielraums.

    Was ist die für Sie interessanteste Erkenntnis, die Sie aus Ihrer Arbeit gewonnen haben?

    Überrascht hat mich, dass die Naturschutzaufgaben der Kommunen nicht deutlich formuliert werden. Im Gesetz steht zwar geschrieben, dass die Kommunen die Natur schützen sollen, wie genau dies geschehen soll, wird jedoch nicht beschrieben. Dadurch wird ein Konflikt erzeugt, wodurch die Kommunen zwar eigenständig über ihre Naturschutzmaßnahmen entscheiden können, es jedoch nicht garantiert wird, dass jede Kommune die Natur im gleichen Maß fördert.

    Außerdem finde ich bemerkenswert, dass in keinem der im Fokus stehenden Bundesländer ein kommunaler Anspruch auf Naturschutzförderung besteht. Damit zählt die Naturschutzförderung, abgesehen von den Pflichtaufgaben wie z.B. der Landschaftsplanung, zum freiwilligen Engagement der Kommunen. Bei Haushaltskürzungen werden dann bei den freiwilligen Leistungen zuerst Abstriche gemacht.

    In Ihrer Arbeit betrachten Sie ein Projektgebiet eines alten Bundeslandes und ein Projektgebiet eines neuen Bundeslandes. Welche Unterschiede konnten Sie feststellen?

    Große Unterschiede zwischen den beiden Projektgebieten konnte ich nicht feststellen. Der wohl größte Unterschied liegt in der Durchsetzungsart der Naturschutzförderungsmaßnahmen. In dem Naturschutzgebiet „Bislicher Insel ‟ in NRW werden die Naturschutzmaßnahmen auf freiwilliger Basis mithilfe des Vertragsnaturschutzes umgesetzt. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Umwandlung von Ackerland zu Grünland oder die Beweidung der Grünlandflächen gefördert wird. Diese Förderungen können allerdings nur von privaten Besitzern und Eigentümern in Anspruch genommen werden, öffentliche Stellen sind nicht bezugsberechtigt. Im Gegensatz dazu werden in der „Porphyrkuppenlandschaft bei Gimritz‟ in Sachsen-Anhalt die Maßnahmen durch die Rechtsverordnung des Naturschutzgebietes durchgesetzt und sind somit von den Besitzern zu dulden.

    Wie gliedert sich Ihre Arbeit in das Projekt „Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen‟ (DINA) ein?

    Das DINA-Projekt ist ein Forschungsprojekt, welches Daten erhebt, um dem Biodiversitätsverlust entgegenzuwirken. Unter anderem werden die Auswirkungen von chemischen Stressfaktoren wie z.B. Pestiziden auf die Biodiversität in Naturschutzgebieten erforscht. Zudem sollen die Forschungserkenntnisse zu Verbesserungen von Managementplänen von Naturschutzgebieten beitragen. Naturschutzgebiete spielen bei der Forschungsarbeit des DINA-Projektes eine besondere Rolle, da sich dort der Lebensraum vieler vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten befindet. Die Naturschutzgebiete gehören dabei zum Verantwortungsbereich der betreffenden Kommunen, wodurch sich die Forschungsfrage meiner Bachelorarbeit nach dem Handlungsspielraum der Kommunen in das DINA-Projekt eingliedert.

    Welchen Beitrag kann jede:r Einzelne zum Naturschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt leisten? Was wäre ein einfacher erster Schritt?

    Für mich ist es immer wieder schockierend zu sehen, wie manche Menschen die Natur behandeln. Gerade durch Corona ist die Natur und bevorzugt auch Naturschutzgebiete eine attraktive Anlaufstelle für die Menschen, die Erholung und Bewegung außerhalb ihrer Wohnungen suchen. Die nahe gelegenen Schutzgebiete werden dabei überlaufen und die Menschen verhalten sich oft nicht naturschutzgerecht. Beispielsweise werden Wildtiere verschreckt, Jungkulturen betreten und beschädigt oder der Picknick-Müll wie Bierflaschen zurückgelassen. Selbst einfache Regeln der Schutzgebiete wie die Leinenpflicht für Hunde werden nicht beachtet oder das Schutzgebiet wird auf eigene Faust erforscht, obwohl es nur auf gekennzeichneten Wegen betreten werden darf. Jede/r sollte – meiner Meinung nach – die Natur genießen dürfen, man sollte sich dabei aber an die Regeln der Schutzgebiete halten, um die Natur nicht weiter zu gefährden.

    Jil Offermann ist Bachelorstudierende im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Zur Kontaktaufnahme schreiben Sie uns gerne an redaktion@bonnsustainsbilityportal.de

    Das Interview führte Verena Hammes