DIE: Von Genf nach Kopenhagen – Was hat die Welthandelskonferenz mit der Weltklimakonferenz zu tun?

Alle Welt blickt nach Kopenhagen, während vor zwei Wochen kaum etwas aus Genf zu hören war, wo immerhin die 7. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) stattfand (vgl. Die aktuelle Kolumne von Clara Brandi vom 07.12.2009). Wird also die Handelspolitik von der Klimapolitik überholt, vielleicht sogar ganz abgelöst, wie sich manche Umweltaktivisten schon „klammheimlich“ freuen? Gemessen an der Aufmerksamkeit der Medien ist dies offenbar der Fall, und die Finanz- und Weltwirtschaftskrise scheint den notorischen Globalisierungskritikern Recht zu geben. Wenn schon Regierungschefs und Zentralbanker an der Gründungsidee von ATTAC, einer (Tobin-)Steuer auf internationale Finanztransaktionen, Gefallen finden, was spricht dann noch gegen grünen Protektionismus zum Schutz des Weltklimas? Oder muss gar der Kapitalismus insgesamt dran glauben, der uns mit seinem Wachstumszwang die Misere überhaupt eingebrockt hat? (Vgl. Die aktuelle Kolumne von Lars Schmidt und Pierre Ibisch vom 30.11.2009).

Nach der Finanzkrise von 2008 zeichnet sich ein weltweiter Konsens ab, dass der Finanzsektor effektiver reguliert, wenn nicht gar zurückgestutzt gehört, damit es nicht zu neuen Finanzkrisen mit womöglich noch dramatischeren Folgen für die Realwirtschaft und die Arbeitsplätze kommt. Da die Banken die Chancen der Globalisierung nicht nur für gesellschaftlich nützliche Finanztransfers nutzen, sondern auch für Steuerflucht und Geldwäsche, sollten vor allem auch internationale Transaktionen effektiver kontrolliert und sogar besteuert werden. Doch während die Finanzkrise eine Einschränkung der internationalen Bewegungsfreiheit der Finanzwirtschaft verlangt, wäre zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise genau umgekehrt eine Befreiung der Realwirtschaft aus der Kreditklemme und bei ihren internationalen Geschäften vonnöten.

Die Erfahrungen der 1930er Jahre zeigen bekanntlich, dass die damalige Finanzkrise durch den Versuch aller Länder, die Krisenfolgen durch immer höhere Zölle und Währungsabwertungen von sich auf andere abzuwälzen, schließlich im völligen Zusammenbruch des Welthandels und einer anhaltenden Depression endete. Sie führte über die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland und die Machtergreifung der Nationalsozialisten letzten Endes zum Zweiten Weltkrieg, und der Rüstungswettlauf wirkte neben wie ein international abgestimmtes Konjunkturprogramm, das die Weltwirtschaftskrise erst richtig beendete. Nach dem Krieg sollte ein Rückfall in Handels- und Währungskriege vermieden werden. Zu diesem Zweck wurden 1944 in Bretton Woods ein Internationaler Währungsfonds (IWF) sowie eine Weltbank gegründet und die ersten Schritte zu einem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) getan.

Bei aller Kritik an den vielen Unzulänglichkeiten und der asymmetrischen Machtverteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, hat sich die Nachkriegsweltwirtschaftsordnung doch in allen bisherigen Krisen bewährt und eine erneute Depression verhindert. Allerdings lassen sich in den heutigen Krisenabwehrmaßnahmen vieler Regierungen mehr oder weniger versteckte protektionistische Tendenzen erkennen. Daher sollten die Regierungen der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) endlich ihre wiederholten Ankündigungen wahr machen und die Doha-Entwicklungsrunde rasch zum Abschluss bringen. Damit würde die WTO als Bollwerk gegen Protektionismus und nationalistische Wirtschaftspolitik gestärkt. Danach könnten endlich aktuelle Themen wie „Handel und Klimawandel“ im Rahmen der WTO bearbeitet werden.

