FEMNET: Vier Jahre Bündnis für nachhaltige Textilien: Ein Prozess – komplex, langwierig, herausfordernd

Ein Rückblick auf das Jahr 2018 und Ausblick auf 2019 aus Sicht der zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis

Erneut geht im Textilbündnis ein arbeitsreiches Jahr zu Ende: Im Jahr 2018 mussten zum ersten Mal alle Mitglieder in individuellen Maßnahmenplänen ihre Ziele für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in ihren Lieferketten offenlegen. Zuvor wurden diese von einer externen Prüforganisation auf Plausibilität und Übereinstimmung mit den Anforderungen geprüft. Vom Steuerungskreis wurden zudem die Themen existenzsichernde Löhne, Lieferkettentransparenz und Wirkungsmessung als Schwerpunkte für das Jahr 2018 festgelegt. Die nachfolgenden Erläuterungen geben einen Einblick, wie die Fortschritte im letzten Jahr von den zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis des Textilbündnisses beurteilt werden.

Trotz Veröffentlichung der Maßnahmenpläne wird Anspruch nicht deutlich

Zum ersten Mal mussten alle Mitglieder zu Zielen in verpflichtenden Kernbereichen gegenüber der Öffentlichkeit berichten. Diese Maßnahmenpläne sind für Jede*n öffentlich einsehbar. Die Berichtsanforderungen wurden dabei von den Mitgliedsunternehmen sehr unterschiedlich interpretiert. So haben beispielsweise bei den Zielsetzungen nur wenige Unternehmen Angaben zu der Ausgangslage, der sogenannten Baseline, gemacht, was die Vergleichbarkeit der Maßnahmenpläne extrem erschwert. Weiterhin erschwert wird diese Vergleichbarkeit durch die uneinheitliche Darstellung der Maßnahmenpläne. Dadurch kann nicht auf den ersten Blick erkannt werden, welche Ziele sich ein Unternehmen gesetzt und welche es bereits erfüllt hat. Auf Basis der veröffentlichten Maßnahmenpläne kann im Moment somit nicht bewertet werden, ob ein Unternehmen gute Prozesse für seine menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette umsetzt.[1] Zudem fehlt weiterhin ein Begleitgremium für den externen Dienstleister, in dem paritätisch alle Akteursgruppen vertreten sind, um in ausreichender Tiefe eine qualitative Begleitung der Prüforganisationen sicherzustellen. Letztere können daher lediglich formal die Plausibilität von Zielsetzungen in den Maßnahmenplänen prüfen und es erfolgt keine unternehmensbezogene qualitative Bewertung. Diese strukturelle Schwäche beeinträchtigt aus Sicht der Zivilgesellschaft die Glaubwürdigkeit des Prüfprozesses im Textilbündnis.

Im Textilbündnis werden zum ersten Mal konkrete Anforderungen an die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in einem speziellen Sektor, basierend auf den Richtlinien der OECD, erarbeitet. Teilweise hat dies zu einem sehr formalisierten und dadurch aufwändigen Prozess geführt. Dies war ein Grund dafür, dass 2018 erneut zahlreiche Mitglieder das Bündnis verlassen haben oder ausgeschlossen wurden.

Aber auch gegenüber dem Textilbündnis vorgebrachte Beschwerden führten zum Verlassen des Bündnisses: Nach der Beschwerde der globalen Gewerkschaftsföderation IndustriALL über die Behinderung von Gewerkschaftsaktivitäten in einer eigenen Fabrik von Roy Robson in der Türkei, verweigerte das Unternehmen eine Mediation innerhalb des Textilbündnisses und ist einfach aus dem Bündnis ausgetreten. Dieses Beispiel verdeutlicht die Grenzen eines freiwilligen Textilbündnisses und zeigt, dass es ergänzender gesetzlicher Regelungen bedarf, damit gleiche Regeln und Standards für alle Unternehmen gelten. Das Beispiel weist auch auf eine bestehende Lücke hin, denn im Moment gibt es noch keinen Beschwerdemechanismus, der den Umgang mit solchen Fällen effektiv regelt. Aktuell kann aber positiv hervorgehoben werden, dass sich die weiterhin im Textilbündnis verbleibenden Unternehmen immerhin dem Berichtserstattungsprozess des Bündnisses stellen. Dies allein wird jedoch nicht ausreichen, um substantielle Verbesserungen in den Kernbereichen von Sozialstandards und Arbeitsrechten voranzubringen.

