Worum geht es in Ihrer Bachelorarbeit?
In meiner Bachelorarbeit habe ich die Stakeholder von zwei Naturschutzgebieten analysiert. Stakeholder sind Personengruppen, die durch ein Naturschutzgebiet gegenwärtig oder in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind.
Dazu mussten die betroffenen Stakeholder zunächst von mir identifiziert und dann in Gruppen zusammengefasst werden. Daraufhin untersuchte ich die Interessen und Ziele der wichtigsten Stakeholder und analysierte ihren Einfluss auf das jeweilige Naturschutzgebiet. Als nächsten Schritt betrachtete ich die gesetzlichen Grundlagen des Naturschutzes.
Das Ziel der Arbeit war es, zum Schutz der Biodiversität beizutragen, indem der Umgang der Interessensgruppen identifiziert und auf negative Einflüsse aufmerksam gemacht wird. Zudem wurden Vorschläge erarbeitet, wie ein zukünftiges Stakeholdermanagement aussehen könnte.
In Ihrer Arbeit betrachten Sie beispielhaft zwei Naturschutzgebiete aus dem Projekt „Diversität von Insekten in Naturschutzgebieten“ (DINA). Die Lütjenholmer Heidedünen in Schleswig-Holstein und Schwellenburg in Thüringen. Welche Interessen und Ziele verfolgen die von Ihnen identifizierten Stakeholder in den beiden Gebieten?
Die wichtigsten von mir identifizierten Stakeholdergruppen, die in den Naturschutzgebieten agieren, sind der Staat, vertreten durch die Naturschutzbehörden, die Wirtschaft, hier insbesondere die Landwirtschaft und die Zivilgesellschaft, das heißt Besucher des Naturschutzgebietes. Die Gruppen sind in beiden ausgewählten Naturschutzgebieten ähnlich und unterscheiden sich nur durch die Intensität der Interessensdurchsetzung und das Ausmaß der Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet.
Die Naturschutzbehörden auf Bundes-, Landes- und Kreisebene sind zuständig für den Vollzug des Naturschutzrechts und vertreten die Ziele der Natur. In ihrem Interesse sind die Wiederherstellung und der Erhalt der Natur. Gleichzeitig soll die Landschaft der Gesellschaft zur Erholungsmöglichkeit bereitgestellt werden, jedoch unter Sicherstellung einer behutsamen Nutzung.
Die Landwirte als Eigentümer der angrenzenden bewirtschafteten Felder tragen durch den Anbau von Nutzpflanzen zur Sicherung der Bevölkerungsverpflegung bei. Aufgrund der stetigen Bevölkerungszunahme und der hohen Nachfrage nach möglichst günstigen Produkten sind die Landwirte gezwungen ihre Ertragsmasse durch effizientere Maßnahmen zu steigern, was den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmittel einschließt. Ihr Ziel ist es ihre Existenz zu sichern.
Die Ziele der Besucher sind entweder die gezielte Nutzung der Natur zur Befriedigung des Erholungsbedarfs oder die Nutzung die Landschaft als Umfeld für Sport- oder Freizeitausübungen. Bevorzugt wird in jedem Fall eine möglichst unberührte, naturnahe, ruhige und von Menschenmengen abgeschiedene Umgebung.
Welchen Einfluss hat die Verfolgung dieser Interessen auf die Erhaltungsziele der Naturschutzgebiete?
Die Naturschutzbehörden unterstützen den Naturschutz und die Schutzgebiete mit verschiedenen Mitteln. Zum Beispiel schließen sie Verträge mit Naturschutzverbänden und Stiftungen ab, welche die Betreuung eines bestimmten Naturschutzgebietes übernehmen, seine Entwicklung beobachten, negative Veränderungen melden und ggf. kleine Erhaltungsmaßnahmen durchführen. Umfangreichere Maßnahmen werden vom Staat finanziert. Sie unterstützen auch die Landwirtschaft über verschiedene Förderprogramme. Dabei werden die Landwirte dafür entschädigt, dass sie Maßnahmen durchführen, die die Biodiversität fördern z.B. durch Verzicht auf Düngemitteleinsatz oder auch das Einrichten eines Pufferstreifens zwischen Feld und Schutzgebiet.
