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At the end of January, the United Nations Human Rights Committee ruled on the legal protection of people seeking refuge due to the adverse effects of climate change. The ruling relates to the case of Ioane Teitiota from Kiribati, a small island state in the Pacific at risk of becoming the first country to disappear due to rising sea levels. The UN Committee reviewed the case and acknowledged that “without national and international efforts, the effects of climate change in receiving states may expose individuals to a violation of their rights”. Is this decision a real game changer concerning the legal acceptance of “climate refugees”?
Teitiota’s request for refugee status in New Zealand was rejected in 2015 on the grounds that there was no concrete evidence of life-threatening conditions caused by climate change and environmental degradation. The New Zealand Court of Appeal also found that Teitiota’s life was not at imminent risk as sufficient protection measures had been implemented in Kiribati. However, the Court did acknowledged that sea level rise caused by global warming not only threatens food and water security but also creates socio-political instability in the island nation. In response, Teitiota filed a complaint to the UN Committee, which holds jurisdiction to consider alleged human rights violations. In this, Teitiota claimed that New Zealand had violated his right to life by returning him and his family to their home country.
The UN Human Rights Committee upheld the decision by the New Zealand Court. A receiving state is not expressly proscribed from returning an individual requesting refuge based on the impacts of climate change. The UN ruling, however, also implied that a receiving state might not be allowed to return people to life-threatening conditions. If the receiving state does not duly examine if a threat in the home state is imminent, it is at risk of breaching principles of international law, such as non-refoulement. This principle guarantees that no one should be returned to a country where they would face degrading treatment and/or other irreparable harm. The UN Committee ruling also suggests that without adequate climate change mitigation and adaptation action both at national and international levels, receiving states could violate other international norms (e.g. the right to life). Nevertheless, even though some news media proclaimed otherwise, the UN Committee did not designate Teitiota a climate refugee, as the case was not considered under the Convention Relating to the Status of Refugees. In any case, making this 1951 document fit climate-related asylum conditions seems hardly possible, since it does not recognise the environment as a persecuting agent.
Although it is not legally binding, the UN Human Rights Committee ruling is the first to address someone’s attempt to be granted refugee status due to the impacts of climate change. It recognises that environmental degradation and climate risks do curtail human rights due to sea level rise. In this regard, the ruling is significant, as it is the first step towards the establishment of an international legal obligation to protect, grounded on the adverse effects of climate change and other threats to human security not covered by the 1951 Geneva Refugee Convention.
However, given the complex and multi-dimensional nature of forced displacement, the proof of causality between imminent threat and climate change will remain a huge legal and political challenge to sovereign states and intergovernmental organisations. Whereas the links between climate change and human mobility patterns are not always explicit, further research is needed to fully understand the implications of climate on migration flows.
As existing international legal frameworks, such as the 1951 Geneva Refugee Convention, are limited in scope, in the level of binding-ness, commitment and ambition, the recent trend leans towards soft law instruments. Albeit non-binding, reliance on declarations and resolutions reminding of the importance of human rights and their applicability to “climate refugees” represents the most practical, flexible and politically achievable way forward.
It will also be vital that international policy frameworks consider the issue of migration as an adaptation strategy to the impacts of climate change in the years and decades to come. The UN ruling emphasises the critical role of climate change adaptation in avoiding forced displacement. For instance, the Warsaw International Mechanism for Loss and Damage and its Task Force on Displacement, established within the United Nations Framework Convention on Climate Change, have already recognised that migration does not necessarily represent a failure of adaptation policies, but may be considered an adaptation strategy used by migrants – like Teitiota – themselves.
Source: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), The Current Column of 24 February 2020[:de]
Ende Januar entschied der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen über den rechtlichen Schutz von Menschen, die wegen der negativen Auswirkungen des Klimawandels auf der Suche nach einem Schutzort sind. Das Urteil bezieht sich auf den Fall von Ioane Teitiota aus Kiribati, einem kleinen Inselstaat im Pazifik, der als erster Staat aufgrund des steigenden Meeresspiegels zu verschwinden droht. Der UN-Ausschuss überprüfte den Fall und erkannte an, dass „ohne nationale und internationale Bemühungen die Auswirkungen des Klimawandels den Einzelnen in seinen Rechten verletzen könnten“. Ist diese Entscheidung nun ein echter Wendepunkt bei der rechtlichen Anerkennung von „Klimaflüchtlingen“?
