Rat für Nachhaltige Entwicklung: Den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit beschleunigen – aber wie?

Anfang November trafen sich in Berlin hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus der ganzen Welt, um die Umsetzung der Agenda 2030 zu diskutieren – besonders im Hinblick auf die beiden im Herbst 2019 anstehenden SDG- und Klimagipfel in New York.

„Wir sind noch nicht da, wo wir sein sollten.” Mit dieser Kommentierung des Agenda 2030-Prozesses eröffnete Moderatorin Melinda Crane Anfang November die Veranstaltung „Wandel beschleunigen/Accelerating Change” – und traf damit den Tenor der folgenden Reden und Panel-Diskussionen.

Hochrangige Regierungsmitglieder und Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt hatten sich in Berlin versammelt, um den nachhaltigen Wandel mit Blick auf zwei im September 2019 unmittelbar hintereinander in New York stattfindenden Konferenzen, den UN-Klimagipfel und das High Level Political Forum (HLPF) auf Ebene der UN- Staats- und Regierungschefs, auch SDG-Gipfel genannt, zu diskutieren. Im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung fand das fünfte Treffen des Netzwerks “Partners for Review” (P4R) statt, bei dem sich Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, der Zivilgesellschaft, aus dem akademischen und privaten Sektor zwei Tage lang über Überprüfungsmechanismen für den Agenda 2030-Prozess austauschten.

„Der Weg in eine nachhaltige, gerechte Welt ist alles andere als einfach”, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze an diesem Abend. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) war das Bundesumweltministerium (BMU) Gastgeber der Veranstaltung. Der „schnellen, weitreichenden, beispiellosen Änderung” stünden viele Hürden im Weg. Kompass sei mit der Agenda 2030 die fortschrittlichste Agenda, die sich die internationale Staatengemeinschaft je gegeben habe. Aber: „Ziele machen nur Sinn, wenn sie auch angepackt werden.” Nachhaltige Entwicklung sei kein Elitenprojekt, betonte die Ministerin: „Die Schwächeren sind überproportional von Klimawandel und Umweltbelastung betroffen” – und das gelte für die ganze Welt genauso wie für Deutschland. Sie würde es, sagte sie, begrüßen, wenn der Fokus stärker auf spezifischen Aktionsprogrammen für diejenigen SDGs liegen würde, in denen noch kein greifbarer Fortschritt erreicht worden sei. Auch kündigte sie an, dass sich Deutschland an der Initiative des spanischen Ministerpräsidenten für eine SDG-Freundesgruppe beteiligen werde.

„Nachhaltigkeitspolitik ist moderne Investitionspolitik”

Die Ministerin betonte, von dem SDG-Gipfel im kommenden Herbst müsse ein internationaler Weckruf ausgehen. Die ökonomischen, ökologischen und sozialen Kosten stiegen, je länger es dauere, die SDGs und die Verpflichtungen zum Klimaschutz zu erfüllen. Klimarisiken müssten eine größere Rolle in den Investmententscheidungen von Unternehmen spiegeln, forderte sie. Dabei sei es aber wichtig, dass Industriestrukturen gestärkt, nicht zerstört würden, weil sie die Grundlage für den Wohlstand seien: „Nachhaltigkeitspolitik ist moderne Investitionspolitik.” Außerdem berichtete die Ministerin, dass Deutschland an einem nationalen Gesetz zum Klimaschutz arbeite, das sich auf das Pariser Klimaschutzabkommen beziehe und rechtlich verbindlich sein solle: „Nur mit einem Gesetz werden wir dem Paris-Anspruch gerecht werden können.“ Das BMU selbst habe sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2020 klimaneutral zu sein.

Dasselbe hat sich auch das BMZ vorgenommen, für das der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle sprach. Sein Blick auf das bisher Erreichte war eher pessimistisch: Er stellte fest, dass drei Jahre nach ihrer Einführung nur zwölf Prozent der Deutschen von der Agenda 2030 gehört hätten und machte an einer Reihe von Beispielen fest, dass bei vielen SDGs die Entwicklung in die falsche Richtung weise. Die Agenda 2030 habe noch keine Trendwende in Verhalten und Ergebnissen gebracht. Für Barthle muss der SDG-Gipfel im Herbst 2019 ein Weckruf an die Länder werden, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die reichen Länder hätten dabei eine Vorreiterrolle zu übernehmen, etwa wenn es um faire Beschaffung im Welthandel gehe. Deutschland unterstütze Partnerländer dabei, die institutionellen Strukturen zu schaffen, die nachhaltige Entwicklung ermöglichen.

