DIE: Kolumne "Deutschland braucht eine Energiewende-Außenpolitik"

Die Bundesregierung bezeichnet die Energiewende zu Recht als großes Reformprojekt, das das Gesicht der deutschen Wirtschaft fundamental verändern wird. In der innenpolitischen Debatte zur Energiewende geht es um kurz- und langfristige Kosten, dezentrale oder großtechnische grüne Energieinfrastrukturen, Energieeffizienzinvestitionen, die Vernetzung von Energie- und Informationstechnologien, Zusammenhänge zwischen Mobilitäts- sowie Stadtentwicklungskonzepten und erneuerbaren Energieinfrastrukturen, lokale und nationale Planungsprozesse, neue institutionelle Designs für erneuerbare Energiemärkte, veränderte Mittelallokation in der Energieforschung, Bürgerbeteiligung sowie energieeffiziente Lebensstile. Nach und nach wird klar, dass die Energiewende mehr bedeutet als das Aufstellen von Windrädern und die Installation von Sonnenkollektoren. Die deutsche Energiewende stellt das derzeit weltweit ambitionierteste Projekt zur Transformation einer fossil und nuklear basierten Hochleistungsökonomie in eine klimaverträgliche Wirtschaft dar. Ob die Energiewende in Deutschland gelingt oder scheitert, könnte für den Kampf gegen die globale Erwärmung von größerer Bedeutung sein als die Endlosschleifen der blockierten Klimaverhandlungen.

Nun wird es Zeit, dass die Energiewende endlich zu einem Top-Thema der deutschen Außenbeziehungen wird. Denn Deutschland braucht Partner, um die Kosten der Energiewende zu senken und deren Klimaschutzwirkungen international zu multiplizieren. Von der Öffentlichkeit wird übersehen, dass die deutsche Energiewende längst weltweit „beobachtet“ wird. Die Neuausrichtung der Energiepolitik stellt für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft einen unverhofften internationalen Aufmerksamkeitsvorteil dar, der in Verbindung mit der derzeitigen Stärke der deutschen Ökonomie zu einem Reputations- und Wettbewerbsvorteil werden könnte. Übersetzt in die Sprache der Außenpolitikexperten heißt dies: die Energiewende könnte Deutschland zu einem signifikanten Zuwachs an außenpolitischer „Soft Power“ verhelfen. Nur wenige Ökonomien – wie China, Brasilien, mit Abstrichen Indien – finden in den internationalen Debatten zur Zukunft der Weltwirtschaft nach der aktuellen Weltfinanzmarktkrise aufgrund ihrer wirtschaftlichen Dynamik und aktiver Innovationsstrategien eine ähnliche Aufmerksamkeit wie Deutschland. Deutschland gehört mit seiner Energiewende zu den „Laboren der Zukunft“.

Die Energiewende erlaubt es, die umwelt- und klimapolitische Reputation des Landes zu nutzen und diese auf „grüne Innovationen“, Energietransformation und klimaverträgliche Entwicklung zu erweitern. Zugleich kann Deutschland an Stärken anknüpfen, die der Wirtschaft und Gesellschaft traditionell zugeschrieben werden: Ingenieurskunst, verlässliche Technologieentwicklung, Innovationskraft der vielen deutschen Weltmarktführer, die wachen umweltpolitischen Bewegungen, deren Argumente längst auch von vielen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern aufgenommen werden. In der internationalen Diskussion zur Energiewende findet sich auch immer wieder das Argument, dass Deutschland in den vergangenen Dekaden gezeigt habe, dass es zur Umsetzung anspruchsvoller und langfristiger Ziele in der Lage ist. Verwiesen wird auf das „deutsche Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg und die Wiedervereinigung. Deutschland wird zugetraut, Lösungen für eines der zentralen Weltprobleme zu entwickeln: einem Wachstumsmuster, von dem jeder weiß, dass es direkt in die Klimakrise führt. Dieses Momentum sollte die deutsche Außenpolitik nutzen. Das Bild eines „grünen Innovationsmotors“ in der Weltwirtschaft könnte auch helfen, die durchaus weit verbreitete Beschreibung von Deutschland als dem „unbarmherzigen Sparkommissar Europas“ zu relativieren.

