Das Verbundprojekt FreshIndex macht die tatsächliche Frische von Lebensmitteln in Form eines dynamischen Haltbarkeitsdatums (DHD) transparent. Anders als das statische Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) basiert das DHD auf den aktuellen Hygienedaten der jeweiligen Produktionscharge der Herstellenden und den tatsächlichen Lagerbedingungen entlang der Lieferkette, lückenlos verfolgt von Produzent bis Verkaufsregal. Die zugehörigen Berechnungen für den FreshIndex werden in einer Cloud-Applikation umgesetzt. Die gleichnamige App wird ab dem 5. August 2019 bei einem FreshIndex Praxistest sechs Wochen lang in insgesamt fünf deutschen METRO Großmärkten getestet.
Der durch die Maßnahme KMU-NetC geförderte FreshIndex hilft, eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen: Noch genießbare Nahrungsmittel nicht vorzeitig zu entsorgen. Laut aktuellen Studien landen alleine in der EU jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 143 Milliarden Euro im Müll. Hier setzt FreshIndex an. Das im Rahmen des Vorhabens entwickelte dynamische Mindesthaltbarkeitsdatum (DHD) soll künftig für mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungskette und für eine bessere Planbarkeit sorgen, wodurch sich die Menge an nicht verwendeten Lebensmitteln reduzieren lässt. Gleichzeitig können Kosten optimiert und die Wettbewerbsfähigkeit aller Beteiligten in der Lebensmittelbranche gesteigert werden. Das DHD wird dabei nicht als fixes Datum aufgedruckt, sondern berechnet sich bei temperaturüberwachten Produkten dynamisch. So kann das aktuelle DHD etwa auf digitalen Preisschildern, im Online-Lebensmittel-Shop oder per App ausgelesen werden.
Einfache Anwendung durch echtes Feedback
Am 5. August startet der FreshIndex in die Feldphase. Eines der Hauptziele besteht darin, die bisherige Arbeit der Verbundpartner im Projekt zu überprüfen und Hinweise für die finale Ausgestaltung der FreshIndex App zu sammeln. Denn: Die Frische von Lebensmitteln stellt nicht nur ein objektiv messbares Kriterium dar, sondern ist auch ein hoch emotionales Thema. So werden beispielsweise viel zu oft noch verzehrbare Lebensmittel entsorgt, weil sie als nicht mehr frisch empfunden werden. Neben Aussehen, Geruch und Geschmack spielen Informationen zur Produktgüte und deren Darstellung eine große Rolle. Von 5. August bis 11. September 2019 können Mitarbeitende sowie Kundinnen und Kunden bundesweit in fünf teilnehmenden METRO Großmärkten die App unter realen Bedingungen testen, Parameter wie eigene Lagertemperaturen anpassen und die entsprechenden Auswirkungen auf die Haltbarkeit direkt in der App beobachten. Von diesem Austesten der FreshIndex App erwarten sich die Projektpartner konstruktives Feedback der Anwenderinnen und Anwender zur Benutzerfreundlichkeit. Prof. Dr. Gunnar Stevens, Verbraucherinformatiker an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS), ist sehr gespannt: „Natürlich haben wir uns im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Aber durch den Feldtest erhoffen wir uns viele neue Erkenntnisse darüber, wie die Kundenakzeptanz ist und wie der FreshIndex von den Anwendenden verstanden und bewertet wird.“ Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat für die Testphase Interviews konzeptioniert, um von den Testenden zu erfahren, ob und wie stark der FreshIndex durch die gesteigerte Transparenz ihr Vertrauen beeinflusst und wie sie die Nutzung erleben (User Experience). Für die Testläufe wird in den teilnehmenden METRO Großmärkten ein FreshIndex-Stand aufgestellt, an dem die Tests durchgeführt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen dann in die Weiterentwicklung des FreshIndex und der zugehörigen App ein. In jedem METRO Store sollen etwa 30 Kundinnen und Kunden befragt werden, um ein erstes, qualitatives Urteil abgeben zu können. Dabei soll auch in Erfahrung gebracht werden, ob die FreshIndex App einfach zu handhaben ist (Usability) und echten Mehrwert bieten kann. Beim Informationsdesign des FreshIndex und der zugehörigen App wurden daher auch Erkenntnisse aus der Food Labeling Forschung und dem User Experience Design systematisch angewendet.
