FONA | Grüne Stadt der Zukunft – Klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt

Wie kann eine leistungsfähige grüne Infrastruktur in die Stadtentwicklung integriert werden, um wachsende Städte fit für den Klimawandel zu machen? Das BMBF-Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ präsentierte in seiner Online-Ergebniskonferenz Lösungen am Beispiel der Stadt München.

Flächenkonflikt: Stadtgrün versus Wohnraum?

Die Stadt München steht wie viele Großstädte vor großen Herausforderungen: Die Folgen des Klimawandels und von Extremwetterereignissen, insbesondere Hitzewellen und Starkregen, werden immer spürbarer. Es bedarf dringend wirksamer Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Hier kann „Grüne Infrastruktur“, wie zum Beispiel Parks, urbane Gärten, grüne Dächer, begrünte Innenhöfe oder Fassadenbegrünungen, einen wesentlichen Beitrag leisten. Beispielsweise kühlen Bäume durch Verschattung und Verdunstung ihre Umgebung wie eine natürliche Klimaanlage und in Grünflächen versickert Regenwasser, was Überschwemmungen vorbeugt.

Im Konflikt dazu steht, dass in wachsenden Städten wie München dringend neuer Wohnraum geschaffen werden muss. Neubebauungen oder Bestandserweiterungen führen aber zu einem Verlust an grünen Flächen in der Stadt. Lösungsansätze für diesen Flächenkonflikt stehen im Fokus des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Grüne Stadt der Zukunft“. Das interdisziplinäre Projektteam hat in den letzten drei Jahren untersucht, mit welchen Methoden und Instrumenten der Stadtplanung der Anteil an Grüner Infrastruktur trotz Flächenknappheit erhöht werden kann. Dafür haben sie in sechs repräsentativen „Reallaboren“ in München geforscht. In einer Online-Ergebniskonferenz am 14. September 2021 präsentierten die vier Projektpartner Ihre Ergebnisse.

„Grün ist nicht gleich grün“ – welche Grüne Infrastruktur ist wirksam?

Für eine effiziente städtische Klimaanpassung ist die wissenschaftliche Grundlage, welche Maßnahmen tatsächlich wirksam sind, entscheidend. Die Forschenden haben deshalb die Klimawirkung verschiedener Arten von Grüner Infrastruktur auf drei Ebenen in Modellen betrachtet: das Quartier, der Straßenblock und die einzelnen Gebäude. Eines der eindeutigsten Ergebnisse: Bei allen drei Modell-Ebenen haben ausgewachsene Bäume die größte Klimawirkung und je älter ein Baum ist, desto größer ist seine Kühlleistung. Neu gepflanzte Bäume seien erst nach circa 50 Jahren wirklich klimawirksam. Im Vergleich zur Fassadenbegrünung bieten Großbäume zusätzlich den Vorteil, dass sie im Sommer auch die Fenster verschatten und so einer übermäßigen Erhitzung der Innenräume entgegenwirken können. Deshalb lautet eine der dringenden Empfehlungen des Projekts, bereits vorhandene, ausgewachsene Bäume möglichst zu erhalten.

Für die nächtliche Abkühlung empfiehlt das Team, Durchlüftungs-Achsen innerhalb der Quartiere möglichst freizuhalten. Neue Bäume sollten deshalb strategisch in Hitze-Hotspots platziert werden, ohne die Durchlüftungsströme zu behindern. Wirksam seien hierfür auch Wiesen, weil sie nachts als Feuchtigkeitsspeicher fungieren. Grüne Infrastruktur sei insgesamt auch zum Schutz vor Überschwemmungen sehr wirksam, etwa durch kluge Kombinationen von Dachbegrünung und Versickerungsmulden.

Das Projektteam empfiehlt auch, jede Möglichkeit zu nutzen, um Stadtgrün einzuplanen. Jede bereits vorgesehene städtebauliche Sanierungs- oder Erneuerungsarbeit – zum Beispiel Bauarbeiten an einer Straße – könnten dafür genutzt werden, Grüne Infrastruktur nachträglich einzubauen. Dies sei auch aus Kostengründen sehr effizient. Bei der Begrünung dicht bebauter Städte müsse man jedoch insgesamt auf die Vielfalt von Maßnahmen setzen und die individuellen Bedarfe von Quartieren berücksichtigen. Nur so ließen sich Städte nutzerfreundlich und auf verschiedenste Klimarisiken vorbereiten.

