Universität Bonn: Forscher lüften Rätsel in der Pflanzenernährung

Apfelbäume gedeihen besonders gut, wenn ihre Blätter mit Nährlösungen besprüht werden – doch manchmal wirkt diese Düngung und manchmal nicht. Warum dies so ist, darüber rätseln Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten. Forscher der Universität Bonn haben nun das Geheimnis zumindest teilweise gelüftet: Es hängt vom Nährsalz ab, wie stabil die Wassertröpfchen auf den Pflanzenoberflächen sind. Wenn die Tröpfchen zu fest sind, können sie sich nicht durch die winzigen Spaltöffnungen in den Apfelblättern zwängen. Die Ergebnisse sind nun im renommierten Fachjournal „New Phytologist“ erschienen.

Pflanzen besitzen die Eigenschaft, auch über ihre Blätter Nährstoffe aufnehmen zu können. In der Landwirtschaft wird dieses Phänomen ausgenutzt, um etwa Apfelplantagen oder auf besonders trockenen Böden die Kulturen durch Spritzen der Blätter mit Nährlösungen vor allem mit Spurenelementen zu versorgen. „Ein Rätsel war jedoch bislang, warum diese Blattdüngung manchmal funktioniert und dann wieder nicht“, berichtet Privatdozent Dr. Jürgen Burkhardt von der Abteilung Pflanzenernährung des Instituts für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn.

„Spray and pray!“ – Spritze und bete!

Unter Praktikern gilt deshalb die Regel „Spray and pray!“ – zu deutsch: „Spritze und bete!“. Die Wissenschaftler nahmen nun genauer unter die Lupe, was an den Blattoberflächen von Apfelbäumen passiert. Sie untersuchten insbesondere die Spaltöffnungen. Das sind winzige Poren, die sich bei Apfelblättern ausschließlich auf der Blattunterseite befinden. Sie sind notwendig für den Gasaustausch der Pflanze mit der Atmosphäre. „Über die Spaltöffnungen nehmen die Pflanzen Kohlendioxid auf, um mit Hilfe der Photosynthese daraus den Energielieferanten Zucker herzustellen“, erläutert Privatdozent Dr. Mauricio Hunsche von der INRES-Abteilung für Gartenbauwissenschaft. Durch diese Öffnungen strömt umgekehrt aber auch Wasserdampf und überschüssiger Sauerstoff, der bei der Photosynthese entsteht.

Bonner Forscher bringen wissenschaftliches Paradigma zu Fall

Rund 40 Jahre galt das Paradigma, dass über die Spaltöffnungen nur Gase ein- und austreten können. Frühere Berechnungen zeigten, dass Wassertröpfchen schlicht zu stabil sind, um sich durch die engen Poren zu quetschen. Bereits vor einigen Jahren haben Wissenschaftler jedoch nachgewiesen, dass auch winzige Nanopartikel ins Pflanzenblatt eindringen können. „Allerdings war bislang unklar, wie dies genau funktioniert“, sagt Dr. Burkhardt. Die Wissenschaftler der Universität Bonn führten nun an Apfelblättern verschiedene Experimente durch, um der Ursache des Phänomens auf die Spur zu kommen.

Wie aus Wassertröpfchen glatte Wasserfilme entstehen

Die Forscher lösten verschiedene Salze in Wasser und behandelten gezielt entweder die spaltöffnungsfreie Ober- oder aber die mit Spaltöffnungen versehene Unterseite der Apfelblätter. Teilweise wurden die Salze mit einem speziellen Tensid kombiniert, welches die Oberflächenspannung stark herabsetzte und damit die runden Wassertröpfchen schlagartig in einen dünnen Wasserfilm auf den Blättern verwandelte. Außerdem wurde manchen Behandlungen ein sehr wirksames Pflanzengift (Herbizid) zugesetzt. Nach einiger Zeit verglichen die Wissenschaftler der Universität Bonn dann die verschieden behandelten Blätter unter dem Elektronenmikroskop sowie mit weiteren optischen Verfahren. „Schäden wiesen in erheblich stärkerem Maße diejenigen Blätter auf, die auf den Unterseiten behandelt worden waren. Das war der Beweis dafür, dass die Salze durch die Spaltöffnungen eingedrungen waren“  berichtet Dr. Hunsche.

Bestimmte Salze können die Blattporen mühelos passieren

Bei den meisten Salzen traten ohne Tensid kaum Schäden auf, dagegen wurden bei Kombination mit dem Tensid deutliche Zerstörungen an den Zellen beobachtet. Das Salz Natriumchlorat dagegen verhielt sich anders: Hier kam es bereits ohne Verwendung des Tensids zu starken Schäden, während eine zusätzliche Tensidgabe keine zusätzliche Wirkung erzeugte. „Natriumchlorat war also auch durch die Spaltöffnungen eingedrungen und zerstörte die Zellen in der Nähe der Poren“, erläutert Dr. Burkhardt. Die Besonderheit des Chlorats ist, dass es ähnlich wie das Tensid die Oberflächenspannung stark herabsetzt. „Dadurch verwandeln sich die Tropfen ebenfalls in einen dünnen Wasserfilm, durch den die Salze mühelos die winzigen Poren in den Blättern passieren können“, sagt der Experte für Pflanzenernährung.