Lückenlose Rückverfolgbarkeit im Test
Vor drei Jahren hatte sich das Start-up-Unternehmen tsenso, das die inhaltliche Leitung im Projekt FreshIndex übernimmt, im METRO Accelerator 2016 gegen mehr als 600 Wettbewerber aus sieben Ländern durchgesetzt. „Mit der Teilnahme am Pilotprojekt setzen wir ein klares Zeichen für die Stärkung von transparenter Produktqualität und gegen Lebensmittelverschwendung, denn unserer Meinung nach trägt die lückenlose Echtzeit-Überwachung der Kühlkette nicht nur zur Qualitätssicherung bei, sondern auch dazu, Lebensmittelabfälle zu reduzieren“, sagt Sarah Blanchard, Head of Corporate Responsibility METRO AG, die das Projekt als Mentorin vom Start im METRO Accelerator bis zur Testreife in sechs Märkten vor Ort begleitet und mitgestaltet hat. Die Kombination aus Internet of Things (IoT), Daten zur Qualitätssicherung und lückenloser Rückverfolgbarkeit bietet dabei eine bahnbrechende Gelegenheit, zu untersuchen, wie Handel und Kunden Produkthaltbarkeit betrachten und wie eine maximale Nutzung von frischen Lebensmitteln gewährleistet werden kann. Auch Kathrin Uhlhorn, Bereichsleiterin Qualitätssicherung METRO Deutschland sieht in dem Pilotversuch, der in den METRO Großmärkten in Stuttgart, Sankt Augustin, Düsseldorf, Mainz-Kastel und Berlin-Friedrichshain stattfindet, eine einzigartige Gelegenheit für das Start-up-Unternehmen, aber auch für die übrigen Verbundpartner und METRO Deutschland: „METRO steht als Großhandels- und Lebensmittelspezialist bei seinen Kunden für Frische und Qualität. Mit dem nun beginnenden, sechswöchigen Testlauf von FreshIndex in 6 Märkten in Deutschland haben wir die Chance, den Echtzeit-Produktfrische-Indikator unter Realbedingungen zu testen. Darüber hinaus wird uns der Test zeigen, wie unsere Kunden das dynamische Haltbarkeitsdatum bewerten.“
Die richtigen Daten als Grundlage
Für den Einsatz des DHD sind drei Datentypen notwendig: Statische Daten zu den relevanten Produkteigenschaften (zum Beispiel Hygienedaten vor dem Verpacken), dynamische Daten aus der Produktion (zum Beispiel die Chargennummer oder das Abfülldatum während des Produktionsprozesses) sowie entlang der Lieferkette (zum Beispiel Temperaturen, die mit Hilfe von Datenloggern während des Transports aufgezeichnet werden). „Voraussetzung für eine durchgängige Erfassung qualitätsrelevanter Daten ist, dass Informationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden“, sagt Mercedes Schulze, Senior Managerin GS1 Standards + Products bei GS1 Germany. „Dies erfordert eine Cloud, die alle Daten erhält und den FreshIndex ermittelt sowie eine gemeinsame Sprache der Unternehmen in Form von Standards: standardisierte Datenformate und Schnittstellen für eine reibungslose, digitale Datenerfassung und deren Austausch.“ Im Projekt kommen GS1-Standards zum Einsatz: Mit Hilfe der GS1-Idente lassen sich Produkte und Lokationen eindeutig identifizieren. Die Übertragung der Daten aus der Lieferkette in die Cloud wird mit dem Standard EPCIS realisiert, sodass jeder Beteiligte in der Lieferkette den aktuellen FreshIndex jederzeit abrufen kann. Daneben sind weitere Technologien wie Sensoren, Scanner oder Datenbanktechnologien (Cloud) erforderlich, um innerhalb der definierten Lieferkette einen FreshIndex für ein individuelles Objekt berechnen und abrufen zu können.
„Die Verfügbarkeit von Massendaten stellte sich im Projekt als bislang größte Herausforderung dar. Neben Daten aus produktiven Systemen konzentrierten wir uns daher auch auf Daten aus Simulationen, um die Skalierbarkeit zu überprüfen“, sagt Achim Baier, Geschäftsführer der arconsis IT-Solutions GmbH. „Spätestens bei der Rückverfolgung von Einzelartikeln entlang der Wertschöpfungskette sind auch vermehrt Datenschutzaspekte zu berücksichtigen. Hier und bei der Modellierung und Simulation der Verderbnisprozesse der Lebensmittel zeigte sich stark der Forschungscharakter des Vorhabens. In den verbleibenden Monaten bis zum Projektende möchten wir verstärkt die Themen Skalierung und Betriebskosten der erstellten Cloud-Lösung betrachten.“
Projektabschluss und Ausblick
Das Projekt FreshIndex läuft noch bis zum 31. Dezember 2019. Unter der inhaltlichen Leitung von tsenso (Datenanalyse) wurde der FreshIndex von dem zugehörigen Projektkonsortium bestehend aus arconsis (Cloud und App), bwcon (Netzwerkmanagement), GS1 Germany (Identifikation), der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (Kundenakzeptanz), METRO (Großhandel) und der Universität Bonn (Hygiene-/Messdaten) in bisher zwei Projektphasen umgesetzt: Zunächst wurde ein Konzept zur Effizienzsteigerung in der Lieferkette und zur besseren Bestimmung der Haltbarkeit von Lebensmitteln entwickelt. Im zweiten Schritt erforschten die Projektpartner, wie sich bestehende Standards zum Beispiel für den Datenaustausch und zur Rückverfolgbarkeit erweitern lassen, um die tatsächlichen Daten einzelner Wareneinheiten zu jedem Zeitpunkt entlang der Lieferkette abfragen zu können. In der dritten Projektphase liegt der Fokus nun auf zwei Praxistests, die Auskunft über die Möglichkeit einer tatsächlichen Implementierung des FreshIndex geben sollen. Geplant ist zudem die Publikation der wissenschaftlichen Ergebnisse aus dem Projekt, um die Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Standardmodells für nutzer- und verbraucherzentrierte Food-Labeling-Systeme voranzutreiben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben im Rahmen der Fördermaßnahme „KMU-NetC“ mit etwa einer Million Euro.