Weichenstellungen für existenzsichernde Löhne und Beschwerdemechanismen

Das Textilbündnis besteht 2018 das vierte Jahr. Ein Kernthema aller beteiligten Akteure von Beginn an: Die viel zu niedrigen Löhne in den Zulieferbetrieben der Textil- und Modeindustrie. Um die Relevanz dieser Herausforderung zu verdeutlichen und eine schnellere Initiative in diesem Kernziel anzustoßen, hat der Steuerungskreis existenzsichernde Löhne als einen Schwerpunkt für das Jahr 2018 festgelegt. Im Herbst 2018 wurde hierzu eine Bündnisinitiative verabschiedet. Ein Modul der Initiative sieht vor, dass Unternehmen zuerst ihre Einkaufspraktiken anhand eines Fragerasters analysieren. Ein weiteres Element ist ein erstes Ländermodul: Die beteiligten Mitglieder sollen bei Ihren Lieferanten in Kambodscha die Umsetzung eines Rahmentarifvertrags einfordern. Dieser wird zurzeit im Rahmen der Initiative Action, Collaboration and Transformation (ACT) erarbeitet, welche eine strategische Partnerin des Bündnisses für nachhaltige Textilien ist. Das Ziel des Textilbündnisses ist es, zusätzlich zum Kambodscha-Modul weitere Ländermodule zu erarbeiten. An dem Vorschlag der Zivilgesellschaft, ein Ländermodul zu existenzsichernden Löhnen in Indonesien zu initiieren, haben sich bisher keine Unternehmen beteiligt und es fehlt die Bereitschaft von Unternehmen, die ein relevantes Einkaufsvolumen in dem Land haben, wie adidas und PUMA. Es bestünden jedoch gute Anknüpfungsmöglichkeiten an das bestehende Protokoll zur Vereinigungsfreiheit in Indonesien (Freedom of Association Protocol).

Anhand der Aktivitäten zu existenzsichernden Löhnen im Rahmen der Bündnisinitiative wird sich 2019 erkennen lassen, wie konsequent Unternehmen dieses Ziel verfolgen und initiativ werden. Dies würde bedeuten, dass sie sich konkret und substantiell an Bündnisinitiativen beteiligen. Bisher haben viel zu wenige Unternehmen diese Initiative ergriffen. Dies muss sich 2019 ändern.[2] Neben der Beteiligung an der Bündnisinitiative ist ein wichtiger Gradmesser für das Engagement in diesem Bereich ein ambitioniertes Ziel zu existenzsichernden Löhnen in den individuellen Maßnahmenplänen. Diese werden im Sommer 2019 veröffentlicht und die Öffentlichkeit kann auf diese Weise bilanzieren.

Auch zum Thema Beschwerdemechanismen will das Textilbündnis arbeiten und eine Gruppe hat sich hierzu gebildet. Jedes Mitglied muss sich für 2019 ein verpflichtendes Ziel hierzu setzen. Zudem werden bestehende Beschwerdemechanismen analysiert und verglichen, möglicherweise entsteht hierzu ebenfalls eine Bündnisinitiative.

Lieferkettentransparenz und Wirkungsmessung

Bei dem Ziel, die Lieferketten der Bündnismitglieder transparenter zu gestalten, konnte im Jahr 2018 noch kein Durchbruch erzielt werden. Für einige Unternehmen stellt die Veröffentlichung von Lieferanten eine rote Linie dar, da sie fürchten ihre Zulieferer an Wettbewerber zu verlieren.