Der Zusammenhang von Welthandel und Klimawandel lässt sich unter den beiden – Klimapolitikern wohl vertrauten – Gesichtspunkten Adaptation und Mitigation aufschlüsseln. Es geht um die Doppelfrage, welche Rolle der Welthandel bei der Anpassung (Adaptation) an die Folgen eines nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandels spielen kann und inwieweit die Handelspolitik als Instrument zur Vorbeugung bzw. Abwehr des Klimawandels (Mitigation) eingesetzt werden kann.

Hier sei zum Thema Adaptation nur angedeutet, dass der Klimawandel aller Voraussicht nach die Landwirtschaft der ärmeren Entwicklungsländer in den tropischen Regionen am stärksten beeinträchtigen wird. Damit werden ausgerechnet diejenigen Länder am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Gleichzeitig werden sich die Bedingungen für die Landwirtschaft in anderen Weltregionen, vor allem in den nördlichen Breiten, durch die Erderwärmung erst einmal verbessern. Der Ausgleich zwischen den Überschuss- und den Hungerländern kann nur durch internationalen Handel hergestellt werden.

Außerdem muss den betroffenen Entwicklungsländern mehr technische und finanzielle Unterstützung gewährt werden, damit sie die Folgen des Klimawandels bewältigen und so weit wie möglich die Ernährung ihrer Bevölkerungen aus eigener Kraft sichern können. Der Handelspolitik im Rahmen der WTO kommt dabei eine flankierende Rolle zu, indem der lange überfällige Abbau der Agrarsubventionen in den OECD-Ländern, vor allem auch der Exportsubventionen, allererst die Voraussetzungen dafür schaffen wird, dass sich die Landwirtschaft in den ärmeren Entwicklungsländern gegen die Wettbewerbsverzerrungen auf den Weltmärkten behaupten kann.

Handelspolitik als Instrument der Klimapolitik (Mitigation) dürfte ein Thema für das nächste Klimarahmenabkommen werden und wird auch in der WTO weiter ausbuchstabiert werden müssen. Hier sei nur angedeutet, daß Art. XX, GATT, eine Tür dafür öffnet, Handelsmaßnahmen für den Klimaschutz einzusetzen. So werden bereits Grenzausgleichsmaßnahmen gefordert, um den Wettbewerbsnachteil von Industrien im eigenen Land auszugleichen, die mit höheren Investitionen und laufenden Kosten für gesetzlich vorgeschriebene Klimaschutzmaßnahmen belastet werden, während ihre Konkurrenten in anderen Ländern ohne vergleichbare Belastungen produzieren können, weil ihre Regierungen, aus welchen Gründen auch immer, in der Klimapolitik nicht mitziehen. Dieses Instrument sollte aber nur als letzte Waffe ergriffen werden, wenn wirklich alle internationalen Vereinbarungen und sogar finanzielle und technische Hilfsangebote zur Modernisierung von Industrien und Haushalten eines klimapolitisch rückständigen Landes keinen Erfolg gezeitigt haben. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass das in Kopenhagen spürbare kooperative Klima zu einem klimapolitisch wirksamen Ergebnis führt und zugleich auf die steckengebliebenen WTO-Verhandlungen zurückstrahlt, so daß es endlich zu einem erfolgreichen Abschluss der Runde kommt und anschließend die drängenden Probleme an der Schnittstelle von Welthandel und Klimawandel ebenfalls kooperativ angegangen werden können.


Quelle:
http://www.die-gdi.de/CMS-Homepage/openwebcms3.nsf/%28ynDK_contentByKey%29/MRUR-7YMBFN?Open&nav=expand%3APresse\Die%20aktuelle%20Kolumne\Zusatzdokumente%3Bactive%3APresse\Die%20aktuelle%20Kolumne\Zusatzdokumente\MRUR-7YMBFN
Am 18.01.2010 wird der Autor in einer weiteren Akutellen Kolumne dem Zusammenhang von Welthandel und Klimawandel im Lichte der Ergebnisse der Kopenhagener UN-Klimakonferenz nachgehen.

