Engagement Global: E-Paper E+Z | Geschlecht und Sozialisation – Umstrittene Modeausstellung

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Am 4. April öffnete die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ ihre Pforten in Frankfurt – ihrer ersten Station in Europa. Die Modeausstellung ist politisch kontrovers und rief Proteste von Feministinnen und Drohungen von Rechtsextremisten hervor. Die Ausstellung zeigt die Vielfalt muslimischer Mode für Frauen aus der ganzen Welt und bricht mit Klischees.

Die Bedeutung muslimischer Mode wächst und zieht mittlerweile sogar die Aufmerk­samkeit von internationalen Top­Desig­nern auf sich – darunter Christian Dior, Chanel und Gucci. Laut Ausstellung geben muslimische Konsumentinnen pro Jahr 243 Milliarden Dollar für Kleidung aus.

Wer in die Ausstellung möchte, muss erst einen Sicherheitscheck durchlaufen. Dann sieht man eine Reihe schwarzer Vor­hänge. Hinter dem ersten Vorhang hört man eine Frau rappen. Dahinter ist auf einem großen Bildschirm eine junge Schwange­re zu sehen, die einen Hidschab trägt – ein Kopftuch, das Haare, Ohren und Hals be­deckt. Es ist die syrisch­amerikanische Sän­gerin und Aktivistin Mona Haydar, deren Musikvideo zu ihrem Song „Wrap my Hijab“ vor einiger Zeit im Internet bekannt gewor­ den ist. Sie singt: „Even if you hate it I still wrap my hijab“, so als ob sie direkt die Kriti­ ker der Ausstellung anspricht.

Die Fotos und Videos zeigen Frauen verschiedener Hautfarbe, die Lippenpier­cings, blauen Lippenstift, bunt gefärbte Haare haben, T­Shirts, Ballkleider, traditi­onelle Kleidung, Yogahosen oder Anzüge tragen. Auf den Bildern sind muslimische Frauen beim Fechten, Hip­Hop­Tanzen oder Skateboarding zu sehen. Sie widerle­gen die Vorurteile gegenüber muslimischen Frauen, die laut westlicher Wahrnehmung fügsam, unterwürfig und von Männern ab­hängig sind. Aufgeschlossene Besucher, die in die Ausstellung mit einer oberflächlichen Vorstellung von muslimischen Frauen kom­men, werden ein tieferes Verständnis fur die Vielfalt weiblicher muslimischer Identität erhalten.

Von Nike bis Valentino ist eine brei­te Auswahl von Mode vertreten. Ein inte­ressantes Exponat ist eine Fliegerjacke, auf deren Rückseite der erste Zusatzarti­kel der US ­Verfassung (der Religions­ und Meinungsfreiheit garantiert) auf Ara­bisch geschrieben ist. Ein anderes Aus­stellungsstück ist ein Hidschab, auf dem das englische Wort „feminist“ steht.

Die Exponate provozieren verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Die Ausstellungs­ macher erhielten rassistische Hassbotschaften von Rechtsextremisten und ernteten Kritik von Feministinnen. Eine Gruppe iranischer Frau­en protestierte gegen die Eröffnung mit einer eigenen „Ausstellung“ gegen Kopftücher und weibliche Verschleierung. Sie wollten die Auf­merksamkeit auf die Frauen der Welt lenken, die gezwungen sind, sich zu verschleiern, und verhaftet werden, weil sie dies ablehnen. Sie betrachten das Kopftuch als Symbol der Un­terdrückung von Frauen und beschuldigen die großen Modemarken, die in der Ausstellung vertreten sind, „Verrat zu begehen“ und sich nicht für Frauenrechte einzusetzen.

Die Ausstellung befasst sich aber auch mit dem Thema Ablehnung des Kopftuches: Ein Video zeigt Vida Movahedi, eine Irane­rin, die in Teheran wegen ihres Protestes gegen das Tragen des Kopftuchs festgenom­men wurde. In dem Video steht Movahedi auf einem Metallkasten und schwenkt ihren weißen Schal an einem Stockende. Das Vi­deo verbreitete sich im Internet und führte zu Nachahmerinnen auch außerhalb des Iran. Im Museum steht das Video in starkem Kontrast zu den ausgestellten glitzernden Kleidern.

