Bilderkennung, Trend-Vorhersage, Fehlerdetektion oder Frühwarnung – alles grundlegende Funktionen Künstlicher Intelligenz (KI) – lassen sich gezielt für den Umweltund Klimaschutz einsetzen.
Ökosysteme sind hochkomplex, Lebewesen beeinflussen sich untereinander ebenso wie ihre Lebensräume. Die zahlreichen Wechselwirkungen machen es schwer, vorherzusehen, wie sich Ökosysteme mit dem Klimawandel verändern oder welche Folgen Eingriffe in die Natur haben. Mithilfe von KI sind wir noch besser in der Lage, Umweltprozesse zu analysieren und negative Einflüsse des Menschen auf Umwelt und Natur zu erkennen. Darauf aufbauend können detailliertere und somit realitätsgetreuere Modelle erzeugt werden. Unerkannte Zusammenhänge lassen sich so besser erkennen. Wenn wir zum Beispiel die Prozesse genauer modellieren, die Erdrutsche auslösen, können wir die Gefahrengebiete präziser kartieren. Wenn wir die Dauer und die Gebiete von Dürren oder Überflutungen genauer bestimmen, können wir uns besser auf sie vorbereiten. Durch KI-basierte Analysen der Wasserqualität können wir vorhersagen, an welchen Stellen die Nitratbelastung erhöht sein wird, und dort ansetzen, um die Ursachen zu beheben. Auf dem Feld des Naturschutzes ermöglicht KI die Erkennung von Vögeln und Fledermäusen und zugleich die Regulierung von Windenergieanlagen, um Zusammenstöße zu vermeiden.
Neben der angewandten Umweltforschung birgt KI auch für die Umwelttechnik große Potenziale. Mittels KI können Anlagen effizienter und grüne Technologien wirtschaftlicher werden. Mögliche technische Fehlerquellen bei Solar- und Windkraftanlagen können mittels KI früher erkannt und behoben werden, sodass letztlich mehr grüner Strom fließt. So sinken auch die Betriebskosten von aktuell noch fehleranfälligen Technologien wie solarthermischen Kraftwerken – eine entscheidende Stellschraube für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Durch die Integration von immer neuen Energieerzeugern ins Stromnetz wird es zudem wichtiger, den Zustand dieses Netzes genauer zu überwachen und kritische Belastungen vorherzusagen – auch dazu trägt KI bei. Qualitätskontrollen in Produktionsprozessen werden durch KI verbessert und Ausschuss vermieden. Das ist material- und ressourceneffizient und spart Kosten.
Ebenso kann die KI-basierte Bilderkennung in der Landwirtschaft helfen, Beikräuter besser zu differenzieren. Übliche Praxis ist es bisher, „Unkraut“ pauschal und großflächig zu bekämpfen. Dabei werden allerdings auch Ackerwildkräuter entfernt, die keinen bis geringen Effekt auf den Ertrag der angebauten Kulturpflanze (zum Beispiel Getreide) haben, aber gleichzeitig für den Naturschutz beziehungsweise die Biodiversität von großer Bedeutung sind. Bleiben solche Beikräuter stehen, bleibt letztlich eine größere Vielfalt an Pflanzen auf dem Acker erhalten – zum Wohl von Bienen und anderen Insekten.
Doch es liegt an uns, zu entscheiden, wofür wir KI einsetzen und in welche Art von Anwendungen wir investieren: Die gleichen KI-Verfahren, die die Kosten von erneuerbaren Energien senken, machen ebenso die Ölförderung profitabler und beschleunigen die Erschließung neuer Ölfelder. Diese Gestaltungsaufgabe, den umweltgerechten Einsatz von KI zu fördern, gehen wir als Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) an.
Um verstärkt Anwendungen der Künstlichen Intelligenz für den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz zu entwickeln, gibt es die Förderinitiative „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“ des Bundesumweltministeriums. Die Förderinitiative ist ein Beitrag zur Umsetzung der KI-Strategie der Bundesregierung mit dem Ziel, Deutschland und Europa zu einem führenden Standort für KI-Technologien zu machen und dabei eine verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Entwicklung und Nutzung von KI voranzubringen.
