[:en]Schraven, Benjamin (DIE): Climate change is not everything – The causes of flight and migration are manifold[:de]Schraven, Benjamin (DIE): Klimawandel ist nicht alles – Die Ursachen von Flucht und Migration sind vielfältig[:]

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The subject of “climate migration” – the interrelation between climate change and human migration – is gaining increasing public attention and political relevance at a time of numerous refugee crises and the (anti) climate protection policies of US president Donald Trump. Even before Trump announced the US departure from the Paris climate treaty German foreign minister Sigmar Gabriel was already concerned that such a step would contribute significantly to even greater flows of migrants making their way to Europe. At the end of May the Task Force on Displacement of the United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) discussed ways of dealing with the subject of displacement as a consequence of climate change. What significance, then, should the factor of climate change be assigned in the context of flight and migration, and what conclusions can be drawn from it?

Researchers and various international organisations have been examining the role played by climate change on migration decisions for some time now, and sometimes find the issue a difficult one. For example, the “Atlas of environmental migration” recently published by the International Organisation for Migration (IOM) uses numerous, often highly complex illustrations to visualise and explain the phenomenon of environmental or climate migration in all of its various facets. However, 160 pages later the reader is still somewhat perplexed. What remains is the impression that this is all highly complex.

And the issue is truly complex – as are the migration decisions themselves. They may be influenced by ecological factors, but often many other motives of an economic, political, social, cultural or demographic nature. There is much to indicate that the still widespread assumption of an automatic link between climate change and migration – in keeping with the formula “less rain or more drought leads to increased migration” – needs to be called into question more strongly. General “eco determinism” such as this is not empirically tenable. The people who suffer in particular from the effects of climate change are above all very poor population groups in widespread areas of the Global South. They often lack the necessary resources to migrate at all, or these are eroded further by the effects of climate change, such as in the form of failed harvests. It is therefore not uncommon for the consequences of global warming to be manifested as chronic immobility rather than mobility. Human migration, then, is not necessarily a good indicator of how strongly climate change and its consequences effect people in Africa, Asia or Latin America.

Acute flight situations often also arise from complex conflicts. Although the term “climate refugee” still finds regular use, armed conflict is in fact the main global cause of flight. Although environmental factors may play a role in the outbreak of armed disputes, alongside historic, ethnic or political factors, identifying climate change as the primary cause of, for example, the Syrian war, as is frequently suggested at least in media reports, is completely unfounded. Similarly, in the case of natural disasters there are various factors, such as the existence or capacity of local disaster prevention and the general capability and legitimacy of state structures, that determine whether a disaster results in flight or not.

In striving to achieve better solutions and greater protection for refugees and migrants it is therefore essential to examine the role of climate change in migration and flight processes. However, in the struggle to achieve specific political responses, the question of whether global warming was the dominant trigger of this flight or that migration is often difficult to answer, due to the reasons stated above. Instead, we also need to find an answer to the question of people whose reasons for fleeing are definitely not based on ecological factors, but are also not covered by the very precise definition of the Geneva Convention Relating to the Status of Refugees. The convention refers solely to individual or group persecution. Better solutions also need to be found for “non-convention refugees”, funded by the rich industrialised countries of the Global North. Because responsibility here is not derived solely from (historic) greenhouse gas emissions; colonial exploitation and unfair world trade also play a role. Whilst these may not be principal reasons for conflict, flight and migration, they nevertheless play their part.

Source: Website DIE, 06.06.2017[:de]

Das Thema „Klimamigration“ – also der Zusammenhang zwischen Klimawandel und menschlicher Migration – gewinnt in Zeiten zahlreicher Flüchtlingskrisen und der (Anti-)Klimaschutzpolitik von US-Präsident Donald Trump zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer Relevanz. Bereits kurz bevor Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verkündete, befürchtete Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, dass ein solcher Schritt ein maßgeblicher Beitrag für noch größere Migrationsströme nach Europa wäre. Passend dazu diskutierte Ende Mai zum ersten Mal die Task Force on Displacement der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC über den Umgang mit dem Thema Vertreibung als Folge des Klimawandels. Welche Bedeutung aber muss dem Faktor Klimawandel im Kontext von Flucht und Migration eigentlich beigemessen werden und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?