Einzelne Unternehmen, die ihre individuellen Zulieferlisten veröffentlicht haben, oder das niederländische Pendant zum Textilbündnis, der Dutch Covenant (AGT), mit einer gemeinsamen Zulieferliste aller Mitglieder, zeigen, dass Transparenz eine Grundvoraussetzung für Verbesserungen in der Lieferkette ist. Für die zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen ist es wichtig, dass die Zulieferdaten für die Lösung von Beschwerden und für die Messung von Wirkungen der Mitgliedermaßnahmen genutzt werden können. Der Steuerungskreis einigte sich darauf, dass es Anfang 2019 eine Abfrage bei allen Mitgliedern geben soll, um die Gründe zu erfahren, warum bei Teilen der Wirtschaft eine Veröffentlichung der Zulieferliste abgelehnt wird.

Die Frage nach der Wirkung des Textilbündnisses stellt nicht nur die kritische Öffentlichkeit. Wirkungsmessung ist seit Beginn der Arbeit im Textilbündnis für die zivilgesellschaftlichen Mitglieder ein zentrales Anliegen. Um eine Wirkungsmessung zu verankern, wurde ein Konzept erarbeitet und vom Steuerungskreis verabschiedet. Aus Sicht der zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen bedarf es vor allem bei der Erhebung vor Ort noch einer Verbesserung. Der Knackpunkt ist dabei, wie die konkrete und direkte Wirkung bei den einzelnen Zulieferern der Bündnismitglieder tatsächlich gemessen wird und wie hierbei Gewerkschaften und die lokale Zivilgesellschaft einbezogen werden.

Eine sehr positive Entwicklung gab es beim Thema Korruptionsprävention. Hier wurden in diesem Jahr verpflichtende Ziele erarbeitet und verabschiedet. Auch bei der durch FEMNET e.V. eingebrachten Bündnisinitiative zur Bekämpfung von Zwangsarbeit in südindischen Spinnereien zeigt sich eine positive Entwicklung. Die Initiative wurde am 1.7. 2018 offiziell gestartet und befindet sich nun in der Umsetzung.

Anstehende Herausforderungen

Das Textilbündnis muss 2019 in eine wirkungsvolle und breite Umsetzung kommen. Das erfordert eine signifikante Beteiligung von Unternehmen unter anderem in der Bündnisinitiative existenzsichernde Löhne. Bei diesem Kernthema des Bündnisses für nachhaltige Textilien ist unbedingt notwendig, dass die Unternehmen Initiative ergreifen, die eigenen Einkaufspraktiken analysieren und dass es zu tatsächlichen Lohnerhöhungen in den Zulieferbetrieben kommt. Hier werden die verpflichtend zu setzenden Ziele zu existenzsichernden Löhnen 2019 in den Maßnahmenplänen wichtige Anhaltspunkte liefern.

Darüber hinaus sind in den oben genannten Kernbereichen signifikante Fortschritte zu erreichen, um tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zu besseren Arbeits- und Umweltbedingungen in den Lieferketten der Textil- und Modeindustrie zu leisten. Bei den individuellen Maßnahmenplänen werden im kommenden Jahr weitere verpflichtende Ziele erarbeitet, welche deutlich ambitionierter sein müssen. Letztlich ist die stichhaltige Wirkungsmessung unter Einbeziehung von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft vor Ort elementar, damit das Textilbündnis nachweist, dass es Veränderungen bewirken kann.


[1] Erste Analysen der veröffentlichten Roadmaps finden Sie in diesen zwei Beiträgen:

20.09.2018: Erste vorläufige Einschätzung der abgegebenen Roadmaps von Unternehmen im Textilbündnis

29.08.2018: Kein Bio bei KiK und Primark (Südwind-Blog)

[2] Siehe für mehr Infos zu existenzsichernden Löhnen auch diese Stellungnahme (05.11.2018)

Quelle: Pressemitteilung FEMNET e.V., 20.12.2018