SDGs und Klimaziele zusammen denken

In ihrer Keynote sprach Hajia Alima Mahama, Ghanas Ministerin für Lokalverwaltung und ländliche Entwicklung, über die Rolle des freiwilligen nationalen Berichts Ghanas (“voluntary national review” – VNR) im Veränderungsprozess. Der VNR soll im Juli 2019 bei der nächsten Sitzung des High-Level Political Forums (HLPF) im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen vorgestellt werden. Neben Ghana wollen dort 50 Länder ihren VNR präsentieren, davon 40 zum ersten Mal. Mahama erläuterte, dass Ghana seinen Fortschritt an Ausgangswerten aus dem Jahr 2015 messe. Ein interministerielles Komitee sei mit der Agenda 2030 betraut, neben einer ganzen Reihe weiterer aktiver Initiativen und Vorhaben. Sie wünsche sich die Bewertung von außen, um voranzukommen, sagte Mahama.

In der anschließenden Panel-Diskussion forderte Paula Caballero, ehemals kolumbianische Chefunterhändlerin für die SDGs und heute für die internationale Umweltorganisation RARE tätig, dass die SDGs und die Klimaziele zusammengebracht werden müssen. Vernetztes Denken finde noch zu wenig statt. Ihrer Meinung nach müssten der SDG- und der Klimagipfel der Vereinten Nationen im kommenden Herbst zusammengeführt werden. Weder die Agenda 2030 noch der Pariser Klimavertrag seien unabhängig voneinander umzusetzen, sagte Caballero. Sonst werde es zu Zielkonflikten kommen, etwa weil das SDG 7 – bezahlbare und saubere Energie für alle – zu einem noch jahrelang fortdauernden Verbrauch von fossilen Energieträgern führen könnte, falls der Klimaschutz nicht stärker berücksichtigt werde. Wenn aber das Zwei-Grad-Ziel der Vereinten Nationen nicht erreicht würde, werde das die heute bereits erreichten Entwicklungsfortschritte zunichte machen. Einig waren sich die Teilnehmenden der Panel-Diskussion – neben Caballero und Hajia Alima Mahama waren das Klaus Milke von German Watch, Eva Schulz-Kamm von Siemens und Tsitsi Choroma von Fair Trade Africa – darin, dass viele verschiedene Themen und Probleme zusammen gedacht werden müssten, etwa der Zusammenhang zwischen Frieden und Entwicklung: Die SDGs hätten das Potenzial, für Frieden in und zwischen Ländern zu sorgen.

P4R diskutiert die Reform des High-Level Political Forums

Bereits vor der Eröffnungsveranstaltung hatten die Teilnehmenden am “Partner for Reviews”-Treffen Gelegenheit, in Gruppen aufgeteilt verschiedene deutsche Nachhaltigkeitsakteure zu besuchen. 30 von ihnen entschieden sich dafür, die Arbeit des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) näher kennen zu lernen. An dem anschließenden zweitägigen Treffen von “Partners for Review” – ein internationales Netzwerk, 2016 von BMU und BMZ initiiert und fokussiert auf den Erfahrungsaustausch über die freiwillige Berichterstattung (VNR) im HLPF – nahmen rund 140 Akteure aus 50 Ländern teil, für den RNE die wissenschaftliche Referentin Verónica Tomei. Ihr Fazit nach zwei Tagen: „Die VNRs wirken als Katalysatoren für den Aufbau nationaler Umsetzungsstrukturen und Verfahren, zweite VNRs als Ansporn zur Ergreifung von Maßnahmen.”

Weiterführende Links:

Quelle: Mitteilung Rat für Nachhaltige Entwicklung, 10.12.2018