BICC: Flucht und Flüchtlingsforschung empfiehlt: Rückkehr und Reintegration Geflüchteter konstruktiv begleiten

Geflüchtete kehren zurück und integrieren sich im Herkunftsland – wenn die Voraussetzungen stimmen. Dr. Elke Grawert vom Friedens- und Konfliktforschungsinstitut BICC (Bonn International Center for Conversion) wertete im Verbundprojekt „Flucht: Forschung und Transfer“ die internationale Fachliteratur zu den Erfolgsbedingungen für Rückkehr und Reintegration Geflüchteter aus.

Entscheidend für eine erfolgreiche Rückkehr von Geflüchteten können z. B. Fertigkeiten sein, die sie im Aufnahmeland im Zuge von Aus- und Weiterbildung erworben haben und sie in der Herkunftsregion gegenüber anderen Arbeitskräften konkurrenzfähig machen. Internationale Verträge und Rahmenabkommen, die die Beschäftigung auf regionalen Arbeitsmärkten erleichtern, können ebenfalls Rückkehrpläne positiv beeinflussen. „Wenn berufstätige Familienmitglieder ihre Angehörigen unterstützen können, wird die Integration ganzer Familien in der Region des Herkunftslandes möglich“, fasst Elke Grawert, BICC, zusammen. Nicht zu unterschätzen seien aber auch Standortfaktoren: Studien haben gezeigt, dass viele Menschen sich nach der Rückkehr nicht in ihren Herkunftsorten integrieren, sondern in eine Großstadt im eigenen oder einem Nachbarland ziehen.

Demgegenüber verweist die Forschung auf die negativen Folgen von verfrühten und überstürzt durchgeführten Rückführungsprogrammen in die Herkunftsländer. Eine solche Politik führt allzu oft zu erneuter Vertreibung und zur Verarmung. Menschen verschulden sich, um mit Hilfe von Schleppern abermals abzuwandern. Häufig gerieten sie in permanente Abhängigkeit von internationaler Unterstützung. Den Rückkehrenden mangele es an Handlungsspielraum, sich nachhaltig in ihrer Herkunftsgesellschaft zu betätigen. Vor diesem Hintergrund schlussfolgert die Forscherin: „Die Geflüchteten müssen an der Planung und Durchführung von unterstützten freiwilligen Repatriierungsprogrammen beteiligt werden. Nur ihre Mitentscheidung über Zeitpunkt und Zielort der Ausreise kann den Teufelskreis einer verfehlten Rückkehrpolitik durchbrechen.“

Die Autorin kritisiert zudem, dass „das Management der Rückführung Vorrang vor Konfliktanalysen erhält, die den Grad und die Dauerhaftigkeit von Sicherheit in Herkunftsgebieten erfassen.“ (Innen)politische Interessen, populistische Diskurse und gesellschaftliche Stimmungslagen bestimmten zwar häufig die Prioritätensetzung in den Aufnahmeländern. Entscheidend für die Geflüchteten hingegen seien die Sicherheitslage sowie die Möglichkeiten, mittel- und langfristig ihren Alltag zu meistern.

Der Forschungsbericht „Rückkehr und Reintegration Geflüchteter“ und der Policy Brief „Rückkehr und Reintegration Geflüchteter konstruktiv begleiten“ wurden im Rahmen des vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück sowie dem Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstitut BICC durchgeführten Verbundprojekts „Flucht: Forschung und Transfer“ erstellt, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.

Forschungsbericht „Rückkehr und Reintegration Geflüchteter

Policy Brief „Rückkehr und Reintegration Geflüchteter konstruktiv begleiten“


Über das Forschungsprojekt

Flucht: Forschung und Transfer. Flüchtlingsforschung in der Bundesrepublik Deutschland

Seit dem Beginn des Anstiegs der Zahl der Asylsuchenden in der Bundesrepublik 2011 ist die Nachfrage nach wissenschaftlicher Expertise in Politik, Administration, Praxis, Medien und Öffentlichkeit kontinuierlich gestiegen. In diesem Kontext ist die fehlende Vernetzung und Bündelung der Forschung zu Fragen von Gewaltmigration, Flüchtlingspolitik und (Re-)Integration von Flüchtlingen ebenso sichtbar geworden wie der geringe Grad an Aufbereitung wissenschaftlicher Herangehensweisen und Einsichten sowie der mangelnde Transfer der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in die politischen und öffentlichen Debatten. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Forschungsprojekt drei Ziele:

1. die Bestandsaufnahme und Vernetzung der Forschungslandschaft,

2. die Bündelung der Wissensbestände und

3. den Transfer in Politik, Administration, Zivilgesellschaft, Medien und Öffentlichkeit.

Hierzu ist eine umfassende Datenbank zu relevanten Forschungsprojekten erstellt und mit einer interaktiven Forschungslandkarte zugänglich gemacht worden. Zudem werden in zehn Themenbereichen, von Fluchtursachen über Gewalterfahrungen und (Im)mobilität bis zur (Re-)Integration von Flüchtlingen, der Forschungsstand aufbereitet und Handlungsempfehlungen entwickelt. Workshops und Tagungen mit Wissenschaftlern sowie mit Vertretern aus Politik, Praxis und Medien dienen der Vernetzung und dem Transfer der Forschungsergebnisse. Das Vorhaben führt also das verfügbare Wissen zusammen und bietet weiterführende Perspektiven der Erörterung und Aufklärung des wissenschaftlichen Problems Flucht. Darüber hinaus bereitet es wissenschaftliche Kompetenzen und Kenntnisse für die politische, mediale und öffentliche Debatte auf.

https://flucht-forschung-transfer.de

Quelle: Pressemitteilung Bonn International Center for Conversion (bicc), 11.01.2019