Bonner Umwelt Zeitung: Urbane Mobilität fordert uns heraus

Heute stehen wir erst am Beginn eines multimobilen Zeitalters mit an individuellen Wünschen und Bedürfnissen ausgerichteten Mobiliätsangeboten. Die urbane Mobilität ist derzeit noch sehr durch den motorisierten Individualverkehr geprägt. Dieser beansprucht noch sehr viel Fläche in unseren Städten. Neue Verkehrskonzepte sind gefordert, welche die flexible Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel vorsehen und dabei die Umwelt schonen.

Zur Arbeit fahre ich normalerweise mit dem Fahrrad. Auf den Bus steige ich in den wenigsten Fällen um – wie Verletzungen, wichtige (Auswärts-)Termine oder absolut mieses Wetter. Während ich kürzere Strecken zu Fuß gehe, nutze ich für weitere Fahrten den Zug – oder den PKW, denn ab dem dritten Umstieg wird’s unbequem. Doch wir Menschen wechseln immer häufiger das Verkehrsmittel, um ans Ziel zu kommen. Situativ und spontan wird dabei das jeweils bestmögliche ausgewählt: mal das Rad, mal Bus und Bahn, mal das Auto.

Dieses Mobilitätsverhalten, auch multimodale Mobilität genannt, steht für die flexible Nutzung von Verkehrsmitteln. Heute stehen wir erst am Beginn jenes „multimobilen Zeitalters“, wie Wissenschaftler glauben. Zukünftig werden die Anforderungen und Wünsche an die Mobilität, und damit insbesondere an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), steigen, denn möglichst ökonomisch, bequem und nachhaltig will der Mensch sich bewegen.

Heute wird, wie auch in naher Zukunft, der überwiegende Teil der Wegstrecken mit dem PKW zurückgelegt. Zu stark ist die individuelle Fortbewegung noch an die Wahl dieses Verkehrsmittels gebunden. Dieser Trend zeigt sich weltweit: der Kraftfahrzeugbestand hat sich in den vergangenen 50 Jahren vervielfacht; allein im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende stieg er um 35 Prozent an. Dieser Zuwachs an motorisiertem Individualverkehr (MIV) setzte mit Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Seitdem sind Wirtschaft und Gesellschaft immer mobiler geworden und kaum etwas prägt das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts so sehr wie die motorisierte Mobilität.

In vielen Städten, so auch in Bonn, sind die Konsequenzen des hohen Personen- und Güterverkehr auf der Straße zu spüren. Angesichts des dichten Verkehrs hier sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit des Individualverkehrs, insbesondere während der Rush Hour. Auf den Ausfallstraßen wie der B9 oder Reuterstraße, auf den (Stadt-)Autobahnen, im gesamten Innenstadtbereich wie an Verkehrsknotenpunkten und Nadelöhren, bewegen sich die Fahrzeuge spätestens zu den Stoßzeiten unendlich langsam. In der Bonner Innenstadt ist man heute mit dem Fahrrad durchschnittlich schneller unterwegs als mit dem Auto. Fachleute prognostizieren, dass der motorisierte Individualverkehr in Städten abnehmen wird und dort die Wege künftig häufiger mit dem Rad, zu Fuß oder dem öffentlichen Nahverkehr erfolgen werden.

Dazu müssen allerdings die Mobilitätsangebote neu gestaltet und zukunftsweisende Verkehrskonzepte differenzierter weiterentwickelt werden, denn mehr Raum steht in unseren gewachsenen Innenstädten weder für den zunehmenden ruhenden noch für den fließenden Individualverkehr zur Verfügung.

Ob das neue Verkehrskonzept für die Bonner Innenstadt zukunftsweisend ist? Nehmen wir als Beispiel die Neugestaltung des „Verkehrsknotenpunktes Bonner Hauptbahnhof“. Hier wechseln heute täglich mehr als 100.000 Menschen das Verkehrsmittel. Die Verkettung von unterschiedlichen Verkehrsmitteln auf einer Wegstrecke ist übrigens eine Sonderform der multimodalen Mobilität und wird auch als intermodale Mobilität bezeichnet.

Verschiedene Bürgerinitiativen, allen voran das Verkehrsforum Bonner Bürgerinitiativen, kritisieren das aktuelle Konzept. Eine umfassende Verbesserung der gezielten Lenkung von Verkehr und Fußgängern werde mit dem neuen Konzept nicht erreicht. Auf der Straßenebene komme es zu keinerlei Verbesserungen und in der unterirdischen Ebene würden gar gravierende Verschlechterungen eintreten. Weder der Umstieg zwischen Verkehrsmitteln noch der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel wird so gefördert.

Es sind Faktoren wie Zuverlässigkeit, Bequemlichkeit und Schnelligkeit aber auch Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die für den öffentlichen Nahverkehr sprechen. Neue Nutzungsgewohnheiten werden zwar künftig die intermodale Mobilität verstärken („Mobilitätsmix“), der PKW wird aber weiterhin eine vorrangige Stellung einnehmen. Gefragt sind daher Konzepte für die Zukunft der Mobilität in Städten und Ballungsräumen, die Vorrangstellung des PKWs so relativieren, dass der Umweltverbund (Gehen, Radfahren, Bus- und Bahnnutzung) mehr und mehr gern angenommen wird.

Autorin: Daniela Vogt

Quelle: Bonner Umwelt Zeitung Januar/Februar 2017