Thomas Havelt über seine Forschung an bioaktiven Pflanzenstoffen als Additive für die Stabilisierung nachhaltiger Verpackungen

Worum geht es in Ihrer Doktorarbeit?

Kunststoff-Verpackungsmaterialien, wie z.B. Lebensmittelverpackungen, werden in aller Regel mit Zusatzstoffen (sogenannten Additiven) versetzt, damit sie die benötigten Eigenschaften wie Stabilität, Flexibilität oder Farbe erhalten. Sowohl Verpackung als auch Additiv sind auf Basis von Erdöl hergestellt und weisen somit Probleme in Bezug auf Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit und unter Umständen auch für die menschliche Gesundheit auf. Für die Kunststoffverpackungen gibt es bereits diverse Alternativen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können; für die Additive ist das leider noch nicht der Fall. In meiner Doktorarbeit stelle ich Extrakte von verschiedenen Bäumen und Pflanzen wie z.B. von Thymian und der Rosskastanie her und untersuche sie auf ihre stabilisierenden Eigenschaften, um pflanzliche Alternativen zu erdölbasierten Stabilisatoren zu finden. Schließlich teste ich diese Extrakte, um zu zeigen, dass sie ohne Bedenken auch in empfindlichen Bereichen wie Lebensmittelverpackungen verwendet werden können. Um diese Ziele zuverlässig erreichen zu können, wurden ich und die Promotionsarbeit finanziell von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und der Europäischen Union durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE.NRW) gefördert und durch Prof. Dr. Michaela Schmitz fachlich betreut.

Was ist bisher die für Sie interessanteste Erkenntnis?

Dass es verschiedene Pflanzen (und auch Pflanzenteile) gibt, die jeweils völlig unterschiedliche Eigenschaften haben können. Ich habe zum Beispiel schon Extrakte untersucht, die hervorragende Eigenschaften in der Stabilisierung gegen Sonnenlicht aufweisen, aber dafür in anderen Bereichen der Stabilisierung kaum eine Wirkung zeigen; bei anderen Pflanzen und ihren Extrakten ist das genaue Gegenteil aufgetreten. Der gezielte Einsatz je nach Anforderung kann hier enormen Nutzen bringen. Außerdem habe ich im Rahmen der Untersuchung der Extrakte erstmalig bestimmte Stoffe z.B. in Tannennadeln und in Kastanienschalen nachgewiesen, die sie für eine Nutzung als Stabilisator sehr attraktiv machen. Im Rahmen der Forschung habe ich sogar erreichen können, dass für die Gewinnung dieser Stoffe pflanzliche Abfallstoffe genutzt werden können – hier ist es also problemlos möglich, aus Müll wieder etwas Wertvolles herzustellen!

Welchen praktischen Nutzen hat Ihre Arbeit?

Die verschiedenen Pflanzenextrakte mit ihren ganz verschiedenen Eigenschaften müssen charakterisiert und erforscht werden, um Unternehmen dazu zu motivieren, diese Änderung von erdölbasierten zu pflanzlich basierten Stabilisatoren vorzunehmen. Hierzu muss das Risiko eines Fehlschlags für die Unternehmen minimiert werden. Deshalb soll meine Forschung von der ersten Bewertung des Potentials einzelner Pflanzen bis zum abschließenden Anwendungstest möglichst viel abdecken, um umso mehr Unternehmen von diesem mutigen, aber nötigen Schritt zu überzeugen. Dazu gehören außerdem genau getestete Möglichkeiten, die Extraktion zu vereinfachen und für industrielle Umgebungen attraktiv zu machen, und sogar Tests in Bezug auf die mögliche Kombination verschiedener Additive in einer einzigen Verpackung. Auf diese Art können je nach Anwendung und Anforderung ganz verschiedene Kombinationen an Extrakten eingebracht werden, ohne dass negative Einflüsse durch die Kombination befürchtet werden müssen.

Wie trägt Ihre Arbeit zur Erreichung der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) bei?

Thematisch geht es bei meiner Arbeit um die Wandlung unserer Gesellschaft zur Kreislaufwirtschaft und damit zu einer nachhaltigeren Welt. Sie ist relevant, da Alternativen für umweltzerstörende Technologien wie Erdöl meiner Auffassung nach in allen dafür geeigneten Bereichen gefunden werden müssen. Der Bereich der Stabilisierung von (biobasierten) Kunststoffen steht bei dieser Erforschung von Alternativen bisher zu Unrecht kaum im Fokus. Durch meine Doktorarbeit werden Möglichkeiten für die Industrie geschaffen, Innovationen in biobasierte Stabilisatoren mit verminderter Gefahr von Fehlschlägen tätigen zu können. Unterstützt wurde ich bei der Forschung auch vom bio innovation park Rheinland e.V., einem starken Netzwerk aus Hochschulen, Industrie und Gemeinden der Region. Die Forschung konzentriert sich bewusst auf Pflanzen, die lokal und regional angebaut werden können, um lange Transportwege vermeiden zu können und auf lange Sicht die Wirtschaft vor Ort zu stärken (SDG 9). Durch die Vermeidung der Nutzung von fossilen Ressourcen leistet das Forschungsprojekt auch einen indirekten Beitrag zum Klimaschutz (SDG 13). Das Hauptziel der Nachhaltigen Entwicklung, dass meine Doktorarbeit beeinflusst, ist allerdings das SDG 12, welches sich mit nachhaltigem Konsum und verantwortungsvoller Produktion beschäftigt. Mit den Ergebnissen der vorliegenden Forschung ist es nicht nur möglich, zwingend benötigte Substanzen durch eine Umstellung auf eine pflanzliche Produktionsbasis nachhaltig zu erzeugen. Je nachdem, welche Biomasse konkret genutzt wird, können sogar pflanzliche Abfallstoffe wie gebrauchte Weihnachtsbäume oder Kastanien aus dem Stadtpark für diesen Zweck genutzt werden – es muss also keine spezifische Anbaufläche, welche ansonsten für Lebensmittelanbau zur Verfügung stünde, für die Produktion von nachhaltigen Additiven umgewidmet werden.

Was ist Ihre persönliche Empfehlung, um den eigenen Alltag nachhaltiger zu gestalten?

Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten, bei denen jeder für sich entscheiden muss, welche er umsetzen kann. Durch meine Promotion habe ich besonders die Thematik der Verpackungsmaterialien in den Blick genommen und kann in diesem Kontext nur empfehlen, beim Einkauf auf unnötige Verpackungen zu verzichten. Bei den übrigen Verpackungen sollte man genau darauf achten, ob diese aus biobasierten Quellen bestehen (beim Kunststoff z.B. PLA oder Cellophan), um den Umstieg von erdölbasierten Verpackungsmaterialien auf erneuerbare Ressourcen zu unterstützen.

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Das Interview führte Verena Hammes