Sofern Düngemittel verwendet wird, macht sich dies an den Rändern der Naturschutzgebiete bemerkbar. Dort herrscht erhöhter Nährstoffeintrag, der zu vermehrtem Wachstum unerwünschter Pflanzen führt, welche die konkurrenzschwachen bedeutenden Pflanzen des Naturschutzgebietes verdrängen. Aber auch auf den Feldern führt Düngemittel zu einem vermehrten Wachstum von Unkraut, sodass mehr Pestizide eingesetzt werden müssen. Diese töten neben Schädlingen auch nützliche Insekten. Düngemittel und Pestizide beeinträchtigen somit die Flora, Fauna und die Landschaft des Naturschutzgebietes. Landwirte die innerhalb eines Schutzgebietes agieren, tragen z.B. durch die Beweidung der Flächen mit Nutztieren wesentlich zur Pflege und zum Erhalt der Biodiversität innerhalb eines Naturschutzgebietes bei.
Der Einfluss von Besuchern ist nicht immer positiv. Grundsätzlich sind die Interessen der Besucher mit den Erhaltungszielen der Naturschutzgebiete vereinbar. Problematisch wird es, wenn die Besucher ihre Interessen über die der Natur stellen und geltende Regeln missachten. Das Verlassen von Wegen führt zum Beispiel zu Trittschäden an empfindlichen Pflanzen. Freilaufende Hunde belästigen andere Tiere und das Hinterlassen von Hundekot oder Müll verändert die Landschaft.
Inwieweit tragen gesetzliche Vorschriften dazu bei, potentiell negative Einflüsse zu mindern?
Wichtige gesetzliche Vorschriften im Naturschutzrecht sind in Deutschland die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, das Bundesnaturschutzgesetz, die Landesnaturschutzgesetze und die Naturschutzgebietsverordnungen. Sie beinhalten wichtige Regelungen, die die Natur und die Biodiversität schützen sollen. Ein wichtiges Instrument um Beeinträchtigungen der Biodiversität im Naturschutzgebiet zu verhindern, bevor sie entstehen ist z.B. die in mehreren gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien geregelte und aus zwei Teilen bestehende Verträglichkeitsprüfung. Wird ein Projekt geplant, welches einen negativen Einfluss auf das Naturschutzgebiet haben könnte, ist der Auftraggeber dazu verpflichtet die potentiellen Beeinträchtigungen vorzustellen und zu widerlegen. Ist eine Beeinträchtigung nicht zu 100% ausschließbar, so wird das Projekt nicht genehmigt.
Was ist die für Sie interessanteste Erkenntnis, die Sie aus Ihrer Arbeit gewonnen haben?
Überrascht hat mich, welche Wirkung ich als Besucher eines Naturschutzgebietes haben kann. Ich habe Hunde und ich gehe regelmäßig spazieren, auch in Naturschutzgebieten und mir war nie bewusst, dass zum Beispiel Leinenpflicht gilt. Je tiefer ich mich in das Thema einarbeitete, desto aufmerksamer wurde ich in der Natur. Auch heute noch treffe ich viele andere Hundebesitzer, die total erstaunt sind, wenn ich sie auf die Leinenpflicht oder das Naturschutzgebiet allgemein anspreche. Viele wissen nichts über die dort geltenden Regeln oder den richtigen Umgang mit der Natur und das obwohl es tatsächlich mehrere Hinweise und Schilder gibt.
In Ihrer Arbeit weisen Sie darauf hin, dass die meisten Gründe für den Rückgang der Biodiversität auf menschliches Handeln zurückgehen. Welchen Beitrag kann jede:r Einzelne zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten? Was wäre ein einfacher erster Schritt?
Einen kleinen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität zu leistet, ist viel einfacher als mancher denkt. Naturschutzgebiete sind immer ausgeschildert und oft sind Informationstafeln aufgestellt, die den Besucher über die Besonderheiten des Naturschutzgebiets, die darin lebenden Pflanzen und Tiere und die für deren Schutz notwendigen Verhaltensregeln informieren. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Besucher die Regeln missachten und sich dabei gar nicht bewusst sind, welche fatalen Folgen das für die Biodiversität im Schutzgebiet haben kann. Seltene Pflanzen und Insekten werden platt getreten, Tiere werden belästigt und die Landschaft verändert sich. Der erste Schritt wäre demnach: Sich bewusst zu machen, wo man sich gerade aufhält und sich der Natur gegenüber respekt- und rücksichtsvoll zu verhalten. Wer weitergehen will, kann zum Beispiel auch Insektenwiesen in seinem Garten einrichten oder ein Insektenhotel aufstellen.
Veronika Heimbuch ist Bachelorstudierende im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS).
Das Interview führte Verena Hammes