DIE: Kolumne "Von Gipfel zu Gipfel – und nichts erreicht? "

    Das Jahr 2011 kann als verlorenes Jahr für das so dringliche kollektive Handeln zugunsten globaler Gemeinschaftsgüter gelten. Der G-20-Gipfel im November in Cannes stand wie alles, was die weltwirtschaftliche Kooperation in diesem Jahr anging, ganz im Schatten der europäischen Verschuldungskrise. Die Risiken, die das europäische Missmanagement für die Weltwirtschaft nach sich zieht, sind enorm. Nicht nur aus den USA und anderen Industrieländern, sondern vor allem auch aus den Schwellenländern blickt man mit einer Mischung aus gespannter Nervosität und Kopfschütteln auf den jeweils nächsten europäischen Gipfel. Man erkennt, dass das reiche Europa nicht die Kraft besitzt, ein zunächst vergleichsweise beherrschbares Finanzierungsproblem zu lösen und ist sich vor allem in einem einig: Es wird keine nennenswerte Hilfe für Europa geben, ohne dass Europa eine überzeugende Strategie zur Krisenbewältigung vorlegt. Natürlich wäre es gut, wenn alle großen Wirtschaftsnationen durch eine koordinierte Aktion über den IWF Südeuropa eine Atempause und damit Spielraum für Strukturreformen verschaffen würden, so wie es der EU-Gipfel am 09.12.2011 vorgeschlagen hat. Aber wenn Deutschland nicht bereit ist, hierzu mehr beizutragen, warum sollen es dann China oder Brasilien tun? So wird der Schwarze Peter von einem zum anderen geschoben, zum Schaden der Weltgemeinschaft. Spielten diese internationalen Zusammenhänge, die gegenseitigen Abhängigkeiten und der Zwang, die internationalen Auswirkungen bei nationalen Entscheidungen mitzudenken, bei den jüngsten Bundestagsdebatten zur europäischen Schuldenkrise eine Rolle? Nein, dort wird nur Deutsch gesprochen.

    Die Ergebnisse des Klimagipfels von Durban waren ebenfalls enttäuschend. Man war schon froh, dass sich am Ende alle darauf geeinigt haben, bis 2015 über ein neues Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2020 zu verhandeln. Aber negativ gewendet heißt das eben auch: wieder sind zehn Jahre im Kampf gegen den Klimawandel verloren.

    Aber es gab einen Lichtblick in Durban, der in der Öffentlichkeit wenig Beachtung fand: Der Grüne Klimafonds wurde gemeinsam aus der Taufe gehoben (siehe „Die aktuelle Kolumne“ vom 12.12.2011). Also ein weiteres supranationales Finanzierungsinstrument, bei dem sich wie immer die Frage stellt: Wer zahlt und wer bestimmt? Der Fonds, aus dem die Entwicklungsländer ab 2020 – und davor in ansteigendem Umfang – jährlich insgesamt 100 Milliarden US Dollar für Anpassungsmaßnahmen an den unvermeidlichen Klimawandel und für Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen erhalten sollen, wird bereits im Jahr 2012 als neue Institution entstehen. Die Tatsache, dass ein Teil der Gründungsarbeiten in den Räumen des UN-Klimasekretariats (UNFCCC) in Bonn stattfinden wird, hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen dazu bewogen, Deutschland als Sitzland des Fonds ins Gespräch zu bringen und für die nächsten beiden Jahre 40 Millionen Euro zur Unterstützung auf den Tisch zu legen.

    Wer zahlt in den Fonds ein? Es ist seit langem Beschlusslage im Rahmen der UN-Klimaschutzkonvention, dass die Industrieländer einzahlen und die Entwicklungsländer von den Mitteln des Fonds profitieren. Aber die Vereinbarung von Durban lässt grundsätzlich weitere Finanzierungsquellen zu. Dazu zählen beispielsweise der internationale Emissionshandel, aus dem ein Teil dem Fonds zugeführt werden könnte; internationale Abgaben auf den Flugverkehr und auch eine internationale Finanztransaktionssteuer kämen als Quellen in Frage. All dies sind bekanntermaßen hoch umstrittene Themen, zu denen es noch keine Einigung unter den wichtigen Akteuren gibt. Der Vorteil derartiger dauerhafter Finanzierungsquellen wäre, dass der Fonds damit von jährlichen Haushaltszusagen der Industrieländer unabhängig würde. Die G-20 wäre der geeignete Rahmen, um über diese Finanzierungsfragen zu sprechen. Nicht als Konkurrenz zur UN-Klimaschutzkonvention, aber als Plattform für eine Diskussion über die zukünftige Architektur der Finanzierung globaler Gemeinschaftsgüter, bei denen es schließlich nicht nur um Klimaschutz geht.