Unser Ziel: Künstliche Intelligenz umweltpolitisch gestalten!
Für den Weg zur Klimaneutralität ist es zentral, KI-Innovationen für den Umwelt-, Klima- und Naturschutz zu erforschen und anzuwenden. Neue Arbeitsfelder helfen dabei, den Strukturwandel und Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfolgreich zu gestalten.
Damit dies tatsächlich gelingt, setzt die staatliche Innovationsförderung entsprechende Anreize. Seit 2020 finanziert das Bundesumweltministerium KI-Leuchttürme, Projekte also mit Strahlkraft für den Umweltschutz. Bislang wurden 28 Projekte mit rund 28 Millionen Euro gefördert. Gleichzeitig sind KI-Innovationen kein Selbstzweck. Ihre Nutzung und Entwicklung muss dem Gemeinwohl dienen. Das Bundesumweltministerium setzt sich dafür ein, dass die Gestaltung und der Einsatz von KI klimagerecht erfolgen und unserer Gesellschaft im Sinne des Gemeinwohls zugutekommt. Das kann erfolgen durch die Unterstützung nachhaltiger KI-Anwendungen und Geschäftsmodelle, eine gesellschaftliche Technikgestaltung, gezielte Forschung und Wissensvermittlung, aber auch über Rechtsanpassung oder einen neuen Regelungsrahmen.
Denn es gibt ökologische Schattenseiten, die wir in den Blick nehmen müssen: Die Milliarden von Berechnungen auf Hochleistungsprozessoren, die den KI-Systemen ihre beeindruckenden Fähigkeiten verleihen, verschlingen viel Energie. Gleiches gilt für den Transport und die Speicherung der riesigen Datenmengen – eine weitere essenzielle Zutat für KI. Künstliche Intelligenz im Sinne des Umweltschutzes einzusetzen, heißt auch, die direkten und indirekten Umweltwirkungen der KI-Systeme und ihres Einsatzes möglichst gering zu halten.
Wir benötigen dazu mehr Forschung, insbesondere über die energetischen Optimierungspotenziale und den tatsächlichen ökologischen Fußabdruck von KI-Anwendungen über deren gesamte Lebensdauer, das heißt von der Entwicklung über das Training bis zur Nutzung.
Die Herstellung von Transparenz über Energie- und Ressourcenverbräuche von KI schafft dabei ein neues Bewusstsein. Deshalb ist es wichtig, Grundlagen für eine Energieeffizienz-Kennzeichnung von KI-Systemen zu erarbeiten, die sowohl Entwicklungsprozesse als auch Übertragungswege berücksichtigen. Mit einer starken Marke „Sustainable AI made in Europe“ hat die Gemeinschaft der EU-Staaten die Chance, ein starkes Angebot für die Zukunft zu ihrem Wettbewerbsvorteil zu machen: eine KI, die dem Gemeinwohl, den Menschenrechten und einer offenen Gesellschaft verpflichtet ist und die dem Klima nicht schadet, sondern die Transformation zur Klimaneutralität fördert.
Fünf Punkte „KI für Umwelt und Klima“
Künstliche Intelligenz und Umwelt- und Klimapolitik gehören zusammen. Wirksamer und sozialverträglicher Klimaschutz kann enorm von dem Effizienz- und Problemlösungspotenzial einer nachhaltig ausgerichteten KI profitieren.
Ein wichtiger Baustein, um dem Ziel einer nachhaltigen KI-Gestaltung und der Nutzung ihrer Chancen für Klima und Umwelt näher zu kommen, ist das Fünf-Punkte-Programm des BMU. Als Umweltressort investieren wir im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung in den nächsten Jahren 150 Millionen Euro in die folgenden fünf KI-Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz.