Die internationale Wahrnehmung der Energiewende fällt differenziert aus: In China, dem Land mit den derzeit höchsten Investitionen in klimaverträgliche Infrastrukturen, sind viele Beobachter von der technologischen Vision der Energiewende fasziniert. Deutschland gilt als härtester Wettbewerber um grüne Zukunftsmärkte und Pionier einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung, die zugleich die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.

In den USA existieren drei Sichtweisen zur deutschen Energiewende: die Energiewende als „grünes Hirngespinst“ mit fatalen wirtschaftlichen Folgen; die deutsche Energiewende als Prozess, in dem die Kosten erneuerbarer Energieerzeugung sukzessive gesenkt werden und Deutschland hohe Risiken als Innovationspionier schultert, während die USA sich der grünen Energietransformation erst in einer späteren Phase anschließen sollte, um eben diese Übergangskosten zu vermeiden; die Energiewende als weitsichtige Innovationsstrategie mit großer internationaler Ausstrahlung. Präsident Obama artikulierte während des Wahlkampfes die dritte Sichtweise: „Wir sollten die grünen Innovationen nicht China und Deutschland überlassen.“

In Indien und anderen Entwicklungsländern werden erneuerbare Energien oft noch immer als Nischentechnologien wahrgenommen. Doch auch hier ist das Interesse an der deutschen Energiewende groß. Wenn die Energiewende in einer starken Wirtschaftsnation wie Deutschland gelingt, dürfte sie schnell viele Nachahmer finden. Großes Interesse weckt die Energiewende derzeit bei der Weltbank, deren neuer Präsident Jim Y. Kim Investitionen in klimaverträgliche Entwicklung signifikant steigern möchte.

Die deutsche Energiewende wird oft mit der „Mondmission“ verglichen, die Präsident Kennedy 1961 verkündete. Viele Beobachter werden sich erinnern, mit welchem Aufwand die USA ihren „Aufbruch in ein neues Technologiezeitalter“ in ihrer Außenpolitik verankerten. Deutsche Ministerien sind bereits vielfältig, allerdings oft kleinteilig und wenig koordiniert in internationalen Initiativen zur „grünen Energietransformation“ engagiert. Die Energiewende ist noch kein „großes Leuchtturmprojekt“ der deutschen Außenbeziehungen. Nun muss es um eine klare und weltweit unüberhörbare Kommunikationsstrategie zur Energiewende gehen sowie um die Bündelung und strategische Ausrichtung der Aktivitäten des Entwicklungs-, des Umwelt-, des Wissenschafts-, des Wirtschafts-, des Außenministeriums und des Kanzleramtes. Nur so können transformative internationale Partnerschaften für klimaverträgliche Entwicklung entstehen. Dabei sollte die Regierung nicht nur auf Länder zugehen, die schon von der Energiewende überzeugt sind, sondern auch auf „Skeptiker“ und „Neugierige“ – dies gilt nicht zuletzt für die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern. Auch in Deutschland galt ein Übergang zu einem grünen Energiesystem bis vor „Fukushima“ als Projekt mit geringen Realisierungschancen.

Ziel der deutschen Außenbeziehungen sollte es sein, mit starken Partnern einen attraktiven „Club of Low Carbon Pioneers“ aufzubauen, der dazu beitragen würde, den Übergang zu einer klimaverträglichen Weltwirtschaft zu beschleunigen. Dessen Mitglieder sollten ambitionierte Kooperationen eingehen, die wechselseitige Vorteile versprechen: z. B. durch die Verbindung von Emissionshandelssystemen, durch gemeinsame Forschungsprogramme zur Energieeffizienz oder die länderübergreifende Ausbildung von low carbon-Architekten, -Ingenieuren, -Verkehrsexperten und low carbon-Ökonomen. Für den „Low Carbon Club“ bedarf es einer klaren Strategie: Welche Länder sollten Mitglied sein? Welche Vorteile sollen aufgebaut und welche Ziele erreicht werden? Wie offen ist der Club? Eine wirkungsvolle Energiewende-Außenpolitik braucht viele Mitspieler, aber auch ein klares Kraftzentrum. Nach Lage der Dinge muss dieses Kraftzentrum im Auswärtigen Amt oder im Kanzleramt liegen.