Die Ausstellung porträtiert muslimi­sche Frauen, die ihre Kleidung selbst wäh­len, sowie Frauen, die von ihren Regimen gezwungen werden, sich zu bedecken. Die Ausstellung würdigt die Vielfalt von Frauen, ihrer Kunst und Mode – ob sie religiös sind oder nicht.

Auch die Rezeption der Ausstellung ist kontrovers: Die einen Besucher kritisieren Modefirmen dafür, dass sie Bekleidung spe­ziell für muslimische Frauen produzieren, andere loben sie für ihre Inklusion. Sportbe­kleidung wie ein Burkini beispielsweise er­laubt es Frauen, schwimmen zu gehen und sich an ihre persönlichen religiösen Maß­stäbe zu halten.

Patriarchalische Gesellschaften ha­ben im Laufe der Geschichte immer die Kleidung von Frauen reglementiert. Die muslimischen Frauen und Designerinnen, die für die Ausstellung ausgewählt wurden, bestimmen selbst ihre Mode und haben eine eigene Deutungshoheit über ihre Kleidung. Viele Kleidungsstücke weisen darauf hin, dass sich besonders für junge Frauen Glau­be und Moderne nicht ausschließen.

Die Ausstellung ist nicht nur für Mus­lime interessant, sondern für alle, die mehr über die muslimische Welt erfahren möch­ten. „Contemporary Muslim Fashions“ ist bis September 2019 im Museum Angewand­te Kunst in Frankfurt zu sehen. Sie wurde vergangenes Jahr in San Francisco gezeigt und geht von Frankfurt nach New York wei­ter.

Von Cema Tork

Archiv E+Z

Quelle: Publikation Engagement Global gGmbH, Entwicklung und Zusammenarbeit / Development and Cooperation, August 2019

[:de]

Am 4. April öffnete die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ ihre Pforten in Frankfurt – ihrer ersten Station in Europa. Die Modeausstellung ist politisch kontrovers und rief Proteste von Feministinnen und Drohungen von Rechtsextremisten hervor. Die Ausstellung zeigt die Vielfalt muslimischer Mode für Frauen aus der ganzen Welt und bricht mit Klischees.

Die Bedeutung muslimischer Mode wächst und zieht mittlerweile sogar die Aufmerk­samkeit von internationalen Top­Desig­nern auf sich – darunter Christian Dior, Chanel und Gucci. Laut Ausstellung geben muslimische Konsumentinnen pro Jahr 243 Milliarden Dollar für Kleidung aus.

Wer in die Ausstellung möchte, muss erst einen Sicherheitscheck durchlaufen. Dann sieht man eine Reihe schwarzer Vor­hänge. Hinter dem ersten Vorhang hört man eine Frau rappen. Dahinter ist auf einem großen Bildschirm eine junge Schwange­re zu sehen, die einen Hidschab trägt – ein Kopftuch, das Haare, Ohren und Hals be­deckt. Es ist die syrisch­amerikanische Sän­gerin und Aktivistin Mona Haydar, deren Musikvideo zu ihrem Song „Wrap my Hijab“ vor einiger Zeit im Internet bekannt gewor­ den ist. Sie singt: „Even if you hate it I still wrap my hijab“, so als ob sie direkt die Kriti­ ker der Ausstellung anspricht.

Die Fotos und Videos zeigen Frauen verschiedener Hautfarbe, die Lippenpier­cings, blauen Lippenstift, bunt gefärbte Haare haben, T­Shirts, Ballkleider, traditi­onelle Kleidung, Yogahosen oder Anzüge tragen. Auf den Bildern sind muslimische Frauen beim Fechten, Hip­Hop­Tanzen oder Skateboarding zu sehen. Sie widerle­gen die Vorurteile gegenüber muslimischen Frauen, die laut westlicher Wahrnehmung fügsam, unterwürfig und von Männern ab­hängig sind. Aufgeschlossene Besucher, die in die Ausstellung mit einer oberflächlichen Vorstellung von muslimischen Frauen kom­men, werden ein tieferes Verständnis fur die Vielfalt weiblicher muslimischer Identität erhalten.

