DIE: Die aktuelle Kolumne | Die US-Wahl und die Entwicklungspolitik

Die US-Wahl am 3. November 2020 war auch eine Wahl zwischen zwei Ausrichtungen für die amerikanische Entwicklungszusammenarbeit: vier weitere Jahre, in denen die Trump-Administration den öffentlichen Dienst aushöhlt, Loyalisten mit wenig Fachwissen auf Führungspositionen beruft und internationale Partner verprellt, oder eine Biden-Administration, die einen technokratischen, kooperativen Ansatz in die Führung der US-Behörde für internationale Entwicklung, USAID, zurückbringt.

Zu Beginn von Trumps Präsidentschaft schien es zunächst, als würde er die technokratische Herangehensweise seines Vorgängers Obama mit der parteiübergreifenden Ernennung von Mark Green, einem ehemaligen Kongressabgeordneten und US-Botschafter in Tansania, zum Leiter der Behörde, fortsetzen. Green verfolgte eine Strategie, die darauf abzielte, die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von der Entwicklungszusammenarbeit zu verringern – eine sogenannte „Reise in die Selbstständigkeit“. Diese Strategie war nicht bahnbrechend neu, doch Green gelang es im Stillen von Anfang 2017 bis Anfang 2020 eine funktionierende US-Entwicklungsagenda zu verwalten, an der Trump selbst wenig Interesse zeigte. Die einzige Ausnahme hiervon war Trumps Ansinnen im Jahr 2019, die Zahlungen von Geldern für Entwicklungshilfe an diejenigen Länder in Zentralamerika auszusetzen, die ihre Bürger*innen nicht von der Auswanderung in die USA abhielten.

Mit Greens Rücktritt am 10. April 2020 zugunsten einer Position als Exekutivdirektor des McCain Institute for International Leadership fand das Chaos, das Trumps Regierung auszeichnet, auch Einzug bei USAID. Die derzeitige Kontaktperson zwischen dem Weißen Haus und USAID, William Maloney, hat die Ernennung von USAID-Mitarbeiter*innen begleitet, deren Qualifikationen begrenzt, die jedoch Trump gegenüber loyal sind.Dies hat die Arbeitsmoral im öffentlichen Dienst von USAID ruiniert und das Durcheinander und die Inkompetenz, die das Markenzeichen der Trump-Administration sind, noch verstärkt. So behinderten in jüngster Zeit auch Managementfehler und Missverständnisse innerhalb der Verwaltung die Unterstützung von Entwicklungsländern im Kampf gegen COVID-19. Die Entscheidung der US Regierung, die Weltgesundheitsorganisation zu verlassen, welche bei der Bereitstellung von Hilfsleistungen im öffentlichen Gesundheitswesen der wichtigste Partner ist, verschlimmerte die Situation weiter.

Es liegt auf der Hand, dass vier weitere Jahre Trump für USAID ruinös sein könnten, doch was würde eine Biden-Regierung anders machen? Könnte Biden den institutionellen Schaden der Trump-Administration beheben und die Beziehungen zu Partnerländern und internationalen Organisationen wiederaufbauen, die Trump strapaziert hat?

Aller Wahrscheinlichkeit nach würde Biden einen traditionellen, auf Expertise basierenden Führungsstil zu USAID zurückbringen, und damit sowohl die Behörde selbst als auch die Arbeitsmoral des Personals stärken. Als ehemaliger Vize-Präsident der Obama-Regierung erlaubt das Vermächtnis ihrer USAID-Strategie darüber hinaus potentielle Rückschlüsse auf Bidens Herangehensweise zu ziehen. Von 2010-2015 reformierte USAID-Administrator Rajiv Shah den Prozess der Auftragsvergabe, sodass mehr lokale Akteure direkt Mittel erhielten. Außerdem rief er das „Global Development Lab“ ins Leben, das den Einsatz von Wissenschaft und Technologie in der amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit stärken soll.

Könnte Biden Beziehungen, Partnerschaften und die amerikanische Position in internationalen Organisationen wiederaufbauen, die gegenwärtig angespannt oder zerbrochen sind? Aus seiner Zeit als Vizepräsident ist Biden eine bekannte Größe und würde damit ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit in die Entwicklungspolitik der USA zurückbringen. Das amerikanische System der politischen Ernennungen bedeutet, dass Biden relativ schnell eine kompetente Führungsriege in die USAID berufen könnte, insbesondere mit einer demokratischen Mehrheit im Senat. Die USA verfügt über einen außergewöhnlichen Pool an Expert*innen in den Bereichen öffentliche Gesundheit, wirtschaftliche Entwicklung und Regierungsführung, die mit dem Wiederaufbau der internationalen Beziehungen beginnen könnten, die durch Trumps „America First“-Agenda belastet wurden.

Am 3. November stimmten die US-Amerikaner*innen über zwei radikal unterschiedliche Agenden für die US-Entwicklungspolitik ab. Vier weitere Jahre unter Trump würden USAID wahrscheinlich als Organisation zurücklassen, in der kaum noch Fachwissen vorhanden ist und die Entwicklungshilfe als Druckmittel einsetzt. Biden dagegen würde voraussichtlich Expertenwissen zurückbringen, sowie Politikkohärenz und eine Entwicklungsstrategie, die auf Zusammenarbeit und Partnerschaft aufbaut. Die Wahl wird die globale Gesundheits- und Klimapolitik und Regierungsführung nicht nur während der nächsten Präsidentschaft, sondern während des restlichen Jahrzehnts prägen.

Weitere Informationen

Quelle: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, Charles Martin-Shields, 02.11.2020