    Und wer bestimmt über die Geschäftstätigkeit des Fonds? Ähnlich wie IWF und Weltbank wird der Fonds ein Leitungsgremium von 24 Exekutivdirektoren haben, wobei jeder Sitz im Direktorium eine Gruppe von Ländern vertritt. Anders als bei den Washingtoner Institutionen wird der Grüne Klimafonds in seinem Leitungsgremium allerdings paritätische Mehrheitsverhältnisse haben: Die Entwicklungsländer haben gleich viel Sitze wie die Industrieländer, und im Unterschied zu IWF und Weltbank werden die Sitze nicht nach Anteilen an der Finanzierung verteilt, sondern alternierend nach dem Prinzip der Repräsentanz der Weltregionen. Damit wird Europa nicht wie in Washington mit bis zu 8 von 24 Exekutivdirektoren vertreten sein, sondern bestenfalls mit 3 oder 4.

    Im nächsten Jahr sollen bereits viele wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Gestaltung des Klimafonds geklärt werden: Die Leitung und die Zusammensetzung des Direktoriums, die Finanzierungsinstrumente und die Verteilung der Mittel auf verschiedene Verwendungen. Klar ist, dass ein Teil der Mittel als Zuschüsse für die Anpassung an den Klimawandel an die ärmsten Länder fließen wird. Zweifellos wird ein weiterer Teil der Mittel als Hebel zur Mobilisierung von privaten Investitionen genutzt werden müssen, weil die riesigen benötigten Summen etwa für Investitionen in die Transformation des Energiesektors in Entwicklungsländern ganz überwiegend nicht aus öffentlichen Haushalten, sondern nur über die Kapitalmärkte aufgebracht werden können. Es gibt schließlich genug Anlage suchendes Kapital auf den Finanzmärkten, welches mit geeigneten Anreizen in „grüne“ Investitionen gelenkt werden kann. Die Weltbank wird für die ersten drei Jahre die Mittel – wenn sie denn erstmals in den Fonds fließen – treuhänderisch verwalten. Die Entwicklungsländer werden sich wohl dafür aussprechen, dass nach den drei Übergangsjahren eine unabhängige, unmittelbar der Klimarahmenkonvention untergeordnete Einrichtung die Verwaltung übernimmt. Zu groß ist die Skepsis gegenüber der nach wie vor von einem US-Amerikaner geleiteten Weltbank. Aber würde das auch noch gelten, wenn der nächste Weltbank-Präsident aus einem Entwicklungsland kommt? Zweifellos ein geeignetes Thema für den nächsten G-20-Gipfel in Mexiko im Juni 2012.

    Die G-20 mit ihrem umfassenden Anspruch, Politiken für ein nachhaltiges Wachstum der Weltwirtschaft zu koordinieren, müsste dazu imstande sein, die zukünftige Finanzarchitektur für die globalen Gemeinschaftsgüter zu thematisieren. Der Grüne Klimafonds ist dabei nur ein Fonds unter vielen, und es wäre notwendig, die zahlreichen bestehenden Finanzierungsinstrumente für Entwicklung einerseits und für Klimapolitik andererseits eng zu koordinieren. Sonst besteht die Gefahr einer weiteren Fragmentierung mit großen Effizienzverlusten. Die G-20 ist auch deshalb das richtige Forum dafür, weil nur dort der post-koloniale Diskurs überwunden werden kann, der die Wohlhabenden im Norden zum Finanzausgleich für die Armen im Süden heranzieht. In einer Zeit wachsender Ungleichheit in und zwischen den Ländern muss auch der neu gewonnene Reichtum in den Schwellenländern einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, in den Ländern selbst und im globalen Kontext. Deshalb sind internationale Abgaben auf CO2-Emissionen oder Finanztransaktionen, zu denen nicht nur die Industrieländer beitragen, geeignete Finanzierungsquellen.

    Für die europäische Krise wie für die Bekämpfung des Klimawandels gilt gleichermaßen, dass die Anforderungen an koordiniertes Handeln gestiegen sind. Das fundamentale Dilemma, das vorerst ungelöst bleibt, ist das hohe Tempo der Veränderungsprozesse, mit dem die politischen Prozesse nicht Schritt halten können. Auch für 2012 stellt sich die Frage: Wie regiert man eine globalisierte Welt?

