Der Human Development Index 2019 listet den Tschad auf Platz 187 (von 189). Erst vor wenigen Tagen führte die islamistische Miliz Boko Haram dort einen ihrer blutigsten Angriffe seit Jahren durch, bei dem über 90 Menschen starben. Das Land mit seiner explosiven Sicherheitslage gehört zu den repressivsten Diktaturen auf dem afrikanischen Kontinent. Deutschland verweigerte ihm unter Verweis auf die schlechte Menschenrechtslage sowie die innere Lage größere Rüstungsexporte. Der aktuelle „Länderbericht Tschad“ des Friedens- und Konfliktforschungsinstituts BICC gibt einen Überblick über Grunddaten zum militärischen Sektor und überprüft, wie das Land in Hinblick auf Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU zu Rüstungsexporten aufgestellt ist.
Der Tschad zählt dem Human Development Index zufolge zu den ärmsten und unterentwickeltsten Ländern weltweit. Korruption, Arbeitslosigkeit, Armut, eine unzureichende Gesundheitsvorsorge und schlechte Bildungschancen stellen das zentralafrikanische Land vor große Probleme. Gleichzeitig ist der Anteil der Militärausgaben am Staatshaushalt insgesamt relativ hoch und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes negativ beeinflusst, analysiert der „Länderbericht Tschad“ in Hinsicht auf das 8. EU-Kriterium zu Rüstungsexporten „Wirtschaftliche und technische Kapazität des Landes“.
Die Innere Lage (EU-Kriterium 3) des Tschad kennzeichnen gewaltsame Konflikte. Hierzu gehören sowohl lokale Auseinandersetzungen um Landbesitz, als auch die Kämpfe mit der dschihadistischen Miliz Boko Haram, die in der Tschadseeregion aktiv ist. Bei Angriffen werden jährlich hunderte Menschen getötet, verwundet oder entführt. Seit 2015 wurden über 100.000 Menschen vertrieben.
Was die „Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region“ (EU-Kriterium 4) angeht, beteiligt sich der Tschad über seine Grenzen hinweg militärisch an der Bekämpfung bewaffneter Gruppen. In Zusammenarbeit mit regionalen Partnern und unter Einsatz militärischen Personals ist er sowohl an der Multinational Joint Task Force (MNJTF) against Boko Haram, als auch an der G5 Sahel Joint Force mit eigenen Truppen beteiligt. Im Rahmen der UN-Mission MINUSMA (Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) hat das Land Soldaten und Beobachter nach Mali entsandt. Problematisch sind die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die im Rahmen der G5 Sahel Joint Force und der MNJTF begangen wurden und an denen zum Teil auch tschadische Soldaten beteiligt waren. Wie in der gesamten Sahelregion sind auch im Tschad der Verlust und die Verbreitung von Kleinwaffen aus nationalen Arsenalen ein Problem. Gezielte Angriffe bewaffneter Gruppen auf militärische Einrichtungen tragen dazu bei. Auch Fälle, in denen beschlagnahmte illegal eingeführte Waffen (zum Beispiel aus Libyen) durch tschadische Sicherheitskräfte auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft wurden, sind dokumentiert.
Als kritisch beurteilt der Länderbericht Tschad die Menschenrechtslage (EU-Kriterium 2). Der seit 1990 amtierende Präsident Idriss Déby baut kontinuierlich seine Machtposition aus. Formal ist der Tschad zwar allen UN-Menschenrechtsabkommen beigetreten. De facto werden Menschenrechte jedoch systematisch verletzt, sei es in Form der Unterdrückung und Niederschlagung von zivilem Protest oder in Form der willkürlichen Verhaftung von Gewerkschaftlern, Oppositionspolitikern und Journalisten. Menschenrechtsorganisationen berichten regelmäßig über Folter und menschenunwürdige Haftbedingungen.
Neben dem „Länderbericht Tschad“ stellt das BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) auf seiner Webseite www.ruestungsexport.info weitere 40 Berichte zu Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte zur Verfügung. Durch eine bessere Verfügbarkeit von Informationen soll eine fundierte Bewertung der deutschen Rüstungsexporte erleichtert werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.
Länderbericht Tschad (Volltext, pdf)
Quelle: Bonn International Center for Conversion (BICC), Susanne Heinke, 06.04.2020