Von Dr. Jürgen Wiemann, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH und ehem. Stellv. Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). Alle Welt blickt nach Kopenhagen, während vor zwei Wochen kaum etwas aus Genf zu hören war, wo immerhin die 7. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) stattfand (vgl. Die aktuelle Kolumne von Clara Brandi vom 07.12.2009). Wird also die Handelspolitik von der Klimapolitik überholt, vielleicht sogar ganz abgelöst, wie sich manche Umweltaktivisten schon „klammheimlich“ freuen? Gemessen an der Aufmerksamkeit der Medien ist dies offenbar der Fall, und die Finanz- und Weltwirtschaftskrise scheint den notorischen Globalisierungskritikern Recht zu geben. Wenn schon Regierungschefs und Zentralbanker an der Gründungsidee von ATTAC, einer (Tobin-)Steuer auf internationale Finanztransaktionen, Gefallen finden, was spricht dann noch gegen grünen Protektionismus zum Schutz des Weltklimas? Oder muss gar der Kapitalismus insgesamt dran glauben, der uns mit seinem Wachstumszwang die Misere überhaupt eingebrockt hat? (Vgl. Die aktuelle Kolumne von Lars Schmidt und Pierre Ibisch vom 30.11.2009).

Nach der Finanzkrise von 2008 zeichnet sich ein weltweiter Konsens ab, dass der Finanzsektor effektiver reguliert, wenn nicht gar zurückgestutzt gehört, damit es nicht zu neuen Finanzkrisen mit womöglich noch dramatischeren Folgen für die Realwirtschaft und die Arbeitsplätze kommt. Da die Banken die Chancen der Globalisierung nicht nur für gesellschaftlich nützliche Finanztransfers nutzen, sondern auch für Steuerflucht und Geldwäsche, sollten vor allem auch internationale Transaktionen effektiver kontrolliert und sogar besteuert werden. Doch während die Finanzkrise eine Einschränkung der internationalen Bewegungsfreiheit der Finanzwirtschaft verlangt, wäre zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise genau umgekehrt eine Befreiung der Realwirtschaft aus der Kreditklemme und bei ihren internationalen Geschäften vonnöten.

Die Erfahrungen der 1930er Jahre zeigen bekanntlich, dass die damalige Finanzkrise durch den Versuch aller Länder, die Krisenfolgen durch immer höhere Zölle und Währungsabwertungen von sich auf andere abzuwälzen, schließlich im völligen Zusammenbruch des Welthandels und einer anhaltenden Depression endete. Sie führte über die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland und die Machtergreifung der Nationalsozialisten letzten Endes zum Zweiten Weltkrieg, und der Rüstungswettlauf wirkte neben wie ein international abgestimmtes Konjunkturprogramm, das die Weltwirtschaftskrise erst richtig beendete. Nach dem Krieg sollte ein Rückfall in Handels- und Währungskriege vermieden werden. Zu diesem Zweck wurden 1944 in Bretton Woods ein Internationaler Währungsfonds (IWF) sowie eine Weltbank gegründet und die ersten Schritte zu einem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) getan.

Bei aller Kritik an den vielen Unzulänglichkeiten und der asymmetrischen Machtverteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, hat sich die Nachkriegsweltwirtschaftsordnung doch in allen bisherigen Krisen bewährt und eine erneute Depression verhindert. Allerdings lassen sich in den heutigen Krisenabwehrmaßnahmen vieler Regierungen mehr oder weniger versteckte protektionistische Tendenzen erkennen. Daher sollten die Regierungen der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) endlich ihre wiederholten Ankündigungen wahr machen und die Doha-Entwicklungsrunde rasch zum Abschluss bringen. Damit würde die WTO als Bollwerk gegen Protektionismus und nationalistische Wirtschaftspolitik gestärkt. Danach könnten endlich aktuelle Themen wie „Handel und Klimawandel“ im Rahmen der WTO bearbeitet werden.