1. KI für die Energiewende und mehr Klimaschutz
Wir fördern KI-Innovationen für den Klimaschutz. Dafür bauen wir die Förderinitiative „KI-Leuchttürme“ ambitioniert aus und schaffen weitere übertragbare Beispiele mit Modellcharakter, wie KI konkret für den Klimaschutz angewandt werden kann.
KI kann durch eine bessere Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem und eine intelligente Netzsteuerung die Energiewende beschleunigen – beispielsweise indem in sogenannten Smart Grids Angebot und Nachfrage besser zusammengeführt oder mittels Wetter- und Verbrauchsdaten optimierte Lastprognosen erstellt werden. Mittels KI-Algorithmen können wir Verkehrsströme effizienter und klimaschonender lenken, zum Beispiel indem KI-Modelle die Auslastung im Güterverkehr optimieren, Leerfahrten vermeiden und die Verlagerung von Gütern auf die Schiene unterstützen.
Diese vielfältigen Potenziale zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen müssen wir noch stärker nutzen. Um den branchenübergreifenden Wissens- und Technologietransfer voranzutreiben, stärken wir dabei die Verknüpfung von Start-ups, kleinen und mittleren Unternehmen und gemeinwohlorientierten Beteiligten mit der Forschung.
2. KI ressourcenschonend gestalten
Der Einsatz von KI-Technologien selbst muss klima- und umweltschonend erfolgen. Für einen ökologisch verantwortlichen Einsatz müssen wir verstärkt ressourceneffiziente und umweltschonende KI-Technologien in die Anwendung bringen und die Wiederverwertbarkeit sowie Recyclingfähigkeit von KI-Hardware wie Prozessoren und Servern erhöhen. Deshalb nehmen wir die Risiken des hohen Energie- und Ressourcenbedarfs der KI in den Blick, der beim Trainieren der KI, der Speicherung und Verarbeitung von Daten und der Bereitstellung von Rechenleistung entsteht.
Mit dem Förderschwerpunkt „Ressourceneffiziente KI“ in der KI-Leuchtturm-Initiative fördern wir Projekte, die den Energie- und Ressourcenbedarf von KI-Anwendungen sowie ihrer Infrastruktur wie Rechenzentren reduzieren. Beispielsweise durch die energieeffiziente Programmierung von KI oder durch den Einsatz von KI-gestützten Verfahren zur Verlängerung der Nutzungsdauer von Hardware oder zur ökologischen Optimierung der Infrastruktur (KI für Grüne IT). Gefragt sind außerdem Ideen zur Entwicklung von Kriterien und Metriken zum Monitoring und Benchmarking von Energie- und Ressourcenverbräuchen von KI-Verfahren sowie für die Erarbeitung eines Zielsystems für die Energie- und Ressourceneffizienz von KI-Systemen.
3. KI für mehr Ressourceneffizienz im Mittelstand
KI kann kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dabei helfen, ihre betriebliche Ressourceneffizienz zu steigern, insbesondere durch die effizientere Verwendung von Material, Energie und Wasser und die geringere Emission von Treibhausgasen. Zum Beispiel durch die vorausschauende Wartung von Maschinen (Predictive Maintenance), die Prozess- und Produktoptimierung oder eine verbesserte Logistikplanung.
Dies senkt neben Umweltwirkungen gleichzeitig die Kosten. Trotz der Vorteile wird Ressourceneffizienz in Unternehmen häufig noch als Nebeneffekt gesehen und nicht gezielt vorangetrieben. Mit nachhaltigen KI-Technologien möchten wir KMU unterstützen, weniger Energie und Rohstoffe zu verbrauchen, und so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dafür bauen wir einen Green-AI Hub Mittelstand auf: Dort bringen wir die Erforschung, Entwicklung und Erprobung ressourcenschonender KI-Technologien voran und stärken ihren Transfer in die betriebliche Anwendung.
Die Forschungsergebnisse bringen wir mit mobilen Test- und Demonstrationszentren direkt in die KMU. Gemeinsam mit dem Team des Green-AI Hubs können ressourcen-effiziente Werkzeuge und nachhaltige KI-Lösungen durch Unternehmen in realer Umgebung getestet und erprobt werden.