Für eine effektive Klimaanpassung: Expertisen frühzeitig und konsequent zusammenbringen

Heutzutage sind laut den Forschenden die Aspekte der Klimaanpassung und des Klimaschutzes noch nicht wirksam genug in den einzelnen Prozessen und Arbeitsabläufen der Stadtplanungspraxis verankert. Die frühzeitige Einbindung dieser Aspekte sei jedoch entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung von klimaresilienten Planungs- und Bauvorhaben.

Durch das breit aufgestellte Konsortium aus Stadtplanung, Wirtschaftswissenschaften, Architektur und Bauingenieurwesen sowie Ökologie und Sozialwissenschaften konnte Wissen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zu integrierten Lösungsansätzen gebündelt und dabei gleichzeitig mit der Praxis verzahnt werden. Dies habe gezeigt, wie wichtig es ist, alle relevanten Expertisen und Akteur:innen konsequent in allen Phasen des Planungsprozesses einzubinden. Dies sei bisher noch nicht die gängige Praxis, weshalb neue Standards für die Einbindung von Expertisen etabliert werden müssten.

Bürger:innen sind Teil der Lösung

Bei der Klimaanpassung kommt es auch stark auf die Beteiligung der Stadtbewohner:innen an. Durch ihre Einbindung in Stadtplanungsprozesse wird das Verantwortungsgefühl für das Stadtgrün in der eigenen Nachbarschaft gestärkt. Die Bürger:innen können so auch dazu motiviert werden, eigene Begrünungsmaßnahmen umzusetzen – sei es auf ihren Dächern, Fassaden, Balkonen oder Innenhöfen. Das Forschungsprojekt arbeitete daher unter anderem mit dem Begrünungsbüro des Vereins „Green City“ zusammen, welches Interessierte bei der Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen im Raum München berät und über entsprechende Fördermöglichkeiten der Stadt informiert.

Das Projekt hat auch gezeigt, dass sich Bürger:innen auf vielfältige Weise an Prozessen zur Verbesserung von Grün in der wachsenden Stadt beteiligen lassen, zum Beispiel bei Mitmachaktionen, Quartiersrundgängen oder Kooperationsformaten, wie etwa Nachbarschaftsvereinen. Eines der erfolgreichsten Bürgerbeteiligungsformate waren Fokus-Gruppengespräche, in denen vom Projekt entwickelte „Zukunftsbilder“ von konkreten Standorten der Stadt diskutiert wurden.

Mit dieser Methode konnten Anwohner:innen, Gewerbetreibende und Stadtplaner:innen gemeinsam diskutieren, wie eine grüne, lebenswerte Stadt aussehen könnte, wo und welche Zielkonflikte und Kontroversen entstehen könnten und wie sich die Vision einer grünen Stadt unter Beteiligung maßgeblicher Akteur:innen dennoch umsetzen lässt.

Für die Zukunft sind weitere Anknüpfungspunkte möglich. Auf die gewonnenen Erkenntnisse könnte weiter aufgebaut werden, um die Klimaanpassung noch stärker in die Routinen der Stadtplanungspraxis zu verankern. Damit auch andere Städte aus den Erkenntnissen dieser Forschung profitieren können, könnte auch der Wissenstransfer ausgebaut werden. Beispielsweise könnten Bildungsmodule entwickelt werden, die Stadtplaner:innen ohne größeren zeitlichen Aufwand zum Handeln befähigen.

Die Gesamtkoordination des Projektes „Grüne Stadt der Zukunft – Klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“ liegt bei der Technischen Universität München (TUM). Im Konsortium sind außerdem die Landeshauptstadt München, das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) sowie die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) vertreten. Das BMBF hat das Projekt in den letzten drei Jahren mit über zwei Millionen Euro gefördert.

Weitere Informationen

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Unterabteilung Nachhaltigkeit; Zukunftsvorsorge, 13.09.2021