    Von Dr. Peter Wolff, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

    KolumneDas Jahr 2011 kann als verlorenes Jahr für das so dringliche kollektive Handeln zugunsten globaler Gemeinschaftsgüter gelten. Der G-20-Gipfel im November in Cannes stand wie alles, was die weltwirtschaftliche Kooperation in diesem Jahr anging, ganz im Schatten der europäischen Verschuldungskrise. Die Risiken, die das europäische Missmanagement für die Weltwirtschaft nach sich zieht, sind enorm. Nicht nur aus den USA und anderen Industrieländern, sondern vor allem auch aus den Schwellenländern blickt man mit einer Mischung aus gespannter Nervosität und Kopfschütteln auf den jeweils nächsten europäischen Gipfel. Man erkennt, dass das reiche Europa nicht die Kraft besitzt, ein zunächst vergleichsweise beherrschbares Finanzierungsproblem zu lösen und ist sich vor allem in einem einig: Es wird keine nennenswerte Hilfe für Europa geben, ohne dass Europa eine überzeugende Strategie zur Krisenbewältigung vorlegt. Natürlich wäre es gut, wenn alle großen Wirtschaftsnationen durch eine koordinierte Aktion über den IWF Südeuropa eine Atempause und damit Spielraum für Strukturreformen verschaffen würden, so wie es der EU-Gipfel am 09.12.2011 vorgeschlagen hat. Aber wenn Deutschland nicht bereit ist, hierzu mehr beizutragen, warum sollen es dann China oder Brasilien tun? So wird der Schwarze Peter von einem zum anderen geschoben, zum Schaden der Weltgemeinschaft. Spielten diese internationalen Zusammenhänge, die gegenseitigen Abhängigkeiten und der Zwang, die internationalen Auswirkungen bei nationalen Entscheidungen mitzudenken, bei den jüngsten Bundestagsdebatten zur europäischen Schuldenkrise eine Rolle? Nein, dort wird nur Deutsch gesprochen.

    Die Ergebnisse des Klimagipfels von Durban waren ebenfalls enttäuschend. Man war schon froh, dass sich am Ende alle darauf geeinigt haben, bis 2015 über ein neues Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2020 zu verhandeln. Aber negativ gewendet heißt das eben auch: wieder sind zehn Jahre im Kampf gegen den Klimawandel verloren.

    Aber es gab einen Lichtblick in Durban, der in der Öffentlichkeit wenig Beachtung fand: Der Grüne Klimafonds wurde gemeinsam aus der Taufe gehoben (siehe „Die aktuelle Kolumne“ vom 12.12.2011). Also ein weiteres supranationales Finanzierungsinstrument, bei dem sich wie immer die Frage stellt: Wer zahlt und wer bestimmt? Der Fonds, aus dem die Entwicklungsländer ab 2020 – und davor in ansteigendem Umfang – jährlich insgesamt 100 Milliarden US Dollar für Anpassungsmaßnahmen an den unvermeidlichen Klimawandel und für Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen erhalten sollen, wird bereits im Jahr 2012 als neue Institution entstehen. Die Tatsache, dass ein Teil der Gründungsarbeiten in den Räumen des UN-Klimasekretariats (UNFCCC) in Bonn stattfinden wird, hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen dazu bewogen, Deutschland als Sitzland des Fonds ins Gespräch zu bringen und für die nächsten beiden Jahre 40 Millionen Euro zur Unterstützung auf den Tisch zu legen.

    Wer zahlt in den Fonds ein? Es ist seit langem Beschlusslage im Rahmen der UN-Klimaschutzkonvention, dass die Industrieländer einzahlen und die Entwicklungsländer von den Mitteln des Fonds profitieren. Aber die Vereinbarung von Durban lässt grundsätzlich weitere Finanzierungsquellen zu. Dazu zählen beispielsweise der internationale Emissionshandel, aus dem ein Teil dem Fonds zugeführt werden könnte; internationale Abgaben auf den Flugverkehr und auch eine internationale Finanztransaktionssteuer kämen als Quellen in Frage. All dies sind bekanntermaßen hoch umstrittene Themen, zu denen es noch keine Einigung unter den wichtigen Akteuren gibt. Der Vorteil derartiger dauerhafter Finanzierungsquellen wäre, dass der Fonds damit von jährlichen Haushaltszusagen der Industrieländer unabhängig würde. Die G-20 wäre der geeignete Rahmen, um über diese Finanzierungsfragen zu sprechen. Nicht als Konkurrenz zur UN-Klimaschutzkonvention, aber als Plattform für eine Diskussion über die zukünftige Architektur der Finanzierung globaler Gemeinschaftsgüter, bei denen es schließlich nicht nur um Klimaschutz geht.