4. KI für alle – gemeinwohlorientiert und umweltgerecht
Um den Dialog mit KI-Entwickler*innen zu fördern, Umweltaktive und andere Interessierte mit KI-Know-how auszustatten und sie bei eigenen KI-Projekten zu unterstützen, baut das BMU eine Plattform für Soziale Innovation und KI-Ideenwerkstätten (Civic Tech Labs for Green) für den Umweltschutz auf.
Ob in Vereinen, Initiativen, Verbänden oder als einzelne Bürger*innen – überall engagieren sich Menschen für die Umwelt. Durch den Einsatz von KI können neue Ideen und Aktivitäten ermöglicht und leichter umgesetzt werden. Ihre vielfältigen Perspektiven können wiederum dazu beitragen, dass KI-Systeme sich stärker an den Bedürfnissen von Mensch und Natur orientieren. Mit der Plattform für Soziale Innovation schaffen wir Vernetzungs- und Unterstützungsangebote für die Zivilgesellschaft, um bisher wenig vernetzte Gruppen der Umwelt- und Digitalszene zusammenzubringen, den fachlichen Austausch anzuregen und soziale Innovationen für Umwelt, Natur und Klima im Kontext von KI-Technologien zu fördern. Die KI-Ideen-werkstätten sind Orte der Anwendung, für Experimente mit Soft- und Hardware, für Workshops zu digitalem Know-how und für die Fallberatung zur Umsetzung von Daten- und KI-Projekten.
Umwelt- und Naturschützer*innen können erfahren, wie sie die Potenziale von KI und Datenanalysen für ihre Arbeit nutzen und wo die Grenzen liegen. Wir bündeln diese Aktivitäten in dem Netzwerk „Civic Coding – Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl“ gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und vernetzen unsere KI-Förderangebote und Infrastrukturen miteinander.
5. KI für das öffentliche Umweltverständnis
Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Treibhausgasemissionen? Welche Luftqualität erwarten wir am nächsten Wochenende in der Hamburger Innenstadt? Wie entwickelt sich die Artenvielfalt in einer bestimmten Region in Deutschland?
Daten aus der Umweltbeobachtung helfen uns nicht nur, den Einfluss des Menschen auf die Umwelt und die Natur besser zu verstehen, sondern bilden auch die Grundlage für zielgerichtetes politisches Handeln im Sinne eines besseren Umwelt- und Klimaschutzes. Wir wollen daher auch als Umweltressort noch stärker datenbasiertes Wissen weiter- entwickeln. Neue Technologien ermöglichen uns immer mehr und bessere Messdaten und damit genauere Einblicke in das planetare Ökosystem zu generieren.
Um diese großen Datenmengen sinnvoll zusammenzuführen und auswerten zu können, sind Methoden der Big-Data-Analyse und der KI sehr nützlich. Mit ihnen wollen wir den Bürger*innen, der Politik und den Umweltverwaltungen in Bund und Ländern neues, evidenzbasiertes Wissen und konkrete Anwendungen (zum Beispiel Smartphone-Apps) für mehr Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen. Dafür bauen wir ein Anwendungslabor KI und Big Data auf. Als öffentliche Hand verfügen wir schon heute über einen reichen Fundus an Umweltdaten (etwa die „Daten zur Umwelt“ des Umweltbundesamtes und die „Daten zur Natur“ des Bundesamtes für Naturschutz), die wir für ein systematisches Monitoring des Umweltzustandes aufbereiten, zusammenführen und als Open Data auf einem zentralen Portal nutzbar machen werden.
So können Start-ups und Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf Nachhaltigkeit trimmen und KI-Innovationen für den Klimaschutz entwickeln. Gleichzeitig erleichtern wir mit einer breiteren Datengrundlage und besseren Analyseverfahren den Vollzug von Umweltgesetzen in Bund und Ländern und erreichen damit eine effektivere Umsetzung der Umweltpolitik.
Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), 23.06.2021