„Das jahrzehntelang gelehrte Paradigma von der Spaltöffnungsbarriere für Salzlösungen ist damit gefallen“, sagt Dr. Burkhardt. Die Begründer der Theorie seien bei ihren Berechnungen von ganz sauberen Blattoberflächen ausgegangen. Reines Wasser könne auch in der Tat die winzigen Poren in den Blättern nicht durchdringen, weil die Tropfen einfach zu stabil seien. Aber sobald bestimmte Salze oder Partikel – etwa im Staub – sich in dem Wasser auf den Blattoberflächen lösen, wird die Oberflächenspannung stark verringert und die Salzlösungen können durch die Spaltöffnungen eindringen. Welche Salze die Oberflächenspannung besonders stark herabsetzen, ist aus der Physiologie seit langem bekannt. „Für diesen Effekt sind hohe Salzkonzentrationen notwendig“,  erklärt Dr. Burkhardt. „Sie entstanden in unseren Versuchen beim Eintrocknen der ursprünglich verdünnten Sprühlösungen.“ Hochkonzentrierte Salzlösungen entstehen auf Blättern natürlicherweise auch dadurch, dass Salzpartikel den von der Pflanze transpirierten Wasserdampf anziehen und sich darin auflösen.

Ergebnisse haben Konsequenzen für viele praktische Anwendungen

„Diese Ergebnisse haben nicht nur Konsequenzen für die theoretische Lehre, sondern auch für viele praktische Anwendungen“, sagt Dr. Burkhardt. So lasse sich nun besser prognostizieren, mit welchen Nährsalzen Blattdüngung wirksam sei. Und das Verhalten von Pflanzenschutzmitteln lasse sich außerdem besser verstehen. „Aber auch für die Abschätzung der Trockenresistenz von Pflanzen sowie für die Simulation des Klimawandels und die Gefährlichkeit von Luftschadstoffen sind unsere Ergebnisse von Bedeutung.“

Klicken Sie hier um einen Überblick der Publikation zu erhalten.

PressemitteilungApfelbäume gedeihen besonders gut, wenn ihre Blätter mit Nährlösungen besprüht werden – doch manchmal wirkt diese Düngung und manchmal nicht. Warum dies so ist, darüber rätseln Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten. Forscher der Universität Bonn haben nun das Geheimnis zumindest teilweise gelüftet: Es hängt vom Nährsalz ab, wie stabil die Wassertröpfchen auf den Pflanzenoberflächen sind. Wenn die Tröpfchen zu fest sind, können sie sich nicht durch die winzigen Spaltöffnungen in den Apfelblättern zwängen. Die Ergebnisse sind nun im renommierten Fachjournal „New Phytologist“ erschienen.

Pflanzen besitzen die Eigenschaft, auch über ihre Blätter Nährstoffe aufnehmen zu können. In der Landwirtschaft wird dieses Phänomen ausgenutzt, um etwa Apfelplantagen oder auf besonders trockenen Böden die Kulturen durch Spritzen der Blätter mit Nährlösungen vor allem mit Spurenelementen zu versorgen. „Ein Rätsel war jedoch bislang, warum diese Blattdüngung manchmal funktioniert und dann wieder nicht“, berichtet Privatdozent Dr. Jürgen Burkhardt von der Abteilung Pflanzenernährung des Instituts für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn.

„Spray and pray!“ – Spritze und bete!

Unter Praktikern gilt deshalb die Regel „Spray and pray!“ – zu deutsch: „Spritze und bete!“. Die Wissenschaftler nahmen nun genauer unter die Lupe, was an den Blattoberflächen von Apfelbäumen passiert. Sie untersuchten insbesondere die Spaltöffnungen. Das sind winzige Poren, die sich bei Apfelblättern ausschließlich auf der Blattunterseite befinden. Sie sind notwendig für den Gasaustausch der Pflanze mit der Atmosphäre. „Über die Spaltöffnungen nehmen die Pflanzen Kohlendioxid auf, um mit Hilfe der Photosynthese daraus den Energielieferanten Zucker herzustellen“, erläutert Privatdozent Dr. Mauricio Hunsche von der INRES-Abteilung für Gartenbauwissenschaft. Durch diese Öffnungen strömt umgekehrt aber auch Wasserdampf und überschüssiger Sauerstoff, der bei der Photosynthese entsteht.

