Der Internationale Rat des UNESCO-Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB) hat im Oktober 2020 neue Biosphärenreservate in das Weltnetz aufgenommen. Erstmalig wurden Biosphärenreservate in Andorra, Kap Verde, den Komoren, Luxemburg, Trinidad und Tobago anerkannt.
Ordino (Andorra)
Das erste UNESCO-Biosphärenreservat Andorra befindet sich im nordwestlichen Teil des Pyrenäen-Staates. Es hat eine Fläche von 85 Quadratkilometern, mit etwa 12 Prozent Kernzone. Das Gebiet ist bekannt für den Schutz einer Reihe seltener und gefährdeter Arten, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN stehen, darunter der Grosse Salmler – eine emblematische Art der Pyrenäen – der Bartgeier und die Pyrenäeneidechse.
Im Gebiet gibt es eine Skistation – somit soll das Biosphärenreservat auch die Auswirkungen des Tourismus auf die Umwelt bewältigen helfen, zum Beispiel durch weitere Entwicklung erschwinglicher öffentlicher Verkehrsmittel. Ein weiteres Ziel ist die Förderung traditioneller Wirtschaftsformen wie Viehzucht, Land- und Forstwirtschaft im Hinblick auf die Erhaltung der Landschaft, die sich seit den 1980er Jahren aufgrund des zunehmenden Tourismus und der abnehmenden Rentabilität der Landwirtschaft erheblich verändert hat. Das Biosphärenreservat soll ein „Mountain Living Lab“ sein, in das die Bevölkerung eng einbezogen ist. Das Biosphärenreservat kann vor allem als Plattform dienen, um Konflikte über den Zugang zu natürlichen Ressourcen in dem Gebiet zu lösen.
W-Arly-Pendjari (Benin, Burkina Faso und Niger)
W-Arly-Pendjari („WAP“) bezeichnet einen weltweit einmaligen Komplex von Schutzgebieten in drei verschiedenen Staaten. Die Schutzgebiete von WAP sind bereits seit 2017 gemeinsam ein UNESCO-Weltnaturerbe – das neue Biosphärenreservat bringt nun auch drei bisher separate Biosphärenreservate und deren Umgebung zusammen: das schon bisher grenzüberschreitende Biosphärenreservat „W“ (der Name bezieht sich auf den Verlauf des Flusses Niger hier), welches von Benin, Burkina-Faso und Niger geteilt wird, mit den zwei bisher nationalen Biosphärenreservaten Arly in Burkina Faso und Pendjari in Benin. W-Arly-Pendjari liegt im Norden Benins, im Osten Burkina-Fasos und im Süden Nigers. Weit um die anerkannten Schutzgebiete herum hat das neue Biosphärenreservat eine Gesamtfläche von mehr als 94.000 Quadratkilometern, hier leben mehr als vier Millionen Einwohnern.
Im WAP-Biosphärenreservat ist die Biodiversität, der Reichtum der natürlichen Ressourcen und Tierarten hoch, vom Flusspferd bis zur Giraffe sowie Löwen, Elefanten und Leoparden. Das Gebiet weist zudem eine hohe kulturelle Vielfalt auf. Das neue Biosphärenreservat schafft die Möglichkeit, regionale Integration, wirtschaftliche Entwicklung und Kooperation mit lokalen Gemeinschaften noch besser grenzüberschreitend zu fördern. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit fördert die Stärkung des Erhalts der Biodiversität im WAP-Gebiet derzeit in großem Umfang.
Unterlauf des Ouémé-Flusses (Benin)
Das Tal des Unterlaufs des Ouémé liegt an der südöstlichen Atlantikküste Benins, direkt bei der Hauptstadt Porto Novo. Das neue Biosphärenreservat ist etwa 8.500 Quadratkilometer groß und hat eine Bevölkerung von mehr als 2,3 Millionen Einwohner. Das Gebiet ist eine natürliche Trockenzone, die als „Dahomey Gap“ bekannt ist. Es bildet den Übergang zwischen den ökologischen Systemen West- und Zentralafrikas. Die Flora besteht aus Wiesen, Sümpfen, Galeriewäldern und Mangroven.
Die kulturelle Vielfalt der Region zeigt sich allein schon durch die vielen hier gesprochenen Sprachen. Durch das Biosphärenreservat sollte die kulturelle und religiöse Diversität gepflegt werden und die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung vorangebracht werden.