    Und wer bestimmt über die Geschäftstätigkeit des Fonds? Ähnlich wie IWF und Weltbank wird der Fonds ein Leitungsgremium von 24 Exekutivdirektoren haben, wobei jeder Sitz im Direktorium eine Gruppe von Ländern vertritt. Anders als bei den Washingtoner Institutionen wird der Grüne Klimafonds in seinem Leitungsgremium allerdings paritätische Mehrheitsverhältnisse haben: Die Entwicklungsländer haben gleich viel Sitze wie die Industrieländer, und im Unterschied zu IWF und Weltbank werden die Sitze nicht nach Anteilen an der Finanzierung verteilt, sondern alternierend nach dem Prinzip der Repräsentanz der Weltregionen. Damit wird Europa nicht wie in Washington mit bis zu 8 von 24 Exekutivdirektoren vertreten sein, sondern bestenfalls mit 3 oder 4.

    Im nächsten Jahr sollen bereits viele wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Gestaltung des Klimafonds geklärt werden: Die Leitung und die Zusammensetzung des Direktoriums, die Finanzierungsinstrumente und die Verteilung der Mittel auf verschiedene Verwendungen. Klar ist, dass ein Teil der Mittel als Zuschüsse für die Anpassung an den Klimawandel an die ärmsten Länder fließen wird. Zweifellos wird ein weiterer Teil der Mittel als Hebel zur Mobilisierung von privaten Investitionen genutzt werden müssen, weil die riesigen benötigten Summen etwa für Investitionen in die Transformation des Energiesektors in Entwicklungsländern ganz überwiegend nicht aus öffentlichen Haushalten, sondern nur über die Kapitalmärkte aufgebracht werden können. Es gibt schließlich genug Anlage suchendes Kapital auf den Finanzmärkten, welches mit geeigneten Anreizen in „grüne“ Investitionen gelenkt werden kann. Die Weltbank wird für die ersten drei Jahre die Mittel – wenn sie denn erstmals in den Fonds fließen – treuhänderisch verwalten. Die Entwicklungsländer werden sich wohl dafür aussprechen, dass nach den drei Übergangsjahren eine unabhängige, unmittelbar der Klimarahmenkonvention untergeordnete Einrichtung die Verwaltung übernimmt. Zu groß ist die Skepsis gegenüber der nach wie vor von einem US-Amerikaner geleiteten Weltbank. Aber würde das auch noch gelten, wenn der nächste Weltbank-Präsident aus einem Entwicklungsland kommt? Zweifellos ein geeignetes Thema für den nächsten G-20-Gipfel in Mexiko im Juni 2012.

    Die G-20 mit ihrem umfassenden Anspruch, Politiken für ein nachhaltiges Wachstum der Weltwirtschaft zu koordinieren, müsste dazu imstande sein, die zukünftige Finanzarchitektur für die globalen Gemeinschaftsgüter zu thematisieren. Der Grüne Klimafonds ist dabei nur ein Fonds unter vielen, und es wäre notwendig, die zahlreichen bestehenden Finanzierungsinstrumente für Entwicklung einerseits und für Klimapolitik andererseits eng zu koordinieren. Sonst besteht die Gefahr einer weiteren Fragmentierung mit großen Effizienzverlusten. Die G-20 ist auch deshalb das richtige Forum dafür, weil nur dort der post-koloniale Diskurs überwunden werden kann, der die Wohlhabenden im Norden zum Finanzausgleich für die Armen im Süden heranzieht. In einer Zeit wachsender Ungleichheit in und zwischen den Ländern muss auch der neu gewonnene Reichtum in den Schwellenländern einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, in den Ländern selbst und im globalen Kontext. Deshalb sind internationale Abgaben auf CO2-Emissionen oder Finanztransaktionen, zu denen nicht nur die Industrieländer beitragen, geeignete Finanzierungsquellen.

    Für die europäische Krise wie für die Bekämpfung des Klimawandels gilt gleichermaßen, dass die Anforderungen an koordiniertes Handeln gestiegen sind. Das fundamentale Dilemma, das vorerst ungelöst bleibt, ist das hohe Tempo der Veränderungsprozesse, mit dem die politischen Prozesse nicht Schritt halten können. Auch für 2012 stellt sich die Frage: Wie regiert man eine globalisierte Welt?

    Von Dr. Peter Wolff, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

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