Von Dirk Messner, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und Jennifer Morgan, World Resources Institute

KolumneDie Bundesregierung bezeichnet die Energiewende zu Recht als großes Reformprojekt, das das Gesicht der deutschen Wirtschaft fundamental verändern wird. In der innenpolitischen Debatte zur Energiewende geht es um kurz- und langfristige Kosten, dezentrale oder großtechnische grüne Energieinfrastrukturen, Energieeffizienzinvestitionen, die Vernetzung von Energie- und Informationstechnologien, Zusammenhänge zwischen Mobilitäts- sowie Stadtentwicklungskonzepten und erneuerbaren Energieinfrastrukturen, lokale und nationale Planungsprozesse, neue institutionelle Designs für erneuerbare Energiemärkte, veränderte Mittelallokation in der Energieforschung, Bürgerbeteiligung sowie energieeffiziente Lebensstile. Nach und nach wird klar, dass die Energiewende mehr bedeutet als das Aufstellen von Windrädern und die Installation von Sonnenkollektoren. Die deutsche Energiewende stellt das derzeit weltweit ambitionierteste Projekt zur Transformation einer fossil und nuklear basierten Hochleistungsökonomie in eine klimaverträgliche Wirtschaft dar. Ob die Energiewende in Deutschland gelingt oder scheitert, könnte für den Kampf gegen die globale Erwärmung von größerer Bedeutung sein als die Endlosschleifen der blockierten Klimaverhandlungen.

Nun wird es Zeit, dass die Energiewende endlich zu einem Top-Thema der deutschen Außenbeziehungen wird. Denn Deutschland braucht Partner, um die Kosten der Energiewende zu senken und deren Klimaschutzwirkungen international zu multiplizieren. Von der Öffentlichkeit wird übersehen, dass die deutsche Energiewende längst weltweit „beobachtet“ wird. Die Neuausrichtung der Energiepolitik stellt für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft einen unverhofften internationalen Aufmerksamkeitsvorteil dar, der in Verbindung mit der derzeitigen Stärke der deutschen Ökonomie zu einem Reputations- und Wettbewerbsvorteil werden könnte. Übersetzt in die Sprache der Außenpolitikexperten heißt dies: die Energiewende könnte Deutschland zu einem signifikanten Zuwachs an außenpolitischer „Soft Power“ verhelfen. Nur wenige Ökonomien – wie China, Brasilien, mit Abstrichen Indien – finden in den internationalen Debatten zur Zukunft der Weltwirtschaft nach der aktuellen Weltfinanzmarktkrise aufgrund ihrer wirtschaftlichen Dynamik und aktiver Innovationsstrategien eine ähnliche Aufmerksamkeit wie Deutschland. Deutschland gehört mit seiner Energiewende zu den „Laboren der Zukunft“.

Die Energiewende erlaubt es, die umwelt- und klimapolitische Reputation des Landes zu nutzen und diese auf „grüne Innovationen“, Energietransformation und klimaverträgliche Entwicklung zu erweitern. Zugleich kann Deutschland an Stärken anknüpfen, die der Wirtschaft und Gesellschaft traditionell zugeschrieben werden: Ingenieurskunst, verlässliche Technologieentwicklung, Innovationskraft der vielen deutschen Weltmarktführer, die wachen umweltpolitischen Bewegungen, deren Argumente längst auch von vielen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern aufgenommen werden. In der internationalen Diskussion zur Energiewende findet sich auch immer wieder das Argument, dass Deutschland in den vergangenen Dekaden gezeigt habe, dass es zur Umsetzung anspruchsvoller und langfristiger Ziele in der Lage ist. Verwiesen wird auf das „deutsche Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg und die Wiedervereinigung. Deutschland wird zugetraut, Lösungen für eines der zentralen Weltprobleme zu entwickeln: einem Wachstumsmuster, von dem jeder weiß, dass es direkt in die Klimakrise führt. Dieses Momentum sollte die deutsche Außenpolitik nutzen. Das Bild eines „grünen Innovationsmotors“ in der Weltwirtschaft könnte auch helfen, die durchaus weit verbreitete Beschreibung von Deutschland als dem „unbarmherzigen Sparkommissar Europas“ zu relativieren.

