DIE: Von der Energiekrise zur Energiewende?

(c) Dominic Alves
(c) Dominic Alves

Vierzig Jahre nach der Ölkrise von 1973 ist der Umbau des Energiesystems auch in Deutschland ein viel diskutiertes Thema. Diese Krise, lähmend und aufrüttelnd zugleich, barg eine Chance auf Veränderung. Wie die Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 bot sie der Öffentlichkeit und politischen Entscheidungsträgern eine seltene Gelegenheit, aufeinander zuzugehen, um gemeinsam einen Ausweg zu finden. Aus heutiger Sicht kann die Ölkrise von 1973 als Wendepunkt in der Energiepolitik verstanden werden.

Vor allem in den vom Ölembargo betroffenen Ländern hatte die Krise konkrete finanzielle Auswirkungen auf alle Ebenen der Gesellschaft. So explodierten die Preise an den Zapfsäulen, als die Ölförderländer des Nahen Ostens am 16. Oktober 1973 die erste von mehreren Fördersenkungen und Preiserhöhungen verkündeten.

Direkt nach der Krise suchten Politiker und das Wahlvolk gleichermaßen fieberhaft nach einer Möglichkeit, Energiesicherheit zu schaffen. Denn die tiefer liegenden politischen und ökonomischen Bedingungen, die die Unruhe noch verstärkten, waren nicht nur vorübergehender Natur – Entwarnung konnte nicht gegeben werden.

Unter dem Druck hoher Benzinpreise und einer unsicheren Versorgungslage forderte die Öffentlichkeit energiewirtschaftliche Unabhängigkeit durch eine Steigerung der Energieeffizienz, den Einsatz erneuerbarer Energien und die verstärkte Erkundung fossiler Energieträger innerhalb der eigenen Grenzen oder in dem Westen nahestehenden Ländern. Auf internationaler Ebene führte die Krise 1974 zur Gründung der Internationalen Energieagentur (IEA), die weitere Ölkrisen zu verhindern suchte, indem sie die Ölvorräte ihrer Mitgliedstaaten koordinierte. Auf nationaler Ebene wurden vermehrt Energienormen festgelegt, zum Beispiel der Corporate Average Fuel Economy-Standard (CAFE) in den USA.

Kurzzeitige Änderung oder dauerhafter Wandel?
Die durch die Ölkrise im Jahr 1973 ausgelösten Veränderungen schienen dem im Jahr zuvor veröffentlichten Bericht des Club of Rome Die Grenzen des Wachstums Recht zu geben; und ihr Vermächtnis beeinflusst in vielerlei Hinsicht bis heute die Energiepolitik und -märkte. Die Krise ist mitverantwortlich für die Bildung des Begriffs Energiewende und stieß eine Debatte über eine globale Energiewende an, die mittlerweile mal mehr, mal weniger intensiv von Ländern und Regionen geführt wird.

Vielleicht hätte die Ölkrise eine tiefergreifende Wirkung gehabt, wenn sie länger gedauert hätte. Nach weniger als einem Jahr begann die Wirkung des Ölpreisschocks in manchen Ländern nachzulassen und damit auch der Druck, sich um alternative Energieträger, Energieeffizienz und Energieeinsparungen bemühen zu müssen. Daher sind die Fortschritte in den Bereichen, die in der Zeit nach der Krise als vorrangig erklärt worden waren, unterschiedlich groß. Einige Politiken haben vor allem Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben. Der Schwerpunkt anderer liegt mehr auf der Förderung fossiler Energieträger oder einer stärkeren außenpolitischen Gewichtung Erdöl exportierender Länder.

Besonders hart traf die Ölkrise Entwicklungsländer und deren wirtschaftliche Entwicklung. Die unmittelbaren Auswirkungen wurden durch Kreditvereinbarungen abgemildert, die als „Petro-Dollar-Recycling“ bezeichnet werden: Die Ölimporte von Entwicklungsländern werden mit den Einnahmeüberschüssen exportierender Länder finanziert. Heute gelten der Zugang zu modernen Energieformen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien als Säulen der Initiative Sustainable Energy for All (Nachhaltige Energie für alle). Immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer legen Energieeffizienznormen und -ziele fest und verabschieden nationale Energieeffizienz-Aktionspläne.
Krise und Wandel
Der technische Fortschritt, dessen Initialzündung die Ölkrise von 1973 war, hat die Kosten-Nutzen-Abwägung zugunsten von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien schrittweise verbessert. Was technische und nicht-technische Hürden für die praktische Umsetzung betrifft, ist der Weg allerdings noch weit.

