[:en]DIE | A fundamental transformation of tax systems is needed in the wake of COVID-19[:de]DIE | Auf COVID-19 muss eine tiefgreifende Transformation der Steuersysteme folgen[:]

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The current crisis is showing once more the importance of efficient and well governed states when it comes to finding collective solutions to elementary problems. Tax systems will play a key role in absorbing the social and economic impact of the Covid-19 pandemic in developing countries and promoting a rapid and sustainable economic recovery afterwards.

The additional financial requirements for public budgets will be enormous, especially in poorer countries. Key sources of revenue, such as natural resource exports and tourism, have collapsed and it is not known for how long. The World Bank estimates, for instance, that Africa will see a 12 to 16 per cent fall in state revenues, depending on the extent of the crisis. Budget deficits are forecast to increase by 3.5 percentage points of GDP on average for 2020.

Many developing countries are still in the lockdown phase of the pandemic, where the emphasis is on tax relief measures, such as the deferral of tax payments to create short-term liquidity for businesses. This is followed by an easing phase, in which tax relief measures can be used to incentivise consumer spending and investment in order to get the economy moving again. Many industrialised nations currently find themselves in this phase, struggling to find a balance between providing effective tax incentives for the private sector and securing sufficient state revenue to finance the increased spending. By the end of the pandemic, if not before, it is also necessary to consider long-term measures for making public finance systems resilient and fit for the future.

But what options do governments have for providing short-term tax incentives for investment and emergency economic programmes without jeopardising their ability to cover rising state expenditure in the medium and long term? Poorer countries in particular often lack financial leeway for stimulus packages.

On the one hand, tax bases must be broadened, with more effective taxation of wealthy private households and assets. For instance, many states generate barely any revenue from property tax or personal income tax. But these are precisely the kind of taxes that promote progressiveness and fairness within tax systems, as they take greater account of the potential of wealthy taxpayers.

On the other hand, the international community must be resolute in tackling tax evasion and avoidance, which cost billions in lost tax revenue around the world each year. To this end, it is important for tax authorities to improve the quality of the tax data and tax registers they hold, as well as to enhance their tax auditing capacity. The digitalisation and automation of registers, accounting procedures and information-sharing processes, both between authorities within a single country and between nations, is a key starting point.

Nonetheless, the poorer developing countries are unable to implement the necessary measures on their own. When it comes to tackling tax evasion and avoidance by large companies especially, these nations are reliant on international cooperation. There is a particular need to put an end to the opaque business practices of tax havens and to the global race to the bottom regarding corporate tax rates. As far as the latter is concerned, options are being discussed for introducing a global minimum tax. Such a tax is presently the subject of negotiations within the OECD framework and should be implemented swiftly.

However, developing countries will also require additional finance, only some of which they will be able to obtain in loan form. The much discussed financial transaction taxes could provide another source of revenue for states. More funding could also be mobilised by levying taxes on large assets and inheritances, especially if the G20 countries can be persuaded to take concerted action in this area. An internationally agreed tax on digital services, such as those offered by the large technology companies, could provide an additional boost to state tax revenues. The US withdrawal from the OECD’s digital tax talks does not bode well in this regard. However, this should not be taken as the final nail in the coffin for multilateral solutions, but rather as a warning and an encouragement to the other countries to step up their efforts to find common solutions.

While the 2008/2009 global economic crisis had many negative consequences, one positive effect was that it massively accelerated international cooperation on tax matters. This is the kind of impetus that we also need for tackling the Covid-19 pandemic. The focus is not on generating more revenues, but rather primarily on achieving greater equity in the way that revenues are generated. This requires more public discussion of fair taxation. After all, the way that resources are mobilised and deployed to tackle the crisis will also have an impact on state legitimacy and social cohesion.

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Source: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), The Current Column, 29 June 2020[:de]

Die aktuelle Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig leistungsfähige und gut regierte Staaten sind, wenn es darum geht, elementare Probleme kollektiv zu lösen. Steuersysteme werden eine Schlüsselrolle spielen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie in Entwicklungsländern abzufedern und nach der Pandemie eine möglichst rasche und nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu befördern.

Der zusätzliche Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte wird dabei vor allem in den ärmeren Ländern gewaltig sein. Wichtige Einnahmequellen, wie der Export von Naturressourcen oder der Tourismus, sind auf unbestimmte Zeit eingebrochen. Schätzungen der Weltbank sagen zum Beispiel für Afrika voraus, dass je nach Ausmaß der Krise mit einem Rückgang der staatlichen Einnahmen um 12 bis 16 Prozent zu rechnen ist. Für das Jahr 2020 wird eine durchschnittliche Erhöhung der Haushaltsdefizite um 3,5 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts prognostiziert.

