Die Bundesregierung startete Anfang 2022 mit einer ambitionierten Nachhaltigkeitsagenda in ihre G7-Präsidentschaft. Keine zwei Monate später sah sie sich einem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gegenüber, der neue Prioritäten erforderlich macht und alte Gewissheiten in Frage stellt. Bundeskanzler Scholz hat deutlich gemacht, dass der russische Angriff eine Zeitenwende markiert. Auf dem G7-Gipfel, der vom 26. bis 28. Juni in Elmau stattfindet, wird die Kunst des Politischen darin liegen, kurzfristige Krisen zu lösen, ohne die langfristigen Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren.
Während die Vereinten Nationen in ihrer Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine gespalten sind und die G20, mit Russland als Mitglied, mehr oder weniger paralysiert ist, präsentiert sich die G7 aktuell als eines der wenigen handlungsfähigen internationalen Foren. Die G7-Staaten haben nicht nur wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht, sondern auch Finanz- und Unterstützungspakete für die Ukraine und deren Nachbarstaaten geschnürt. Die Entwicklungsminister*innen der G7 haben eine Globale Allianz für Ernährungssicherheit gegründet, welche die negativen Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine abfedern soll.
So wichtig diese unmittelbaren Reaktionen der G7 auf den Krieg in der Ukraine sind, stellt sich vor allem die Frage, welche Antworten der Gipfel in Elmau auf die mittel- bis langfristigen Herausforderungen finden wird. Der Fokus soll im Folgenden auf der nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung und der klimapolitischen Transformation liegen.
Für das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele zum Ende der Dekade ist es notwendig, einer „two-track recovery“ entgegen zu wirken, durch die Entwicklungsländer ins Hintertreffen geraten. Infolge der Covid-19-Pandemie waren die fiskalischen Spielräume vieler Entwicklungsländer bereits stark eingeschränkt. Es fällt ihnen daher schwer den sozio-ökonomischen Folgen der Pandemie zu begegnen und ihre Volkswirtschaften langfristig klimaneutral und -resilient umzubauen. Die Zahl der Länder, die vor Verschuldungsnotlagen stehen, hat sich seit 2015 verdoppelt. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine und die Zinsanhebungen in den USA und der EU drohen diese Entwicklungen noch zu verschärfen. Zudem werden internationale Investoren die steigenden Klimarisiken in vielen Entwicklungsländern einpreisen, was deren Zugang zu internationalen Finanzmärkten weiter erschwert.
Die G7-Finanzminister*innen haben bisher nur auf das „Gemeinsame Rahmenwerk“ der G20 verwiesen, das helfen soll Schulden umzustrukturieren oder sogar zu erlassen. Eigene Initiativen der G7 zur Entschuldung von Entwicklungsländern sind bisher Mangelwahre. Der Verweis, dass auch China zur Entschuldung beitragen muss, ist richtig, aber nicht zielführend. Vielmehr sollten private Schuldner, die vor allem in den G7-Ländern ansässig sind, stärker in die Pflicht genommen werden. Zudem ist es geboten, Schuldenerlasse stärker an ökologisch-sozialen Transformationsprozessen oder Anpassungsmaßnahmen in vom Klimawandel bedrohten Ländern auszurichten.
Den Markenkern der im Januar vorgestellten Agenda der deutschen G7-Präsidentschaft bildete die klimapolitische Transformation. Auf ihrem Treffen Ende Mai haben die Klima-, Energie- und Umweltminister*innen der G7 sich darauf verständigt, eine überwiegend dekarbonisierte Stromversorgung bis zum Jahr 2035 zu erreichen und aus der Kohleverstromung auszusteigen, ohne sich bei letzterer aber auf ein konkretes Enddatum zu einigen. Von Bedeutung ist auch die Einsicht, dass es nicht ausreicht, die Klimakrise zu lösen, sondern dass im Rahmen eines integrativen Vorgehens auch die globale Biodiversitäts- und Verschmutzungskrise angegangen werden muss.
Im Bereich der internationalen Klimafinanzierung blieben die Finanzminister*innen bisher vage. Im Kommuniqué ihres Treffens im Mai findet sich nur der Satz, dass sie erwarten, das Ziel, jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen, bis 2023 zu erfüllen. Mit Blick auf die zentralen Instrumente der G7 zur Förderung der klimapolitischen Transformation, vor allem eines offenen und kooperativen Klimaclubs und der „Just Energy Transition Partnerships“ mit ausgewählten Ländern, finden sich bisher auch nur Ankündigungen, aber noch wenig Konkretes.
Auf Ebene der Fachminister*innen wurden also wichtige Initiativen auf den Weg gebracht, trotz der notwendigen Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine. Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Elmau muss aber in zentralen Bereichen, wie der Klimapolitik oder mit Blick auf die Verschuldungskrise, konkrete Beschlüsse liefern, damit die G7-Präsidentschaft Deutschlands tatsächlich zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele bis 2030 beiträgt.
Wichtig ist auch die multilaterale Einbettung der Initiativen der G7. Es ist daher gut, dass mit Indien, Indonesien, Südafrika und Argentinien wichtige G20-Mitglieder nach Elmau eingeladen sind und mit Senegal die aktuelle Präsidentschaft der Afrikanischen Union mit am Tisch sitzt. Mit diesen Ländern gilt es, konkrete Beschlüsse zu fassen, die dann in anderen, inklusiver zusammengesetzten Foren wie der G20 eingebracht werden können. Nur gemeinsam mit internationalen Partnern wird die G7 handlungsfähig sein.
Berger, Axel
Die aktuelle Kolumne (2022)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), (Die aktuelle Kolumne vom 20.06.2022)