Wie beeinflusst Mikroplastik im Boden das Wachstum von Kulturpflanzen? In einem Artikel der renommierten Zeitschrift Science stellt Matthias Rillig seine Pionier-Arbeit vor – die auch vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.
Plastikreste gelangen mehr und mehr in unsere Ackerböden. Vielfach durch untergepflügte Folien aus dem Obst- und Gemüseanbau oder durch achtlos weggeworfenen Müll. Eine weitere Quelle sind Klärschlamm und Kompost, die in der Landwirtschaft als Dünger dienen. Diese enthalten zum Beispiel Mikroplastik aus Kosmetika, Reinigungsmitteln und Faserabrieb, der beim Waschen von synthetischen Textilien entsteht. Hinzu kommt der Reifenabrieb von Fahrzeugen. Von Mikroplastik spricht man, wenn die Teilchen kleiner als 5 Millimeter sind.
„Das Mikroplastik im Boden müssen wir heute als einen Faktor des globalen Wandels begreifen“, beschreibt Matthias Rillig, der das Forschungsprojekt µPlastic leitet. Lange Zeit habe man das Thema lediglich vom Blickwinkel der Ökotoxikologie angegangen. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie giftig ein Stoff etwa für eine bestimmte Pflanze ist. Doch um Schaden für die Umwelt und die menschliche Gesundheit abzuwenden, müssen sehr viel komplexere Zusammenhänge erforscht werden.
Bodenstruktur beeinflusst Pflanzenwachstum
Projektleiter Rillig erklärt in einem jüngst erschienenen Artikel der renommierten Zeitschrift Science, inwiefern sich Mikroplastik von andern Umweltverschmutzungen unterscheidet. Plastik in Reinform ist im direkten, im chemischen Sinne, nicht besonders giftig. Allerdings können Zusatzstoffe wie etwa Weichmacher negative Auswirkungen haben. Doch Mikroplastik verändert über physikalische Parameter die Böden, insbesondere die Größe und Form der Erdkrümel. „Die Bodenstruktur beeinflusst alles“, betont der Professor für Ökologie der Pflanzen an der Freien Universität Berlin, insbesondere auch im Hinblick auf die Landwirtschaft.
Es gibt Hinweise darauf wie Mikroplastik Bodenprozesse oder Bodenbewohner wie zum Beispiel Regenwürmer beeinflusst. Nahezu unbekannt ist allerdings der Einfluss auf die sogenannte Rhizosphäre, dem Lebensraum rund um eine Pflanzenwurzel mit seinen vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Boden, Wurzel und Bodenlebewesen. Die enorm umfang- und artenreiche Lebenswelt umfasst Bakterien, Pilze, Rädertierchen, Fadenwürmer, Asseln, Springschwänze und vieles andere mehr. In unmittelbarer Nähe der Wurzel unterscheidet sich vor allem die mikrobielle Flora vom umliegenden Boden. Ein einziges Gramm Erde aus der Rhizosphäre enthält rund eine Milliarde Bakterien. Die verschiedenen Bakterienarten beeinflussen direkt Wachstum und Gesundheit der Pflanzen. Der mikrobiell hoch aktive Wurzel-Lebensraum steht im Fokus des Projektes µPlastic, das vom Bundesforschungsministerium seit Beginn des Jahres gefördert wird. „Das Projekt zielt darauf ab, diesen blinden Fleck anzugehen, indem wir ein grundlegendes Konzept von Auswirkungen auf Rhizosphärenfunktionen und -interaktionen testen“, lautet die Beschreibung.
Dazu wollen die Forscherinnen und Forscher im Gewächshaus verschiedene Böden von großer Bedeutung in der deutschen Landwirtschaft vergleichen. Wie wirkt sich Mikroplastik dabei jeweils auf Kulturpflanzen wie Weizen, Mais, Raps oder Gerste und die verschiedenen Sorten aus? Dazu untersuchen sie den Einfluss auf Bodenprozesse, Mikroorganismen, Wurzelwachstum und Merkmale wie Wurzellänge, Wurzelarchitektur und Wurzelhaare. Gibt es zum Beispiel Sorten, die Mikroplastik-Effekte mildern können? Man weiß heute, dass Mikroplastik durch Veränderungen des Bodengefüges dazu führen kann, dass manche Pflanzen und manche Pilze besser wachsen. „Das heißt aber nicht, dass wir das positiv bewerten“, erklärt Rillig. Denn dadurch könne sich etwa die Zusammensetzung von Pflanzengesellschaften im Ökosystem verändern. Negative Effekte könnten auch überwiegen, wenn in Folge etwa vermehrt Schädlinge auftreten oder Bodenlebewesen Schaden nehmen.