Von Nike bis Valentino ist eine brei­te Auswahl von Mode vertreten. Ein inte­ressantes Exponat ist eine Fliegerjacke, auf deren Rückseite der erste Zusatzarti­kel der US ­Verfassung (der Religions­ und Meinungsfreiheit garantiert) auf Ara­bisch geschrieben ist. Ein anderes Aus­stellungsstück ist ein Hidschab, auf dem das englische Wort „feminist“ steht.

Die Exponate provozieren verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Die Ausstellungs­ macher erhielten rassistische Hassbotschaften von Rechtsextremisten und ernteten Kritik von Feministinnen. Eine Gruppe iranischer Frau­en protestierte gegen die Eröffnung mit einer eigenen „Ausstellung“ gegen Kopftücher und weibliche Verschleierung. Sie wollten die Auf­merksamkeit auf die Frauen der Welt lenken, die gezwungen sind, sich zu verschleiern, und verhaftet werden, weil sie dies ablehnen. Sie betrachten das Kopftuch als Symbol der Un­terdrückung von Frauen und beschuldigen die großen Modemarken, die in der Ausstellung vertreten sind, „Verrat zu begehen“ und sich nicht für Frauenrechte einzusetzen.

Die Ausstellung befasst sich aber auch mit dem Thema Ablehnung des Kopftuches: Ein Video zeigt Vida Movahedi, eine Irane­rin, die in Teheran wegen ihres Protestes gegen das Tragen des Kopftuchs festgenom­men wurde. In dem Video steht Movahedi auf einem Metallkasten und schwenkt ihren weißen Schal an einem Stockende. Das Vi­deo verbreitete sich im Internet und führte zu Nachahmerinnen auch außerhalb des Iran. Im Museum steht das Video in starkem Kontrast zu den ausgestellten glitzernden Kleidern.

Die Ausstellung porträtiert muslimi­sche Frauen, die ihre Kleidung selbst wäh­len, sowie Frauen, die von ihren Regimen gezwungen werden, sich zu bedecken. Die Ausstellung würdigt die Vielfalt von Frauen, ihrer Kunst und Mode – ob sie religiös sind oder nicht.

Auch die Rezeption der Ausstellung ist kontrovers: Die einen Besucher kritisieren Modefirmen dafür, dass sie Bekleidung spe­ziell für muslimische Frauen produzieren, andere loben sie für ihre Inklusion. Sportbe­kleidung wie ein Burkini beispielsweise er­laubt es Frauen, schwimmen zu gehen und sich an ihre persönlichen religiösen Maß­stäbe zu halten.

Patriarchalische Gesellschaften ha­ben im Laufe der Geschichte immer die Kleidung von Frauen reglementiert. Die muslimischen Frauen und Designerinnen, die für die Ausstellung ausgewählt wurden, bestimmen selbst ihre Mode und haben eine eigene Deutungshoheit über ihre Kleidung. Viele Kleidungsstücke weisen darauf hin, dass sich besonders für junge Frauen Glau­be und Moderne nicht ausschließen.

Die Ausstellung ist nicht nur für Mus­lime interessant, sondern für alle, die mehr über die muslimische Welt erfahren möch­ten. „Contemporary Muslim Fashions“ ist bis September 2019 im Museum Angewand­te Kunst in Frankfurt zu sehen. Sie wurde vergangenes Jahr in San Francisco gezeigt und geht von Frankfurt nach New York wei­ter.

Von Cema Tork

Archiv E+Z

Quelle: Publikation Engagement Global gGmbH, Entwicklung und Zusammenarbeit / Development and Cooperation, August 2019

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