Viele Entwicklungsländer befinden sich noch in der Lockdown-Phase der Pandemie. In dieser Phase geht es vor allem um Steuererleichterungen, die den Unternehmen kurzfristig Liquidität verschaffen, so wie zum Beispiel der Aufschub fälliger Steuerzahlungen. Danach folgt eine Phase der Lockerungen, in welcher Steuererleichterungen als Konsum- oder Investitionsanreize eingesetzt werden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Viele Industrienationen befinden sich momentan in dieser Phase, in der eine Balance zwischen effektiven Steueranreizen für die Wirtschaft und ausreichenden Staatseinnahmen zur Finanzierung der erhöhten Ausgaben gefunden werden muss. Spätestens mit dem Ende der Pandemie müssen zusätzlich langfristige Maßnahmen in den Blick genommen werden, um die öffentlichen Finanzsysteme resilient und zukunftsfähig zu machen.

Doch welche Möglichkeiten haben die Regierungen, um kurzfristig steuerliche Anreize für Investitionen und wirtschaftliche Notfallprogramme zu gewähren, ohne mittel- und langfristig die Finanzierung der wachsenden Staatsausgaben zu gefährden? Gerade ärmere Länder haben hier häufig nur wenig finanziellen Spielraum für Konjunkturpakete.

Zum einen müssen die Steuersysteme auf eine breitere Basis gestellt werden. Eine effektivere Besteuerung der wohlhabenden Privathaushalte und Vermögen ist notwendig. Viele Staaten erzielen zum Beispiel kaum Einnahmen aus Grundsteuern oder aus privaten Einkommenssteuern. Gerade solche Steuern fördern aber die Progressivität und Fairness der Steuersysteme, weil sie die Leistungsfähigkeit wohlhabender Steuerzahler stärker berücksichtigen.

Zum anderen müssen Steuerhinterziehung und -vermeidung – welche jährlich weltweit zu Milliardeneinbußen an Steuereinnahmen führen – entschlossen verfolgt werden. Hierfür ist es wichtig, in den Steuerbehörden die Qualität der Steuerdaten und -register, aber auch die Kapazitäten der Steuerprüfung zu erhöhen. Digitalisierung und Automatisierung bei der Führung von Registern, dem Rechnungswesen und dem Austausch von Informationen, sowohl national zwischen Behörden als auch international zwischen Ländern, sind dafür zentrale Ansatzpunkte.

Doch die erforderlichen Maßnahmen können die ärmeren Entwicklungsländer alleine nicht stemmen. Sie sind besonders bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung durch Großkonzerne auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Vor allem muss dem intransparenten Geschäftsgebaren der sogenannten Steueroasen und dem globalen Unterbietungswettbewerb bei den Unternehmenssteuern ein Ende gesetzt werden. Zu Letzterem ist die Einführung einer globalen Mindeststeuer im Gespräch. Sie ist gegenwärtig Gegenstand von Verhandlungen unter dem Dach der OECD und sollte zügig umgesetzt werden.

Die Entwicklungsländer werden daneben weitere Finanzmittel benötigen, die ihnen nur teilweise in Form von Krediten zufließen können. Die vielfach diskutierten Finanztransaktionssteuern könnten eine weitere Einnahmequelle für Staaten bilden. Außerdem könnten über Steuern auf große Vermögen und Erbschaften mehr Mittel mobilisiert werden – besonders wenn es gelingt, die G20-Länder hier zu einem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen. Eine international abgestimmte Besteuerung digitaler Dienstleistungen, etwa der großen Technologie-Unternehmen, könnte staatliche Steuereinnahmen zudem stärken. Der Rückzug der USA aus den OECD-Gesprächen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ist kein positives Signal in diese Richtung. Er sollte jedoch nicht als endgültige Niederlage multilateraler Lösungen hingenommen werden, sondern als Warnung und Ermutigung für die anderen Länder, weitere Anstrengungen für gemeinsame Lösungen zu unternehmen.

Die Weltwirtschaftskrise 2008/2009 hatte neben vielen negativen Auswirkungen eine positive Folge: Sie hat die internationale Kooperation in Steuerfragen enorm vorangebracht. Derartige Impulse brauchen wir nun auch zur Bewältigung der Covid-19 Pandemie. Es geht dabei nicht nur darum, mehr Einnahmen zu generieren, sondern vor allem darum, mehr Gerechtigkeit in der Einnahmengenerierung zu schaffen. Dazu müssen Steuergerechtigkeit und –fairness öffentlich stärker diskutiert werden. Denn wie die finanziellen Mittel zur Bewältigung der Krise erhoben und eingesetzt werden, wird sich auch auf die Legitimität der Staaten und den sozialen Zusammenhalt auswirken.

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Quelle: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 29.06.2020[:]