FEMNET | Öffentliche Beschaffung „auf den Knopf gestellt“ – neue Inhalte bei Schulung zu fairer Vergabe

Unter welchen Bedingungen wird Berufsbekleidung gefertigt? Welche neuen Richtlinien gibt es für die öffentliche Vergabe? Und wie stehen Unternehmen zu fairer Berufsbekleidung? Mit Fragen wie diesen haben wir die öffentliche Beschaffung während unserer Multiplikator_innenschulung im Oktober 2019 wieder ordentlich „auf den Knopf gestellt“.

Nachdem anfangs erste Kontakte geknüpft und thematische Aspekte aufgefrischt wurden, ging es tiefer in die Materie mit einem packenden Vortrag über die Arbeitsbedingungen bei der Konfektion von Berufsbekleidung in Nordafrika und Südostasien. Die ersten Ergebnisse der Studie, die zusammen mit unseren Partnerorganisationen CIVIDEP in Indien und FTDES in Tunesien durchgeführt wurden, sind bereits in Factsheets zusammengefasst. Die Resultate sind ernüchternd: In beiden Ländern werden keine existenzsichernden Löhne gezahlt und ähnlich wie in der Modeindustrie sind Zeitdruck, fehlende Arbeitsverträge und Überstunden an der Tagesordnung. Lediglich Unternehmen, die sich Multi-Stakeholder-Initiativen wie der Fair Wear Foundation verpflichten, konnten mit mehr Transparenz punkten.

„Konkrete Maßnahmenpläne erstellen! Staatliche Siegel etablieren! Kompetenzstellen schaffen!“

So lauteten einige der Forderungen, die im Anschluss in einer Gruppenarbeit erarbeitet wurden. Hierzu diskutierten wir in Kleingruppen, welchen Beitrag Unternehmen sowie die Politik auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene zu einer fairen öffentlichen Beschaffung leisten können. Gerade der Beschaffung in kleineren Strukturen fällt hierbei eine besondere Rolle zu, wie der zweite Vortrag veranschaulichte. Als Vorteil stellte sich hier vor allem die Überschaubarkeit an Produkten sowie der persönliche Bezug einzelner Beschaffer_innen zu den jeweiligen Themengebieten heraus. Dies bestätigten auch die Erfahrungen aus unserer Zusammenarbeit mit Regionen wie dem Landkreis Fürth.

Grüner Knopf in der öffentlichen Beschaffung?

Inwiefern staatliche Siegel tatsächlich einen Beitrag zur fairen öffentlichen Vergabe leisten können, zeigte der Vortrag über den Grünen Knopf. Johannes Norpoth, der Koordinator der Zivilgesellschaft im Textilbündnis, informierte über die Kriterien des neuen staatlichen Metasiegels und veranschaulichte dessen Zusammensetzung aus Produkt- und Unternehmensprüfung. Darüber hinaus bewertete er die Chancen und Risiken des Grünen Knopfes auch im Hinblick auf eine faire öffentliche Beschaffung. Hierbei könne der Grüne Knopf vor allem als Instrument genutzt werden, zielführende Maßnahmen in Unternehmen zu verankern und Zeitfenster für die Einrichtung bestimmter sozialer und ökologischer Produktionsstandards setzen. Die vielen Rückfragen und Beiträge zeigten das rege Interesse an diesem komplexen Thema und sorgten für einen angeregten Ausklang beim Abendessen.

Novellen im Vergaberecht: Sinkende Schwellenwerte und Preisaufklärung

Auch der zweite Tag versprach spannenden Input: als erstes wurden neue vergaberechtliche Entwicklungen frisch vom Vergabetag aus Berlin vorgestellt, darunter sinkende Schwellenwerte ab 2020 und eine anschließende Diskussion über die Notwendigkeit und Pflicht zur Preisaufklärung. Teilweise sind sehr günstige Angebote gerade im Hinblick auf soziale Standards kritisch. Hier bietet die Regelung besonders bei großen Preisunterschieden eine Chance zu mehr Transparenz und fairerem Wettbewerb.

Hersteller verzeichnen wachsende Nachfrage für öko-faire Berufsbekleidung

Erstmals konnten wir auch die Sicht zur fairen öffentlichen Beschaffung aus Unternehmensperspektive darstellen. Hierzu referierte der Inhaber des Berufsbekleidungsgroßhandels G. Strauß GmbH. Herr Kukula erläuterte die Bedeutung einer fairen Vergabe für Industrie und Handel und den damit verbundenen Mehraufwand der Betriebe für den Erwerb von Zertifizierungen. Gleichzeitig sehe er aber auch die wachsende Nachfrage an ökologischer und fairer (Berufs-)bekleidung und den damit verbundenen Mehrwert solcher Zertifizierungen.

Wie bei vorherigen Schulungen war die Teilnehmendenkonstellation wieder bunt gemischt. So nahmen neben Multiplikatorinnen auch Personal aus den Städten und Kommunen sowie von der Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung (KNB) teil. Die KNB dient als staatliches Instrument zur nachhaltigen öffentlichen Vergabe. Die Mitarbeiter_innen beraten und schulen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Im Gegensatz zu unserer Arbeit liegt der Schwerpunkt hierbei nicht nur auf Textilien, sondern umfasst jegliche Güter. Eine komplexe Aufgabe für das sechsköpfige Team, das sich in unterschiedlichste Materien einarbeiten muss. Gerade daher schätzen wir den Dialog und blicken mit Freude auf die mögliche Ergänzung zweier wichtiger Akteure im Rahmen zukunftsorientierter und nachhaltiger Beschaffung öffentlicher Einrichtungen.

Die dritte und für dieses Jahr letzte Multiplikator_innenschulung fand am 26. und 27. Oktober 2019 in Köln statt und bot wieder Raum für genügend Anknüpfungspunkte, um auch im nächsten Jahr an diesem wichtigen Thema weiterzuarbeiten.

Seit 2015 setzen wir uns nun schon für eine nachhaltigere öffentliche Beschaffung ein. Seitdem drehen wir zusammen mit Kommunen, Ausbildungsstätten und zivilgesellschaftlichen Akteur_innen an unterschiedlichen Stellschrauben – und das mit Erfolg! So gelingt es uns Schritt für Schritt, die konventionelle öffentliche Vergabe zu mehr Umdenken und nachhaltige Veränderungen zu bewegen.

Weitere Informationen

Quelle: FEMNET e.V., 02.12.2019