Gleichberechtigung der Geschlechter und Friedensförderung sind zentrale Aspekte nachhaltiger Entwicklung. Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu Friedensprozessen gelingt eher, wenn geschlechtsspezifische Auswirkungen eines Konflikts berücksichtigt und Frauen und Männer gleichermaßen in deren Bewältigung einbezogen werden. Gute Konzepte hierfür sind vorhanden, doch werden diese in Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nicht konsequent genug umgesetzt. Das zeigt eine Evaluierung des Deutschen Evaluierungsinstituts für Entwicklungszusammenarbeit (DEval).
Konflikte betreffen Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise: Während Männer öfter als aktive Kombattanten in Kämpfe verwickelt sind, leiden Frauen eher an den indirekten Auswirkungen des Konflikts, beispielsweise an einer schlechteren Gesundheitsversorgung. Dadurch sinkt ihre Lebenserwartung in bewaffneten Konflikten sogar noch stärker als die von Männern. Zudem sind Frauen im Kontext bewaffneter Konflikte häufiger als Männer von Gewalterfahrungen außerhalb direkter Kampfhandlungen betroffen, darunter sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt. Und auch wenn Frauen und Männer bestimmte Erfahrungen in Konfliktsituationen teilen, erleben sie die Situation meist in vielerlei Hinsicht unterschiedlich. Diese genderspezifischen Auswirkungen bestehen auch nach dem Ende eines gewaltsamen Konflikts fort. In der Post-Konflikt-Phase, wenn Gesellschaften beginnen, ihre konfliktbezogene Vergangenheit aufzuarbeiten, Institutionen aufzubauen und die Spielregeln für ihr zukünftiges Zusammenleben auszuhandeln, ist es daher wichtig, Gleichberechtigung mitzudenken. „Für eine geschlechtergerechte Gesellschaft ist es elementar, dass alle Geschlechter die Möglichkeit haben, ihre Perspektiven, Bedürfnisse und Interessen in diesen Veränderungsprozess einzubringen. Denn: Frieden kann nur nachhaltig und inklusiv sein, wenn die Genderdimension berücksichtigt wird“, erklärt Evaluatorin Dr. Angela Heucher.
Verfahren der deutschen EZ grundsätzlich geeignet, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern
Die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ der Vereinten Nationen fordert mehr Teilhabe von Frauen an Friedensprozessen und einen besseren Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Bundesregierung unterstützt diese Resolution und hat seit 2012 bereits drei Nationale Aktionspläne zu ihrer Umsetzung ausgearbeitet. Der jüngste wurde im Februar 2021 verabschiedet.
Die deutsche Entwicklungspolitik setzt die Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter in Post-Konflikt-Kontexten unter anderem mit dem Instrument des „Gender-Mainstreamings“ um. Gender-Mainstreaming bedeutet, dass eine Geschlechterperspektive in allen entwicklungspolitischen Strategien und Vorhaben integriert ist. Ziel ist es, die unterschiedlichen Lebenssituationen, Bedürfnisse und Interessen aller Geschlechter zu einem integralen Bestandteil deutscher Entwicklungszusammenarbeit zu machen. In Post-Konflikt-Kontexten soll so die Gleichberechtigung der Geschlechter und gleichzeitig eine inklusive friedliche Entwicklung gefördert werden. Das DEval hat daher untersucht, ob die in der deutschen EZ eingesetzten Prozesse der Planung und Durchführung geeignet sind, die unterschiedlichen Perspektiven von Frauen und Männern in Post-Konflikt-Gesellschaften zu berücksichtigen. Dazu wurden 47 Projekte in elf Post-Konflikt-Kontexten analysiert. Das Ergebnis: Die bestehenden Verfahren sind grundsätzlich geeignet, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern.
Kompetenz und Ressourcen sind wichtigste Faktoren für erfolgreiches Gender-Mainstreaming
Die Evaluierung hat weiterhin genauer betrachtet, ob durch den Einsatz von Gender-Mainstreaming in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich positive Wirkungen erzielt werden. Dabei kommen die Autorinnen zu dem Ergebnis, dass einzelne Vorhaben, beispielsweise in den Bereichen „Traumabewältigung“ oder „Einkommenssteigerung“, auch Wirkungen erzielen, die neben der Befriedigung praktischer Bedürfnisse zum Empowerment von Frauen und zur Veränderung von Geschlechterrollen beitragen. Insgesamt ist die Verbindung zwischen Gender und Konflikt aber nicht stark genug in den Vorhaben verankert, sodass ihr Potenzial nicht ausreichend systematisch ausgeschöpft wird. „Mit Blick auf die erzielten Wirkungen bei der Förderung von Gleichberechtigung der Geschlechter in Post-Konflikt-Kontexten besteht noch eine Lücke zwischen den Absichtserklärungen und den Verpflichtungen der deutschen EZ einerseits und der tatsächlichen Umsetzung in den Vorhaben andererseits“, so DEval-Direktor Prof. Dr. Jörg Faust. Insgesamt zeigt die Evaluierung, dass für erfolgreiches Gender-Mainstreaming die Gender-Konflikt-Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen besonders relevante Erfolgsfaktoren sind. Für die Nachhaltigkeit der Vorhaben ist es außerdem wichtig, dass auch die Partnerorganisationen vor Ort die Zielsetzung des Gender-Mainstreamings mittragen.
Zentrale Empfehlungen
Die Evaluierung empfiehlt der deutschen EZ, die Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter in Post-Konflikt-Kontexten stärker auf der strategischen Ebene zu verankern und besser messbar zu machen. Bei der Planung von Projekten sollte die Beziehung zwischen Gender und Konfliktprävention systematisch in die Gesamtkonzeption integriert werden. Auch die Organisationen in den Partnerländern, mit denen die deutsche EZ zusammenarbeitet, sollten nach ihrer Gender-Konflikt-Kompetenz ausgewählt werden. Weiterhin empfiehlt die Evaluierung, Schutz- und Beschwerdemechanismen zu sexuellem Fehlverhalten zu verbessern. Zudem sollten die Möglichkeiten, Wissen und Erfahrungen innerhalb der Entwicklungsorganisationen weiterzugeben, ausgebaut werden.
Datengrundlage
Die Strategien und formalen Prozesse der bilateralen staatlichen Zusammenarbeit Deutschlands, die praktische Umsetzung dieser Prozesse und ihre Wirkung wurden mit Hilfe von Interviews und Gruppendiskussionen sowie über Inhalts-, Kontext- und Portfolioanalysen untersucht. In die Evaluierung wurden insgesamt 47 Projekte in elf Post-Konflikt-Ländern einbezogen; in vier Ländern wurden dabei vertiefende Fallstudien durchgeführt.
Originalpublikation
Brüntrup-Seidemann, S., V. Gantner, A. Heucher und I. Wiborg (2021), Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter in Post-Konflikt-Kontexten, Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), Bonn.
Quelle: Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), 16.06.2021