Wenn Anfang Juli Deutschland die Ratspräsidentschaft übernimmt, stehen wichtige Entscheidung nicht nur für die Finanzierung der Aufbauhilfen im Zuge der Covid 19-Pandemie an. Auch der mehrjährige Finanzrahmen (MFR) für den gemeinsamen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 wird bereits Mitte Juli beim Europäischen Rat auf der Tagesordnung stehen. Im Rahmen dieses neuen Finanzrahmens werden auch die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit neu geregelt.
Hierfür sollen verschiedene Instrumente zu einem einzigen Instrument zusammengefasst werden. Unter der Überschrift “Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit” (engl. NDICI) soll von nun an die Kooperations- und Entwicklungspolitik der EU sowohl mit den Anrainerstaaten an den EU-Außengrenzen (darunter auch Nordafrika), als auch mit den vormals gesondert behandelten sogenannten AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik), sowie die vielen verschiedenen thematischen Instrumente zusammengefasst werden. Bislang hatten die AKP-Staaten mit dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) ein eigenes Finanzierungsinstrument, das außerhalb des EU-Haushaltes geführt und von einigen Mitgliedstaaten der EU, wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich, auf Basis freiwilliger Beiträge gesondert finanziert wurde. Nun wird auch die Zusammenarbeit mit diesen Ländern in den regulären Haushalt überführt.
Was den Umfang der Mittel angeht, dürfte Afrika nicht unbedingt schlechter gestellt werden als zuvor. Denn zum einen wird die geographische Zusammenarbeit weiterhin eine dominierende Rolle spielen oder gegenüber der thematischen Zusammenarbeit sogar noch gestärkt. Zum zweiten gilt neben den europäischen Anrainerstaaten Afrika als ein zentraler Schwerpunkt innerhalb der geographischen Zusammenarbeit. Was gerade zivilgesellschaftlichen Organisationen aber Sorge bereitet ist der starke Schwerpunkt, der auf die Förderung privater Investitionen durch den der Europäische Fonds für Nachhaltige Entwicklung (EFSD+) in der Entwicklungszusammenarbeit gelegt werden soll.
Stärkung des Privatsektors – aber an der richtigen Stelle
Auch im Rahmen des ergänzenden Aufbauplans, der die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie eindämmen soll („Next Generation EU“) und nach gegenwärtigem Verhandlungsstand 750 Mrd. Euro umfasst, sind – zusätzlich zu den bislang für den NDICI veranschlagten 75,5 Mrd. Euro – 10,5 Mrd. € für den Garantiefonds für Maßnahmen in Drittstaaten vorgesehen. Diese zusätzlichen Mittel sollen den Garantiefonds aufstocken, um die negativen Folgen von COVID-19 durch private Investitionen besser auffangen zu können. Statt bislang 60 Mrd. Euro sollen nun maximal 130 Mrd. Euro über dieses Instrument abgesichert werden.
Schon in der Vergangenheit haben sogenannte Mischfinanzierungen zwischen öffentlichen und privaten Mitteln (im Englischen auch als „Blending“ bezeichnet) in der Entwicklungsfinanzierung erheblich an Bedeutung gewonnen. Im Rahmen solcher Blendinginstrumente sollen öffentliche Ressourcen so eingesetzt werden, dass Risiken für Privatinvestitionen gemindert werden. Auf diese Weise sollen mehr Privatinvestitionen ins Land fließen, die die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze, die Verbesserung der Infrastruktur und dem Ausbau erneuerbarer Energien und Digitalisierung sowie eine nachhaltige Landwirtschaft befördern sollen. Hierfür wurde eigens eine Investitionsoffensive für Drittländer (EIP) und der Europäische Fonds für Nachhaltige Entwicklung, (EFSD+) geschaffen. Durch die Hebelwirkung des Instrumentes sollen für den Zeitraum 2021-2027 bis zu 500 Mrd. Euro an Investitionen mobilisiert werden.
Auch die zusätzlichen 10,5 Mrd. Euro für den NDICI im Rahmen des Aufbaufonds sollen für Garantien solcher Mischfinanzierung verwandt werden. Angesichts bislang noch mangelnder Auswertungen über die Wirksamkeit und den extrem hohen Verausgabungsdruck (die Mittel sollen bis 2024 eingesetzt werden), wird das seitens der europäischen Zivilgesellschaft zu recht sehr kritisch gesehen. Insbesondere in sensiblen Sektoren für die menschliche Entwicklung und die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) müsste vor allem der öffentliche Sektor weiter gestärkt werden. Dies ist in der gegenwärtigen Krisensituation rund um Covid-19 noch einmal mehr als deutlich geworden. Für eine zukünftige stärkere Krisenfestigkeit müssten gerade in sozialen Sektoren wie Gesundheit, Bildung und Grundversorgung die öffentlichen Institutionen gestärkt werden. Hier ist die Bilanz der so oft gepriesenen öffentlich-privaten Partnerschaften eher bescheiden. Zudem verschiebe die Verwendung der zusätzlichen Mittel in Höhe von 10,5 Mrd. € über den Garantiefonds die Gewichtung der verschiedenen Modalitäten: hin zu mehr kreditfinanzierter Hilfe, weg von Zuschüssen oder Budgethilfe. Dies wird auch die ohnehin nicht einfache Schuldensituation vieler Länder in Afrika nicht verbessern.
Kooperation mit Afrika muss Schwerpunkt der deutschen EU-Agenda bleiben
Bevor Corona begann, weite Teile der Welt in den Stillstand zu schicken, war das Jahr 2020 als Meilenstein für eine neue EU-Afrika Partnerschaft vorgesehen – ein Ziel, dem sich auch die Bundesregierung verpflichtet sah und das in die Ratspräsidentschaft integriert werden sollte. Der Vorschlag für eine umfassende Strategie liegt bereits vor. Neben dem anstehenden Brexit droht nun auch noch die Bewältigung der Krisenfolgen von Covid-19 die Agenda mehr und mehr zu beherrschen. Die Bereitschaft für einen Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen den beiden Nachbarkontinenten ist noch immer da, sie muss nun weiter vorangetrieben werden und in eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe münden.
Quelle: SÜDWIND e.V., EU-Afrika Blog, Irene Knoke, 29.06.2020