Asterousia-Gebirge (Griechenland)
Das UNESCO-Biosphärenreservat liegt an der zentralen Südküste Kretas. Das Gebiet erstreckt sich über 1.257 Quadratkilometer und ist geprägt durch gebirgige Landschaften, deren Höhen von Meereshöhe bis auf die höchsten Gipfel mit über 1.200 Metern reichen. Die jahrhundertealte, ununterbrochene menschliche Präsenz in Asterousia hat archäologische Spuren hinterlassen, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen. Die Berglandschaft des Biosphärenreservats ist durch ein Mosaik natürlicher und halbnatürlicher Lebensräume mit verstreuten menschlichen Siedlungen charakterisiert. Es finden sich vor allem Schluchten mit Natur von hohem ökologischem Wert, wo sich mehr als 50 Prozent der Tier- und Pflanzenarten Kretas finden. Daher stellt das Gebiet für die Artenvielfalt eines der wichtigsten Gebiete des Mittelmeerraums dar.
Die Bevölkerung wird auf 2.700 Personen geschätzt. Obwohl im Niedergang begriffen, bleiben Landwirtschaft und Viehzucht die vorherrschenden Aktivitäten der Bewohner. Das Ziel des Biosphärenreservats besteht darin, die Bevölkerung durch ein angepasstes Entwicklungsmodell zu stabilisieren. Dieses Modell soll den Ökotourismus unter Wahrung der soziokulturellen Traditionen fördern und zielt auf die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft basierend auf erneuerbarer Energien ab. Die Kernzone besteht aus zehn Einheiten mit einer Gesamtfläche von rund 50 Quadratkilometern. Diese Einheiten sind Biodiversitäts-Hotspots mit ikonischen Raubvogelarten. Meeresschildkröten, Mittelmeer-Mönchsrobben und geschützte Walarten sind entlang der Südküste des Gebiets anzutreffen.
Panna (Indien)
Das Biosphärenreservat Panna befindet sich im Bundesstaat Madhya Pradesh rund um die Stadt Panna, etwa 600 Kilometer südöstlich von Neu-Delhi. Etwa ein Drittel der Gesamtfläche von 3.000 Quadratmetern ist geschützte Kernzone, sie besteht aus dem Panna-Nationalpark, drei Abschnitten des Gangau-Schutzgebietes und anderen geschützten Wäldern. Zum Gebiet gehört auch Khajuraho, UNESCO-Weltkulturerbestätte. Das Gebiet ist insgesamt geprägt von Wäldern und Sümpfen. Er ist reich an Heilpflanzen (bis zu 108 Arten) und aus den Wäldern werden Produkte wie Kattha, Gummi und Harze gewonnen.
In dem von Menschen bewohnten Teil des Biosphärenreservats ist die Subsistenz-Landwirtschaft, Regenfeldbau, Viehzucht und die Produktion von Nichtholzwäldern prägend. Die Bevölkerung soll für den Erhalt der biologischen Vielfalt gewonnen werden, u.a. durch kommunale Forstbewirtschaftung, Bereitstellung von Trinkwasser in den Dörfern, Aquakultur, Tiergesundheits- und Naturcamps.
Bunaken Tangkoko Minahasa (Indonesien)
Das UNESCO-Biosphärenreservat mit einer Fläche von etwa 900 Quadratkilometern befindet sich im Norden der Insel Sulawesi, einer hügeligen Insel im Herzen des „Korallendreiecks“. Das Gebiet umfasst verschiedene ökologische Systeme, darunter Küsten mit Korallenriffen und Seegras, Mangroven- und Küstenwälder, Inseln und Landökosysteme. Zu den Schutzgebieten der Kernzone gehören Nationalparks, ein Naturreservat, Wald- und Wildreservate. Sie weisen einen hohen Anteil von endemischen Arten von Flora und Fauna auf, mit 55 Pflanzenarten und 133 Säugetierarten (davon 10 endemisch auf Sulawesi), 210 Vogelarten (59 endemisch auf Sulawesi), 15 Reptilien- und Amphibienarten und 44 Schmetterlingsarten.