Bonner Forscher bringen wissenschaftliches Paradigma zu Fall

Rund 40 Jahre galt das Paradigma, dass über die Spaltöffnungen nur Gase ein- und austreten können. Frühere Berechnungen zeigten, dass Wassertröpfchen schlicht zu stabil sind, um sich durch die engen Poren zu quetschen. Bereits vor einigen Jahren haben Wissenschaftler jedoch nachgewiesen, dass auch winzige Nanopartikel ins Pflanzenblatt eindringen können. „Allerdings war bislang unklar, wie dies genau funktioniert“, sagt Dr. Burkhardt. Die Wissenschaftler der Universität Bonn führten nun an Apfelblättern verschiedene Experimente durch, um der Ursache des Phänomens auf die Spur zu kommen.

Wie aus Wassertröpfchen glatte Wasserfilme entstehen

Die Forscher lösten verschiedene Salze in Wasser und behandelten gezielt entweder die spaltöffnungsfreie Ober- oder aber die mit Spaltöffnungen versehene Unterseite der Apfelblätter. Teilweise wurden die Salze mit einem speziellen Tensid kombiniert, welches die Oberflächenspannung stark herabsetzte und damit die runden Wassertröpfchen schlagartig in einen dünnen Wasserfilm auf den Blättern verwandelte. Außerdem wurde manchen Behandlungen ein sehr wirksames Pflanzengift (Herbizid) zugesetzt. Nach einiger Zeit verglichen die Wissenschaftler der Universität Bonn dann die verschieden behandelten Blätter unter dem Elektronenmikroskop sowie mit weiteren optischen Verfahren. „Schäden wiesen in erheblich stärkerem Maße diejenigen Blätter auf, die auf den Unterseiten behandelt worden waren. Das war der Beweis dafür, dass die Salze durch die Spaltöffnungen eingedrungen waren“  berichtet Dr. Hunsche.

Bestimmte Salze können die Blattporen mühelos passieren

Bei den meisten Salzen traten ohne Tensid kaum Schäden auf, dagegen wurden bei Kombination mit dem Tensid deutliche Zerstörungen an den Zellen beobachtet. Das Salz Natriumchlorat dagegen verhielt sich anders: Hier kam es bereits ohne Verwendung des Tensids zu starken Schäden, während eine zusätzliche Tensidgabe keine zusätzliche Wirkung erzeugte. „Natriumchlorat war also auch durch die Spaltöffnungen eingedrungen und zerstörte die Zellen in der Nähe der Poren“, erläutert Dr. Burkhardt. Die Besonderheit des Chlorats ist, dass es ähnlich wie das Tensid die Oberflächenspannung stark herabsetzt. „Dadurch verwandeln sich die Tropfen ebenfalls in einen dünnen Wasserfilm, durch den die Salze mühelos die winzigen Poren in den Blättern passieren können“, sagt der Experte für Pflanzenernährung.

„Das jahrzehntelang gelehrte Paradigma von der Spaltöffnungsbarriere für Salzlösungen ist damit gefallen“, sagt Dr. Burkhardt. Die Begründer der Theorie seien bei ihren Berechnungen von ganz sauberen Blattoberflächen ausgegangen. Reines Wasser könne auch in der Tat die winzigen Poren in den Blättern nicht durchdringen, weil die Tropfen einfach zu stabil seien. Aber sobald bestimmte Salze oder Partikel – etwa im Staub – sich in dem Wasser auf den Blattoberflächen lösen, wird die Oberflächenspannung stark verringert und die Salzlösungen können durch die Spaltöffnungen eindringen. Welche Salze die Oberflächenspannung besonders stark herabsetzen, ist aus der Physiologie seit langem bekannt. „Für diesen Effekt sind hohe Salzkonzentrationen notwendig“,  erklärt Dr. Burkhardt. „Sie entstanden in unseren Versuchen beim Eintrocknen der ursprünglich verdünnten Sprühlösungen.“ Hochkonzentrierte Salzlösungen entstehen auf Blättern natürlicherweise auch dadurch, dass Salzpartikel den von der Pflanze transpirierten Wasserdampf anziehen und sich darin auflösen.

Ergebnisse haben Konsequenzen für viele praktische Anwendungen

„Diese Ergebnisse haben nicht nur Konsequenzen für die theoretische Lehre, sondern auch für viele praktische Anwendungen“, sagt Dr. Burkhardt. So lasse sich nun besser prognostizieren, mit welchen Nährsalzen Blattdüngung wirksam sei. Und das Verhalten von Pflanzenschutzmitteln lasse sich außerdem besser verstehen. „Aber auch für die Abschätzung der Trockenresistenz von Pflanzen sowie für die Simulation des Klimawandels und die Gefährlichkeit von Luftschadstoffen sind unsere Ergebnisse von Bedeutung.“

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