Pflanzenwurzeln stoßen auf weniger Widerstand
Eine Erklärung für das mitunter bessere Wachstum liegt für Rillig in der geringeren „Lagerungsdichte“ des Bodens durch Mikroplastik. Die Wurzeln stoßen auf weniger Widerstand, weil der Boden irgendwie „fluffiger“ sei, wie es der Ökologe für Laien beschreibt. Eine mögliche Erklärung: „Nach dem Waschen des Mikrofaser-Pullis gelangen winzige Fasern in die Umwelt und diese können als störrische Abstandshalter zwischen den Bodenaggregaten wirken.“ Auf einem Foto der Forscherinnen und Forscher sind diese dünnen, glatten Fäden in einem Bodenaggregat gut erkennbar. „Wir stellen uns vor, dass entlang der glatten Fasern Wasser in die Krümel eindringt und das Aggregat dann leichter auseinander fällt“. Eine weitere Erklärung ist für Rillig, dass die herausstehenden Plastikfäden wie kleine Hebel wirken und dadurch die Stabilität verringern.
Wenn durch Mikroplastik Bodenkrümel vermehrt auseinanderfallen, verändern sich die Umweltbedingungen für die Lebewesen und ihre Aktivitäten. Wenn mehr Sauerstoff in den Boden gelangt, hemmt dies Prozesse, die unter Ausschluss von Sauerstoff im Zentrum der Bodenaggregate stattfinden, insbesondere die sogenannte Nitratatmung bestimmter Bakterien. Dies wirkt sich wiederum auf den Stickstoff-Kreislauf aus, der für landwirtschaftlich genutzte Böden eine große Rolle spielt. Zudem könnten vermehrt Stickoxide in die Atmosphäre gelangen, die mitverantwortlich für den Klimawandel sind. „Auch die Treibhausgas-Emissionen sollen gemessen werden“, beschreibt Rillig seine Pläne.
Ebenso fragen er und sein Team auch nach den Effekten des Mikroplastiks auf den Kohlenstoff- oder Phosphor-Kreislauf. Diese gerade in Zeiten des Klimawandels eminent wichtige Forschung für die Landwirtschaft steht noch am Anfang und dürfte durch den Science-Artikel von Rillig und der Mitautorin Anika Lehmann einen Anschub erhalten. Die Autoren erklären dort: „Die Verschmutzung mit Mikroplastik ist ein internationales Problem und die internationale Zusammenarbeit in Forschung wird der Schlüssel sein.“ Im Rahmen des Projekts µPlastic sollen Schadensbegrenzungs-Strategien entwickelt werden, um negative Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu verringern.
Forschungsschwerpunkt Plastik in der Umwelt
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit 2017 den Forschungsschwerpunkt „Plastik in der Umwelt – Quellen, Senken, Lösungsansätze“. In 20 Verbundprojekten mit mehr als 100 Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis werden die verschiedensten Aspekte entlang des gesamten Plastikkreislaufs untersucht. Ziel ist es, sowohl das Ausmaß von Plastik in der Umwelt als auch dessen Ursachen und Verbreitung, ebenso wie die Auswirkungen des Eintrags in die Umwelt und für die Lebewesen zu analysieren. Unter anderem sollen marktgängige Verfahren etabliert werden, um Kunststoffe aus biobasierten Grundstoffen nachhaltig herzustellen. Die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe soll z. B. durch recyclingfreundliches Design weiter verbessert werden. Außerdem suchen die Forschenden nach ökonomisch und ökologisch sinnvollen Lösungen für Plastik-Verzicht oder -Ersatz.
Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), 22.07.2020