Die Bewohner leben von Waldprodukten, dem Gemüse- und Obstanbau, der Landwirtschaft, anderen Formen der Plantagenwirtschaft (einjährige und industrielle Kulturen wie Kaffee und Kakao), Zierpflanzen und Viehzucht sowie der Fischerei. Hinzu kommt der Öko- und Kulturtourismus. Feste wie das Blumenfest und religiöse Traditionen sind wichtiger Teil des Lebens.
Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt umfassen unter anderem Sensibilisierung der Besucher, Umweltbildung, Konfliktlösung und Durchsetzung von Gesetzen gegen illegale Aktivitäten. Im Biosphärenreservat sollen außerdem Ökotourismus und Programme zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Ökosysteme gestärkt werden.
Karimunjawa-Jepara-Muria (Indonesien)
Auch das UNESCO-Biosphärenreservat Karimunjawa Jepara Muria liegt im Zentrum der Insel Java und umfasst das Berggebiet des Berges Muria, die Karimunjawa-Inseln und ein Meeresgebiet. Die Kernzonen des Biosphärenreservats bestehen aus kleinen Inseln, einem marinen Ökosystem und tropischem Tiefland- und Bergregenwald, der drei Schutzgebiete umfasst: Karimunjawa-Nationalpark, Mount Muria-Schutzwald und Mount Celering Naturreservat.
Die Bevölkerung von 3,4 Millionen Menschen lebt u.a. von Aquakultur, Landwirtschaft (Reisfelder, Gärten, Gartenbau), Kaffee- und Kakaoplantagen und Tierhaltung. Das Gebiet spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Bis zu 69 Gattungen von Hartkorallen und 15 Arten von Seegurken wurden registriert. Der Karimunjawa-Nationalpark ist ein Lebensraum für Grüne Schildkröten und Echte Karettschildkröten. Dazu gibt es 134 Vogelarten.
Maßnahmen für nachhaltige Praktiken sollen ausgearbeitet und umgesetzt werden, um Herausforderungen des Massentourismus und der illegalen menschlichen Aktivitäten in der Region (Holzeinschlag, Fischfang, Wilderei, Übergriffe, Jagd) entgegenzuwirken und die negativen Auswirkungen zu verringern.
Merapi Merbabu Menoreh (Indonesien)
Das Biosphärenreservat liegt im zentralen Teil der Insel Java, einer der Hauptinseln Indonesiens. Das Gebiet ist beispielhaft für den Bergwaldtyp Java-Bali, der eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt spielt, und für den Karst im Gebiet von Menoreh. Die Gesamtfläche des vorgeschlagenen Reservats beträgt 2.550 Quadratkilometer. Der Gunung Merapi-Nationalpark, der Gunung Merbabu-Nationalpark und das Sermo-Wildreservat, jeweils Lebensraum und wichtiger Schutzort für Arten von hohem Erhaltungswert, bilden die Kernzone.
Das Biosphärenreservat soll „grüne Wirtschaft“ und nachhaltige Entwicklung fördern. Die menschliche Siedlungszone besteht aus Reisfeldern, Plantagen, Trockenfeldkulturen, Obstgärten sowie Dörfern und städtischen Gebieten.
Fogo (Kap Verde)
Das erste UNESCO-Biosphärenreservat der Kapverden vor der Westküste Afrikas umfasst die jüngste und einzige vulkanisch aktive Insel im Süden des Archipels. Der Vulkan ist mit einer Höhe von 2.829 Metern der höchste Punkt der Insel Fogo. Das Gebiet erstreckt sich über 1020 Quadratkilometer mit einer Kernzone von etwa 7 Prozent. Das Gebiet ist auch ein wichtiger Ort für die 19 einheimischen Vogelarten und sechs endemischen Reptilienarten, darunter Eidechsen, Geckos und Meeresschildkröten.
In 61 Dörfern leben 37.000 Menschen von Obst-, Kaffee- und Hülsenfrüchteproduktion, Viehzucht, Forstwirtschaft, Fischerei und Tourismus. Weinbau spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, es werden hochwertige Weine für das ganze Land produziert. Die bedrohte Biodiversität wird durch Wiederaufforstungsprojekte, Umweltbildung und die Schaffung von touristischer Infrastruktur bewahrt. Strategische Ansätze für Tourismus, Marketing und Landwirtschaft sind ebenso vorhanden.
Zu den weiteren Biosphärenreservaten
Quelle: Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, 28.10.2020