Vielfach gilt Energieeffizienz, verglichen mit erneuerbaren Energien, als „tief hängende Frucht“ – eine Fehlbezeichnung: Einerseits weiß der Bauer, dass tief hängende Früchte zwar leicht zu pflücken, jedoch erst später erntereif sind. Energieeffizienz dagegen ist jetzt reif für die Ernte, vor allem aufgrund des technischen Fortschritts, den Forschungs- und Entwicklungsprogramme im Gefolge der Energiekrise bewirkt haben.

Andererseits ist Energieeffizienz, anders als tief hängende Früchte, nicht immer leicht zu erreichen. Marktversagen und psychologische Barrieren behindern die Verwirklichung. Weltweit subventioniert die Politik die Produktion und den Verbrauch fossiler Energieträger und erstickt damit Preissignale im Keim, die Energieeffizienz reizvoll machen würden.

Noch immer verbinden viele Energieeffizienz mit Energiesicherheit, wie dies 1973 in Reaktion auf die Ölkrise der Fall war. Der ständig steigende Energieverbrauch macht aus Energieeffizienz ein „Ganzjahresinstrument“ für Energiesicherheit. Gleichzeitig bietet sie eine Fülle wirtschaftlicher Chancen. Doch ohne den Druck, den der Preisschock erzeugte, verstreichen viele ungenutzt.

Der Wandel, der mit dem Höhepunkt der Krise 1973 seinen Anfang nahm, ist seither der Energiepreisentwicklung gefolgt. Der Druck, energieeffizient zu wirtschaften und alternative Energiequellen zu erschließen, steigt und fällt weitgehend parallel dazu. Dieses Auf und Ab schafft einen für eine kohlenstoffarme Entwicklung äußerst unsicheren Markt und bedeutet ein Risiko für potenzielle Investoren und Verbraucher.

Die Ölkrise hat sich nachhaltig auf energiewirtschaftliche Innovationen ausgewirkt und den Grundstein für die Energiewende gelegt, die indes nur ungleichmäßig vorankommt. In eher stabilen Zeiten geraten die Probleme, die mit der Schaffung von Energiesicherheit einhergehen, in Vergessenheit. Doch die Notwendigkeit, eine konstante Energiewende zu etablieren, bleibt bestehen, auch wenn sie ohne eine Krise weniger dringlich erscheint. Heute wie vor 40 Jahren ist es nur mit Energieeffizienz und Energieeinsparungen möglich, Widerstandskraft zu entwickeln und sich für die nächste Krise zu wappnen – wann auch immer sie kommen mag.

Autor: Aurelia Figueroa, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)  

(c) Dominic Alves
(c) Dominic Alves

Vierzig Jahre nach der Ölkrise von 1973 ist der Umbau des Energiesystems auch in Deutschland ein viel diskutiertes Thema. Diese Krise, lähmend und aufrüttelnd zugleich, barg eine Chance auf Veränderung. Wie die Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 bot sie der Öffentlichkeit und politischen Entscheidungsträgern eine seltene Gelegenheit, aufeinander zuzugehen, um gemeinsam einen Ausweg zu finden. Aus heutiger Sicht kann die Ölkrise von 1973 als Wendepunkt in der Energiepolitik verstanden werden.

Vor allem in den vom Ölembargo betroffenen Ländern hatte die Krise konkrete finanzielle Auswirkungen auf alle Ebenen der Gesellschaft. So explodierten die Preise an den Zapfsäulen, als die Ölförderländer des Nahen Ostens am 16. Oktober 1973 die erste von mehreren Fördersenkungen und Preiserhöhungen verkündeten.

Direkt nach der Krise suchten Politiker und das Wahlvolk gleichermaßen fieberhaft nach einer Möglichkeit, Energiesicherheit zu schaffen. Denn die tiefer liegenden politischen und ökonomischen Bedingungen, die die Unruhe noch verstärkten, waren nicht nur vorübergehender Natur – Entwarnung konnte nicht gegeben werden.

Unter dem Druck hoher Benzinpreise und einer unsicheren Versorgungslage forderte die Öffentlichkeit energiewirtschaftliche Unabhängigkeit durch eine Steigerung der Energieeffizienz, den Einsatz erneuerbarer Energien und die verstärkte Erkundung fossiler Energieträger innerhalb der eigenen Grenzen oder in dem Westen nahestehenden Ländern. Auf internationaler Ebene führte die Krise 1974 zur Gründung der Internationalen Energieagentur (IEA), die weitere Ölkrisen zu verhindern suchte, indem sie die Ölvorräte ihrer Mitgliedstaaten koordinierte. Auf nationaler Ebene wurden vermehrt Energienormen festgelegt, zum Beispiel der Corporate Average Fuel Economy-Standard (CAFE) in den USA.