Der Zusammenhang von Welthandel und Klimawandel lässt sich unter den beiden – Klimapolitikern wohl vertrauten – Gesichtspunkten Adaptation und Mitigation aufschlüsseln. Es geht um die Doppelfrage, welche Rolle der Welthandel bei der Anpassung (Adaptation) an die Folgen eines nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandels spielen kann und inwieweit die Handelspolitik als Instrument zur Vorbeugung bzw. Abwehr des Klimawandels (Mitigation) eingesetzt werden kann.

Hier sei zum Thema Adaptation nur angedeutet, dass der Klimawandel aller Voraussicht nach die Landwirtschaft der ärmeren Entwicklungsländer in den tropischen Regionen am stärksten beeinträchtigen wird. Damit werden ausgerechnet diejenigen Länder am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Gleichzeitig werden sich die Bedingungen für die Landwirtschaft in anderen Weltregionen, vor allem in den nördlichen Breiten, durch die Erderwärmung erst einmal verbessern. Der Ausgleich zwischen den Überschuss- und den Hungerländern kann nur durch internationalen Handel hergestellt werden.

Außerdem muss den betroffenen Entwicklungsländern mehr technische und finanzielle Unterstützung gewährt werden, damit sie die Folgen des Klimawandels bewältigen und so weit wie möglich die Ernährung ihrer Bevölkerungen aus eigener Kraft sichern können. Der Handelspolitik im Rahmen der WTO kommt dabei eine flankierende Rolle zu, indem der lange überfällige Abbau der Agrarsubventionen in den OECD-Ländern, vor allem auch der Exportsubventionen, allererst die Voraussetzungen dafür schaffen wird, dass sich die Landwirtschaft in den ärmeren Entwicklungsländern gegen die Wettbewerbsverzerrungen auf den Weltmärkten behaupten kann.

Handelspolitik als Instrument der Klimapolitik (Mitigation) dürfte ein Thema für das nächste Klimarahmenabkommen werden und wird auch in der WTO weiter ausbuchstabiert werden müssen. Hier sei nur angedeutet, daß Art. XX, GATT, eine Tür dafür öffnet, Handelsmaßnahmen für den Klimaschutz einzusetzen. So werden bereits Grenzausgleichsmaßnahmen gefordert, um den Wettbewerbsnachteil von Industrien im eigenen Land auszugleichen, die mit höheren Investitionen und laufenden Kosten für gesetzlich vorgeschriebene Klimaschutzmaßnahmen belastet werden, während ihre Konkurrenten in anderen Ländern ohne vergleichbare Belastungen produzieren können, weil ihre Regierungen, aus welchen Gründen auch immer, in der Klimapolitik nicht mitziehen. Dieses Instrument sollte aber nur als letzte Waffe ergriffen werden, wenn wirklich alle internationalen Vereinbarungen und sogar finanzielle und technische Hilfsangebote zur Modernisierung von Industrien und Haushalten eines klimapolitisch rückständigen Landes keinen Erfolg gezeitigt haben. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass das in Kopenhagen spürbare kooperative Klima zu einem klimapolitisch wirksamen Ergebnis führt und zugleich auf die steckengebliebenen WTO-Verhandlungen zurückstrahlt, so daß es endlich zu einem erfolgreichen Abschluss der Runde kommt und anschließend die drängenden Probleme an der Schnittstelle von Welthandel und Klimawandel ebenfalls kooperativ angegangen werden können.


Quelle:
http://www.die-gdi.de/CMS-Homepage/openwebcms3.nsf/%28ynDK_contentByKey%29/MRUR-7YMBFN?Open&nav=expand%3APresse\Die%20aktuelle%20Kolumne\Zusatzdokumente%3Bactive%3APresse\Die%20aktuelle%20Kolumne\Zusatzdokumente\MRUR-7YMBFN

Am 18.01.2010 wird der Autor in einer weiteren Akutellen Kolumne dem Zusammenhang von Welthandel und Klimawandel im Lichte der Ergebnisse der Kopenhagener UN-Klimakonferenz nachgehen.

Von Dr. Jürgen Wiemann, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH und ehem. Stellv. Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE).