Oro Verde: Fallen und Chancen der Nachhaltigkeits-Kommunikation – Psychologische Hintergründe verstehen

Themen wie Klimawandel und Erdüberhitzung sind nicht immer leicht zu kommunizieren. Wir haben uns daher gefragt: Was macht eine gute Nachhaltigkeitskommunikation aus? Sie steht bekannter Maßen vor der Herausforderung, extrem komplexe Themen sowohl wissenschaftlich fundiert als auch ansprechend und verständlich an die unterschiedlichsten Zielgruppen zu bringen. Worauf sollte man also achten, wenn man Nachhaltigkeitskommunikation betreibt? Auf welche psychologischen “Fallen” stoßen wir dabei und welche Chancen bestehen auf der anderen Seite? Wie können wir zum Handeln motivieren?

Damit sich endlich etwas tut – Vorschläge für die Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation

Der trockene Sommer 2018 hat in Bezug auf den Klimawandel viele Menschen wachgerüttelt. Überwog anfangs noch der Genuss von „Sonne satt“, machte sich gegen Spätsommer bei vielen Menschen dann doch die Sorge breit, dass es sich tatsächlich um erste Folgen des Klimawandels halten könnte. Die Flusspegel sanken, die Ernte wurde teilweise massiv in Mitleidenschaft gezogen, Böschungsbrände gingen durch die Medien – und auch gegen Ende des Jahres war noch keine Änderung in Sicht. Die Aufmerksamkeit für das Thema Klima & Umwelt ist seitdem gewachsen. Der Klimawandel, den man zuvor noch überwiegend in der Ferne bei den Eisbären oder in den Entwicklungsländern verortet hatte, rückte plötzlich näher.

Zugleich häuften sich die Meldungen vom IUCN und anderen Klimaexperten, dass die weltweiten Klimaschutzvorhaben nicht ausreichend voran schreiten. Im Gegenteil, die CO2-Emissionen haben einen Höchststand erreicht, ein Wendepunkt ist ohne massive Verhaltensänderungen nicht in Sicht. Politik und Wirtschaft torpedieren zudem in einer besorgniserregenden Regelmäßigkeit weltweit Klimaschutzbemühungen. Längst ist auch Deutschland kein Vorreiter mehr in Sachen Klimaschutz. Und so wächst die Sorge, ob die Menschheit in der Lage ist, das Problem zu lösen – die Gefahr, dass sich Resignation und Ohnmacht breit machen ist groß wie selten zuvor. Doch Ohnmacht lähmt und führt zu Stillstand – ein Zustand, den wir uns nicht mehr leisten können.

Was also tun in der Klima- und Nachhaltigkeitskommunikation?

Die Lage ist ernst. Ernst, aber wie der Weltklimarat sagt, auch noch immer lösbar. Wir können das 2Grad-Ziel noch erreichen, wenn wir zügig Maßnahmen ergreifen. Das heißt, wir müssen dem Thema weiterhin viel Raum geben – sogar mehr als bisher. Auch bedrohliche Kippelemente des Klimasystems gehören auf den Tisch, zeigen sie doch am deutlichsten, wie irreversibel die Folgen des Klimawandels sein und wie plötzlich massive Veränderungen eintreten können. Und auch, wie nah sie uns dann rücken. Ein Wachrütteln ist nötig. Regelmäßig, denn jeder von uns geht täglich in einer Flut an Nachrichten und Alltäglichkeiten unter, so dass wir leicht auch Themen wie den Klimawandel beiseiteschieben und zu vergessen suchen.

Raum für Visionen geben

Doch wir sollten neben der Bedrohungslage zugleich die Visionen und die Chancen nicht aus den Augen verlieren. Also die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Klimaschutz bedeutet eben nicht „zurück in die Steinzeit“. Im Gegenteil: Eine auf Grundsätzen der Nachhaltigkeit basierende Zukunft sieht sehr lebenswert aus. Mit autofreien Städten mit viel Grün und Raum, um sich zu treffen. Mit Häusern, die sich selber heizen. Mit einer Wirtschaft, die sich am Gemeinwohl ausrichtet. Mit großflächigen Schutzgebieten, z.B. in den tropischen Regenwaldregionen, in denen die Bäume nicht nur CO2 binden, sondern auch die Biodiversität des Planeten bewahrt wird.

Den Fokus auf Lösungen setzen

Doch nicht nur den Visionen gilt es mehr Raum zu geben, sondern auch den Lösungen. Wir haben schlichtweg keine Zeit mehr, mit Klimawandelleugnern zu diskutieren, sondern müssen die Frage in den Mittelpunkt rücken: „Wie kann es besser werden?“. Klar, manchmal kommen einem die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen winzig vor im Vergleich zu den großen Problemen. Doch Wirksamkeit zu vermitteln, indem man aufzeigt, was viele Einzelne gemeinsam erreichen können, ist einfachste Mathematik. Die Summe unserer klimabewussten Handlungen, vom bewussten Konsum bis zu Entscheidungen an der Wahlurne, ist das Gewicht, das jeder von uns auf die Waage bringen kann. Fangen wir dabei mit dem an, was besonders viel bewirkt und arbeiten uns dann bis zum StandBy-Schalter vor. Oder wir überlassen die Thematik der StandBy-Schalter und „Mach das Licht aus, wenn du gehst“ gleich unseren Kindern, denn das können sie bereits in jungen Jahren gut durchsetzen, – und wir kümmern uns selbst um größere Themen wie den Stromanbieterwechsel und die nachhaltige & klimabewusste Ernährung der Familie oder dem Thema Mobilität.

Hinterfrage dich immer wieder: Was will ich eigentlich vermitteln?

Wir alle wissen inzwischen, dass niemandem geholfen ist, wenn wir mit der Klimakommunikation Reaktanz oder Ohnmacht erzeugen. Und doch passiert dies immer wieder, wenn wir durch Fakten über Fakten wachrütteln wollen. Ein Dilemmata, das sich nicht auflösen lässt?

Vielleicht doch, nämlich dann, wenn wir berücksichtigen, was wir inzwischen über die Funktionsweise unseres Gehirns wissen. Die Hirnforscher weisen seit längerem darauf hin: Unser Gehirn ist nicht für das Faktenlernen, sondern für das Lernen von Regeln und Prinzipien optimiert. Das heißt, unser Gehirn überprüft unbewusst alles Wahrgenommene daraufhin, ob sich Regeln ableiten lassen.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf eröffnet sich eine neue Perspektive für die Nachhaltigkeitskommunikation. Denn meist legen wir automatisch den Fokus auf das Vermitteln von Wissen, also von Fakten, und überprüfen nicht, was wir indirekt gleichzeitig transportieren. Zeigen wir in einem Artikel zum Beispiel gleich mehrere große Bedrohungen auf – was ist dann eine der indirekten Botschaften, die wir transportieren? Zum Beispiel diese: Wir sind von Problemen umzingelt. Ein Gedanke, der nicht selten in die Ohnmachts-Falle führt.

Wenn mein Anliegen jedoch darin besteht, Menschen zu vermitteln, dass wir die Probleme des Klimawandels lösen und die Welt als tollen Ort gestalten können (wovon ich zutiefst überzeugt bin), muss ich mir überlegen, was ich ändern müsste, um aufzuzeigen, dass es Lösungswege gibt. Was also sind die offenen und versteckten Prinzipien meines Anliegens? Wenn ich vermitteln will, dass jeder einen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten kann, sollte ich meine Story anders aufbauen. Auch in diesem Fall mache ich zunächst das Problem deutlich, nehme mir dann jedoch v.a. Zeit und Raum für drei Beispiele von Menschen, die an Lösungen arbeiten und neue Wege aufzeigen! Wichtig sind dabei mindestens drei Beispiele, denn ab  der magischen Drei kann unser Gehirn Regeln und Prinzipien als solche erkennen.

Wir müssen Ziele setzen und auf unseren Alltag herunterbrechen

Noch ein Punkt fällt mir immer wieder auf: Wenn wir vom 1,5 Grad-Ziel sprechen, bleiben wir für den Einzelnen auf einer sehr abstrakten Ebene. Das ist in etwa so, als wenn ein Unternehmen ausruft „Wir wollen unseren Umsatz verbessern!“. Runtergebrochen auf den einzelnen Mitarbeiter erfolgt daraus noch keine zielgerichtete Handlung. Was uns im Berufsalltag vertraut ist, nämlich das Aufstellen von konkreten, erreichbaren Zielen, von Zwischenzielen und Meilensteinen zur Überprüfung des Vorankommens, ist uns im privaten Klimaschutz fremd. Dabei wissen wir doch, dass das Ausmalen konkreter Ziele und das Definieren erster Schritte ungemein hilfreich ist, um am Ende auch dort anzukommen, wo man hinwollte. In einer farbenfrohen, lebenswerten Zukunft zum Beispiel.

Worauf können wir in der Nachhaltigkeitskommunikation noch achten?

Inzwischen gibt es umfangreiche und sehr empfehlenswerte Literatur rund um das Thema Nachhaltigkeitskommunikation. Psychologen, Hirnforscher, Journalisten und viele andere Experten diskutieren die unterschiedlichsten Facetten. Um einen Überblick über die verschiedenen Perspektiven zu geben, hat die Tropenwaldstiftung OroVerde nun auf einem Poster die „Fallen und Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation“ zusammengestellt. Und zwar in einer Form, die es ermöglicht, die verschiedenen “Fallen” und “Chancen” immer wieder wie eine Checkliste zu nutzen, um die eigene Arbeit zu hinterfragen und zu verbessern. Zwanzig Fallen und ebenso viele Chancen führen in einige wichtige psychologische Hintergründe ein.

Weitere Informationen

Quelle: Neuigkeiten Oro Verde – Die Tropenwaldstiftung, März 2019