Kurzzeitige Änderung oder dauerhafter Wandel?
Die durch die Ölkrise im Jahr 1973 ausgelösten Veränderungen schienen dem im Jahr zuvor veröffentlichten Bericht des Club of Rome Die Grenzen des Wachstums Recht zu geben; und ihr Vermächtnis beeinflusst in vielerlei Hinsicht bis heute die Energiepolitik und -märkte. Die Krise ist mitverantwortlich für die Bildung des Begriffs Energiewende und stieß eine Debatte über eine globale Energiewende an, die mittlerweile mal mehr, mal weniger intensiv von Ländern und Regionen geführt wird.

Vielleicht hätte die Ölkrise eine tiefergreifende Wirkung gehabt, wenn sie länger gedauert hätte. Nach weniger als einem Jahr begann die Wirkung des Ölpreisschocks in manchen Ländern nachzulassen und damit auch der Druck, sich um alternative Energieträger, Energieeffizienz und Energieeinsparungen bemühen zu müssen. Daher sind die Fortschritte in den Bereichen, die in der Zeit nach der Krise als vorrangig erklärt worden waren, unterschiedlich groß. Einige Politiken haben vor allem Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben. Der Schwerpunkt anderer liegt mehr auf der Förderung fossiler Energieträger oder einer stärkeren außenpolitischen Gewichtung Erdöl exportierender Länder.

Besonders hart traf die Ölkrise Entwicklungsländer und deren wirtschaftliche Entwicklung. Die unmittelbaren Auswirkungen wurden durch Kreditvereinbarungen abgemildert, die als „Petro-Dollar-Recycling“ bezeichnet werden: Die Ölimporte von Entwicklungsländern werden mit den Einnahmeüberschüssen exportierender Länder finanziert. Heute gelten der Zugang zu modernen Energieformen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien als Säulen der Initiative Sustainable Energy for All (Nachhaltige Energie für alle). Immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer legen Energieeffizienznormen und -ziele fest und verabschieden nationale Energieeffizienz-Aktionspläne.
Krise und Wandel
Der technische Fortschritt, dessen Initialzündung die Ölkrise von 1973 war, hat die Kosten-Nutzen-Abwägung zugunsten von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien schrittweise verbessert. Was technische und nicht-technische Hürden für die praktische Umsetzung betrifft, ist der Weg allerdings noch weit.

Vielfach gilt Energieeffizienz, verglichen mit erneuerbaren Energien, als „tief hängende Frucht“ – eine Fehlbezeichnung: Einerseits weiß der Bauer, dass tief hängende Früchte zwar leicht zu pflücken, jedoch erst später erntereif sind. Energieeffizienz dagegen ist jetzt reif für die Ernte, vor allem aufgrund des technischen Fortschritts, den Forschungs- und Entwicklungsprogramme im Gefolge der Energiekrise bewirkt haben.

Andererseits ist Energieeffizienz, anders als tief hängende Früchte, nicht immer leicht zu erreichen. Marktversagen und psychologische Barrieren behindern die Verwirklichung. Weltweit subventioniert die Politik die Produktion und den Verbrauch fossiler Energieträger und erstickt damit Preissignale im Keim, die Energieeffizienz reizvoll machen würden.

Noch immer verbinden viele Energieeffizienz mit Energiesicherheit, wie dies 1973 in Reaktion auf die Ölkrise der Fall war. Der ständig steigende Energieverbrauch macht aus Energieeffizienz ein „Ganzjahresinstrument“ für Energiesicherheit. Gleichzeitig bietet sie eine Fülle wirtschaftlicher Chancen. Doch ohne den Druck, den der Preisschock erzeugte, verstreichen viele ungenutzt.

Der Wandel, der mit dem Höhepunkt der Krise 1973 seinen Anfang nahm, ist seither der Energiepreisentwicklung gefolgt. Der Druck, energieeffizient zu wirtschaften und alternative Energiequellen zu erschließen, steigt und fällt weitgehend parallel dazu. Dieses Auf und Ab schafft einen für eine kohlenstoffarme Entwicklung äußerst unsicheren Markt und bedeutet ein Risiko für potenzielle Investoren und Verbraucher.

Die Ölkrise hat sich nachhaltig auf energiewirtschaftliche Innovationen ausgewirkt und den Grundstein für die Energiewende gelegt, die indes nur ungleichmäßig vorankommt. In eher stabilen Zeiten geraten die Probleme, die mit der Schaffung von Energiesicherheit einhergehen, in Vergessenheit. Doch die Notwendigkeit, eine konstante Energiewende zu etablieren, bleibt bestehen, auch wenn sie ohne eine Krise weniger dringlich erscheint. Heute wie vor 40 Jahren ist es nur mit Energieeffizienz und Energieeinsparungen möglich, Widerstandskraft zu entwickeln und sich für die nächste Krise zu wappnen – wann auch immer sie kommen mag.

Autor: Aurelia Figueroa, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)