Die internationale Wahrnehmung der Energiewende fällt differenziert aus: In China, dem Land mit den derzeit höchsten Investitionen in klimaverträgliche Infrastrukturen, sind viele Beobachter von der technologischen Vision der Energiewende fasziniert. Deutschland gilt als härtester Wettbewerber um grüne Zukunftsmärkte und Pionier einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung, die zugleich die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.

In den USA existieren drei Sichtweisen zur deutschen Energiewende: die Energiewende als „grünes Hirngespinst“ mit fatalen wirtschaftlichen Folgen; die deutsche Energiewende als Prozess, in dem die Kosten erneuerbarer Energieerzeugung sukzessive gesenkt werden und Deutschland hohe Risiken als Innovationspionier schultert, während die USA sich der grünen Energietransformation erst in einer späteren Phase anschließen sollte, um eben diese Übergangskosten zu vermeiden; die Energiewende als weitsichtige Innovationsstrategie mit großer internationaler Ausstrahlung. Präsident Obama artikulierte während des Wahlkampfes die dritte Sichtweise: „Wir sollten die grünen Innovationen nicht China und Deutschland überlassen.“

In Indien und anderen Entwicklungsländern werden erneuerbare Energien oft noch immer als Nischentechnologien wahrgenommen. Doch auch hier ist das Interesse an der deutschen Energiewende groß. Wenn die Energiewende in einer starken Wirtschaftsnation wie Deutschland gelingt, dürfte sie schnell viele Nachahmer finden. Großes Interesse weckt die Energiewende derzeit bei der Weltbank, deren neuer Präsident Jim Y. Kim Investitionen in klimaverträgliche Entwicklung signifikant steigern möchte.

Die deutsche Energiewende wird oft mit der „Mondmission“ verglichen, die Präsident Kennedy 1961 verkündete. Viele Beobachter werden sich erinnern, mit welchem Aufwand die USA ihren „Aufbruch in ein neues Technologiezeitalter“ in ihrer Außenpolitik verankerten. Deutsche Ministerien sind bereits vielfältig, allerdings oft kleinteilig und wenig koordiniert in internationalen Initiativen zur „grünen Energietransformation“ engagiert. Die Energiewende ist noch kein „großes Leuchtturmprojekt“ der deutschen Außenbeziehungen. Nun muss es um eine klare und weltweit unüberhörbare Kommunikationsstrategie zur Energiewende gehen sowie um die Bündelung und strategische Ausrichtung der Aktivitäten des Entwicklungs-, des Umwelt-, des Wissenschafts-, des Wirtschafts-, des Außenministeriums und des Kanzleramtes. Nur so können transformative internationale Partnerschaften für klimaverträgliche Entwicklung entstehen. Dabei sollte die Regierung nicht nur auf Länder zugehen, die schon von der Energiewende überzeugt sind, sondern auch auf „Skeptiker“ und „Neugierige“ – dies gilt nicht zuletzt für die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern. Auch in Deutschland galt ein Übergang zu einem grünen Energiesystem bis vor „Fukushima“ als Projekt mit geringen Realisierungschancen.

Ziel der deutschen Außenbeziehungen sollte es sein, mit starken Partnern einen attraktiven „Club of Low Carbon Pioneers“ aufzubauen, der dazu beitragen würde, den Übergang zu einer klimaverträglichen Weltwirtschaft zu beschleunigen. Dessen Mitglieder sollten ambitionierte Kooperationen eingehen, die wechselseitige Vorteile versprechen: z. B. durch die Verbindung von Emissionshandelssystemen, durch gemeinsame Forschungsprogramme zur Energieeffizienz oder die länderübergreifende Ausbildung von low carbon-Architekten, -Ingenieuren, -Verkehrsexperten und low carbon-Ökonomen. Für den „Low Carbon Club“ bedarf es einer klaren Strategie: Welche Länder sollten Mitglied sein? Welche Vorteile sollen aufgebaut und welche Ziele erreicht werden? Wie offen ist der Club? Eine wirkungsvolle Energiewende-Außenpolitik braucht viele Mitspieler, aber auch ein klares Kraftzentrum. Nach Lage der Dinge muss dieses Kraftzentrum im Auswärtigen Amt oder im Kanzleramt liegen.

Von Dirk Messner, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und Jennifer Morgan, World Resources Institute

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