DIE | Warum die Deutsche EU-Ratspräsidentschaft die Panafrikanische Freihandelszone in den Fokus rücken sollte

In kaum einer anderen Region hat die Covid-19-Pandemie ihre strukturellen Integrationsprobleme in den Welthandel derart offengelegt wie in Afrika. Afrikanische Exporte waren bereits zu Beginn der Corona-Krise von negativen Auswirkungen der Preisturbulenzen auf den internationalen Rohstoffmärkten betroffen. Gleichzeitig führten Handelsbeschränkungen zu erheblichen Importrückgängen bei Grundnahrungsmitteln, Medikamenten oder medizinischer Ausrüstung. Die Afrikanische Entwicklungsbank erwartet, dass die Covid-19-Pandemie einen Wirtschaftseinbruch von 3,4 Prozent in diesem Jahr zur Folge hat. Einen entscheidenden Schlüssel zur Überwindung dieser Krise halten die afrikanischen Länder selbst in der Hand: die Panafrikanische Freihandelszone (AfCFTA). Die EU unter deutscher Ratspräsidentschaft sollte die afrikanische Länder dabei unterstützen.

Bereits im Mai 2019 wurde das Abkommen zur Errichtung der AfCFTA ratifiziert und schuf damit die Grundlage für die weltgrößte Freihandelszone. Die Umsetzung sollte ursprünglich bereits in diesem Sommer beginnen. Sie wurde jedoch aufgrund der Covid-19-Pandemie um ein halbes Jahr – auf den 1. Januar 2021 – verschoben. Die grundsätzliche Bedeutung der Freihandelszone schmälert dies nicht. So soll die AfCFTA den Abbau von Handelsschranken zwischen afrikanischen Ländern beschleunigen, den inner-afrikanischen Handel ankurbeln, regionale Wertschöpfungsketten stärken und Wirtschaftsstrukturen diversifizieren. Mit der AfCFTA wird somit auch die Hoffnung auf eine langfristig bessere Integration Afrikas in den Welthandel verbunden.

Bisher ist das Vorzeigeprojekt Afrikas allerdings noch ein Gerüst, das mit Inhalten gefüllt werden muss. Um den Güterhandel zwischen den afrikanischen Ländern anzuschieben, gilt es, die durch Covid-19 weiter ins Stocken geratenen Verhandlungen über Zollreduktionen zügig abzuschließen. Auch die Ursprungsregeln, also die Bedingungen, unter denen Unternehmen die reduzierten Zölle nutzen können, müssen noch ausverhandelt werden. Um das Potential der AfCFTA voll zu entfalten, werden diese wichtigen ersten Schritte jedoch nicht ausreichen. Untersuchungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds weisen darauf hin, dass für größere Wohlfahrtseffekte weitergehende Reformen notwendig sind. Zu nennen wären hierbei insbesondere die Vereinheitlichung von nicht-tarifären Handelshemmnissen, wie zum Beispiel bei Hygiene- oder technischen Anforderungen, Maßnahmen zur Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung von Export- und Importprozessen sowie die Förderung des Dienstleistungs- und Onlinehandels.

Um diese strukturellen Baustellen zu bearbeiten, braucht es vor allem eines: erhebliches politisches Engagement der beteiligten afrikanischen Regierungen für die Umsetzung sowie die übergreifende Vision der AfCFTA. Hierbei ist jedoch zu befürchten, dass die Aus- und Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie zu einer – zumindest zeitweisen – Verschiebung von wirtschaftspolitischen Prioritäten führen. Insbesondere kostenintensive Infrastrukturinvestitionen könnten der Pandemiebekämpfung zum Opfer fallen und Rufe nach protektionistischen Maßnahmen lauter werden. Die Verschiebung des Startschusses für die AfCFTA ist damit gleichsam Möglichkeit und Verpflichtung für externe Partner, dieses Abkommens noch stärker zu unterstützen.

Die kontinentale Freihandelszone bietet eine neue Gelegenheit für afrikanische und europäische Akteure, sich zunehmend auf Augenhöhe zu begegnen. Die AfCFTA kann als Plattform für eine neue politische Partnerschaft auf der Grundlage des gegenseitigen Erfahrungsaustauschs über regionale Integration fungieren. Zusätzlich zur Förderung wechselseitiger, wirtschaftlicher Interessen würde eine intensive Kooperation zwischen Afrika und der EU ein starkes Signal für Multilateralismus und globale Zusammenarbeit senden.

Die europäische und deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte die AfCFTA ins Zentrum ihrer handelspolitischen Unterstützung stellen. Sie sollte gezielt die Implementierung und Vertiefung der Freihandelszone voranbringen. Die Unterstützung der EU für die AfCFTA kann jedoch nur dann wirksam sein, wenn sie nicht nur gut koordiniert ist, sondern auch auf die afrikanischen Bedürfnisse und Prioritäten abgestimmt ist. Dies setzt voraus, dass die afrikanischen Staaten sich darauf fokussieren, eine kontinentale Unterstützungs- und Investitionsagenda zu entwickeln und umsetzen, dass die EU-Maßnahmen sich hieran orientieren und die EU keine eigenen Agenden und Interessen durchsetzt. Aus eigener Erfahrung weiß die EU, dass ein Binnenmarkt nicht von heute auf morgen entsteht, und sollte verlässlich und partnerschaftlich gegenüber den afrikanischen Ländern agieren. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte sich für die Schaffung einer gemeinsamen Plattform für eine langfristige und konzertierte Unterstützung der AfCFTA sowie der Förderung weiterer europäischer Investitionen in Afrika einsetzen.

Quelle: Die Aktuelle Kolumne, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, 07.09.2020