Termine vor Ort:
- METRO Korntal (5.-9. August 2019)
- METRO Sankt Augustin (12.-16. August 2019)
- METRO Mainz-Kastel (21.-22. August 2019)
- METRO Düsseldorf (26.-30. August 2019)
- METRO Berlin-Friedrichshain (2.-6. September 2019 und 9.-11.September)
Die Verbundpartner im Projekt:
arconsis IT-Solutions GmbH – Strategischer Partner für hochwertige und innovative IT-Dienstleistungen in den Bereichen “Mobile Enterprise“, “Adaptive Enterprise“ und „AI Solutions“. Schwerpunkt der Tätigkeiten im Forschungsprojekt ist die Virtual Supply Chain, Big Data Analytics und die Software Architektur. Darüber hinaus entwickelte arconsis die im Praxistest eingesetzte App.
bwcon e.V. – Das Netzwerkmanagement übernimmt die bwcon GmbH, die Dienstleistungstochter der Wirtschaftsinitiative Baden-Württemberg: Connected e. V., die sich der Förderung des Hightech-Standortes Baden-Württemberg sowie der für Wirtschaft und Gesellschaft entscheidenden Technologien und Märkte verschrieben hat.
GS1 Germany – GS1 Germany unterstützt Unternehmen aller Branchen dabei, moderne Identifikations-, Prozess- und Kommunikationsstandards in der Praxis anzuwenden und damit die Effizienz ihrer Geschäftsabläufe zu verbessern. Im Rahmen des Projekts prüfte GS1 Germany unter anderem, bis zu welchem Grad ein dynamisches Haltbarkeitskriterium im weltweit bestehenden GS1 Portfolio abgebildet werden kann und schuf die Voraussetzungen für eine mögliche Freigabe.
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) – Die Forschungsgruppe für Wirtschafts- und Verbraucherinformatik von Prof. Dr. Gunnar Stevens an der H-BRS zeichnet sich dadurch aus, dass sie Umwelt- und Verbraucherinformatik aus einer praxeologischen Perspektive betrachtet. Sie erforscht und gestaltet Verbraucherinformationssysteme. Dazu führt sie Bedarfs- und Potenzialanalysen durch und entwickelt Designstudien auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und empirischer Studien.
METRO AG – METRO ist ein führender internationaler Spezialist für den Groß- und Lebensmittelhandel, der in 36 Ländern über 150.000 Menschen beschäftigt. Die METRO Deutschland GmbH betreibt mit rund 14.000 Mitarbeitern 103 Großmärkte und 11 Belieferungsdepots in Deutschland. Rund vier Millionen Kunden vertrauen auf das Sortiment und die Leistungen des Unternehmens. METRO unterstützt während des Projektes maßgeblich tsenso, um die Transparenz und Sicherheit in der Lieferkette zu erhöhen. Das erfolgt durch die Bereitstellung von Hygienedaten der Hersteller und der tatsächlich gemessenen Lagerbedingungen. Dadurch wird ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung geleistet.
tsenso GmbH – Die tsenso GmbH entwickelt Speziallösungen für die Auswertung komplexer Daten im Bereich der Warenlogistik und Warenverkehrs. Sie setzt dabei auf lernfähige Modelle und hat einem Branchenfokus auf den Bereich des Güterverkehrs und der Lebensmittellogistik. Das Gründerteam verfügt über Expertenwissen im Bereich der Entwicklung von Software, Big Data Analytics, der Simulation des Warenverkehrs. Mit Blick auf die Erarbeitung der mikrobiologischen Modelle zur Beschreibung der Lebensmittelqualität erhält tsenso Unterstützung von führenden internationalen Wissenschaftlern.
Universität Bonn – Das Team um PD Dr. Judith Kreyenschmidt an der Uni Bonn forscht seit Jahren im Bereich Lebensmittelqualität und -sicherheit, um die Ausschüsse entlang der Supply Chain zu reduzieren. Mit seinen Ergebnissen und Modellen zur prädiktiven Mikrobiologie unterstützt es maßgeblich die Entwicklung des FreshIndex.
Quelle: Pressemitteilung Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS), 02.08.2019