Teitiotas Antrag auf Flüchtlingsstatus in Neuseeland wurde 2015 mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine konkreten Beweise für lebensbedrohliche Umstände aufgrund von Klimawandel und Umweltzerstörung. Das neuseeländische Berufungsgericht stellte außerdem fest, dass Teitiotas Leben nicht unmittelbar gefährdet sei, da in Kiribati ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen worden seien. Das Gericht erkannte jedoch an, dass der Anstieg des Meeresspiegels infolge der globalen Erwärmung nicht nur die Nahrungsmittel- und Wassersicherheit bedroht, sondern auch zu gesellschaftlicher Instabilität in dem Inselstaat führt. Daraufhin reichte Teitiota Beschwerde beim UN-Ausschuss ein, der für die Prüfung von Menschenrechtsverletzungen zuständig ist. Dabei machte Teitiota geltend, dass Neuseeland sein Recht auf Leben verletzt habe, als es ihn und seine Familie in ihr Herkunftsland zurückbrachte.
Der UN-Menschenrechtsausschuss bestätigte die Entscheidung des neuseeländischen Gerichts. Einem Aufnahmestaat ist es nicht grundsätzlich untersagt, eine Person zurückzuschicken, die wegen der Auswirkungen des Klimawandels um Aufnahme bittet. Die Entscheidung des UN-Ausschusses betonte jedoch, dass es einem Aufnahmestaat nicht gestattet sein könnte, Menschen in lebensbedrohliche Situationen zurückzuführen. Wenn der Aufnahmestaat nicht hinreichend prüft, ob eine unmittelbare Bedrohung im Heimatstaat vorliegt, besteht die Gefahr, dass er gegen völkerrechtliche Grundsätze wie das der Nichtzurückweisung verstößt. Dieser Grundsatz bedeutet, dass niemand in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem er eine erniedrigende Behandlung und/oder einen anderen nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden würde. Die Entscheidung des UN-Ausschusses legt auch nahe, dass ohne angemessene Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene die Aufnahmestaaten andere internationale Normen (z.B. das Recht auf Leben) verletzen könnten. Dennoch hat der UN-Ausschuss Teitiota, auch wenn einige Medien das Gegenteil behaupteten, nicht als Klimaflüchtling bezeichnet, da der Fall nicht im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 behandelt wurde. Die Konvention erkennt Umwelt- oder Klimawandel nicht als Verfolgungsfaktor an.
Obwohl nicht bindend, ist die Entscheidung des UN-Menschenrechtsausschusses die erste, die sich mit dem Versuch befasst, jemandem aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels den Flüchtlingsstatus zu gewähren. Sie erkennt an, dass Umweltzerstörung und Klimarisiken die Menschenrechte aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels beeinträchtigen. In dieser Hinsicht ist das Urteil von Bedeutung, denn es ist der erste Schritt in Richtung einer völkerrechtlichen Schutzverpflichtung, die auf den negativen Auswirkungen des Klimawandels und anderen Bedrohungen der menschlichen Sicherheit gründet, deren Auswirkungen nicht von der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 erfasst werden.
Angesichts der komplexen und vielschichtigen Natur von Zwangsumsiedlungen wird der Kausalitätsnachweis zwischen unmittelbarer Bedrohung und Klimawandel jedoch eine enorme rechtliche und politische Herausforderung für souveräne Staaten und zwischenstaatliche Einrichtungen bleiben. Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und menschlichen Migrationsmustern sind komplex und nicht immer eindeutig. Es bedarf weiterer Forschung, um die Auswirkungen des Klimas auf Migrationsströme genau zu verstehen. Daher stellt der Bezug auf Erklärungen und Resolutionen, die an die Bedeutung der Menschenrechte und ihre Anwendbarkeit auf „Klimaflüchtlinge“ erinnern, den praktischsten, flexibelsten und politisch gangbarsten Weg dar. Enorm wichtig ist auch, dass die internationalen politischen Instanzen viel stärker noch begreifen, dass Migration auch eine Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels sein kann. Das hat etwa die Task Force zu Vertreibung, die im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen eingerichtet wurde, bereits anerkannt. Aber noch weitere Institutionen müssen dies verinnerlichen. Wenn Migration pauschal nur als negative Folge des Klimawandels begriffen wird, hilft dies Betroffenen wie Teitiota nicht.
Quelle: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 24.02.2020[:]