Mit der Frage, welche Rolle der Klimawandel für Migrationsentscheidungen eigentlich spielt, beschäftigen sich die Wissenschaft und verschiedene internationale Organisationen schon länger und tun sich damit bisweilen auch durchaus schwer. Der erst vor kurzem von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit herausgegebene „Atlas der Umweltmigration“ etwa bemüht sich redlich mit unzähligen, z.T. sehr aufwendig gestalteten Illustrationen, das Phänomen Umwelt- bzw. Klimamigration in seinen unterschiedlichen Facetten zu beleuchten und zu erklären. Allerdings bleibt man nach über 160 Seiten Lektüre auch etwas ratlos zurück. Haften bleibt vor allem der Eindruck, dass dies alles sehr komplex ist.

Komplex ist dieser Zusammenhang in der Tat – ebenso wie die Migrationsentscheidungen selbst. Sie können von ökologischen aber sehr häufig auch von vielen anderen Faktoren und Motiven wirtschaftlicher, politischer, sozialer, kultureller oder demographischer Natur beeinflusst werden. Vieles deutet darauf hin, dass die immer noch weit verbreitete Annahme eines Automatismus zwischen Klimawandel und Migration – getreu einer Formel „weniger Regen oder mehr Dürren führt zu mehr Migration“ – stark angezweifelt werden muss. Ein solch genereller „Ökodeterminismus“ ist empirisch nicht haltbar. Menschen, die besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden haben, sind vor allem sehr arme Bevölkerungsgruppen in weiten Teilen des globalen Südens. Ihnen fehlen oft die notwendigen Ressourcen um überhaupt migrieren zu können bzw. diese werden durch die Auswirkungen des Klimawandels etwa in Form von Missernten noch zusätzlich erodiert. Nicht selten ist also eine fatale Immobilität statt Mobilität die Folge globaler Erwärmung. Menschliche Migration ist somit nicht unbedingt ein guter Gradmesser dafür, wie stark der Klimawandel und seine Folgen die Menschen in Afrika, Asien oder Lateinamerika treffen.

Gerade auch akute Fluchtsituationen entstehen häufig aus komplexen Gemengelagen heraus. Zwar wird der Begriff des „Klimaflüchtlings“ immer noch gern und häufig benutzt, aber tatsächlich bilden bewaffnete Konflikte weltweit den Hauptfluchtgrund. Umweltfaktoren mögen neben historischen, ethnischen oder politischen Faktoren eine gewisse Rolle beim Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen spielen – den Klimawandel aber als Hauptgrund etwa für den Syrien-Krieg zu bewerten, wie es immer wieder in Medienberichten zumindest angedeutet wird, ist völlig haltlos. Ebenso hängt es bei Naturkatastrophen von verschiedenen Faktoren, wie etwa dem Vorhandensein oder den Kapazitäten des örtlichen Katastrophenschutzes wie auch generell der Leistungsfähigkeit und Legitimität der staatlichen Strukturen, ab, ob es aus einer Katastrophe eine Flucht resultiert oder nicht.

Bei Bemühungen um bessere Lösungen und mehr Schutz von Flüchtlingen und Migranten ist es somit zwar unabdingbar, sich mit der Rolle des Klimawandels für Migrations- und Fluchtprozesse auseinanderzusetzen. Allerdings sind beim Ringen um konkrete politische Maßnahmen Fragen danach, ob bei dieser Flucht oder jener Migration die globale Erwärmung nun der dominante Auslöser war oder nicht, aus den genannten Gründen oft nur schwer zu beantworten. Wir müssen vielmehr auch eine Antwort auf die Frage finden, was mit Menschen ist, deren Fluchtgründe definitiv nichts mit ökologischen Faktoren zu tun haben, diese aber auch nicht von der sehr engen Definition der Genfer Flüchtlingskonvention abgedeckt sind. Die Konvention bezieht sich lediglich auf individuelle oder gruppenspezifische Verfolgung. Auch für „Nicht-Konventionsflüchtlinge“ müssen bessere Lösungen gefunden und von den reichen Industrieländern des globalen Nordens getragen werden. Denn Verantwortung kann man hier nicht nur ableiten aus (historischen) Treibhausgasemissionen. Vielmehr spielen auch koloniale Ausbeutung oder unfairer Welthandel eine Rolle. Diese mögen keine Hauptgründe für Konflikte, Flucht und Migration sein. Sie tragen aber dennoch ihr Scherflein bei.

Quelle: Website DIE, 06.06.2017[:]