Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung plant die Einführung eines staatlichen Metasiegels für die textile Lieferkette (“Grüner Knopf”) und lud deshalb im September 2018 zu einem Runden Tisch zur Diskussion des Umsetzungskonzepts dieses Metasiegels ein. Die Kampagne für Saubere Kleidung nahm an dieser Diskussion teil und teilt nun mit dieser Stellungnahme ihre dort bereits eingebrachte Sichtweise auch schriftlich mit:
Der Grüne Knopf (GK) soll ein staatliches Metasiegel sein, das sich zunächst nur auf die Stufe der Konfektion bezieht. Wenn sie den GK verwenden wollen, müssen Unternehmen nachweisen, dass
- sie ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten nachkommen, wobei die Anerkennung einer Roadmap im Rahmen des Textilbündnisses als Nachweis akzeptiert werden soll.
- die Produkte mit dem GK den Mindestanforderungen in den Bereichen Soziales, Umwelt und Glaubwürdigkeit für ein Produktsiegel entsprechen, das auf der Vergleichsplattform „Siegelklarheit“ mit „gut“ und „sehr gut“ bewertet wird.
Trotz Kritik an der grundsätzlichen Schwäche von Produktsiegeln begrüßt die Kampagne für Saubere Kleidung doch die Kombination von unternehmens- und produktbezogenen Kriterien bei der Vergabe des GK. Wir haben jedoch massive Anfragen an die bisher geplante Ausgestaltung dieser Kombination, die das Anspruchsniveau, die Reichweite, die Kontrolle, die Kommunizierbarket und damit insgesamt auch die Glaubwürdigkeit des geplanten Metasiegels betreffen.
Kritisch sehen wir folgende Aspekte:
- Ein staatlich und gesetzlich festgelegtes Referenzsystem, ähnlich dem des Blauen Engels, ist nicht geplant. Vielmehr plant das BMZ durch die Nutzung des Referenzsystems „Siegelklarheit“ die Einbindung von Standards kommerzieller, privater Anbieter unter das Dachsiegel Grüner Knopf. Statt einer staatlichen Standardsetzung und Kontrolle liegt die Aufsicht also bei privaten Institutionen. Bisherige Erfahrungen (siehe Rana Plaza, Tazreen, Ali Enterprises) haben gezeigt, dass dieses System der kommerziellen und privaten Zertifizierung insbesondere im Bereich der Sozialstandards und Arbeitsrechte, mangelhaft ist.
- Der Fokus liegt in der Anfangsphase (Jahre 2019 und 2020) auf der Konfektion, auch wenn die Erweiterung auf tiefer liegende Stufen der Wertschöpfungskette in den nachfolgenden Phasen ab 2021 geplant ist. Die größten Probleme im Umweltbereich (und in Teilen auch der Arbeitsrechte) liegen jedoch in den Verarbeitungsstufen, die der Konfektion vorgelagert sind (wie z.B. Nassprozesse). Diese werden also in der Anfangsphase des Grünen Knopfs nicht adressiert. Mit dieser Begrenzung auf die Konfektion bleibt der Grüne Knopf hinter der Marktentwicklung zurück, die dadurch gekennzeichnet ist, dass bereits viele Unternehmen Produkte mit zertifizierten Rohstoffen anbieten und auch Siegel nutzen, die die gesamte Lieferkette abdecken.
- Die Vorlage der Roadmap von Unternehmen, die Mitglied im Textilbündnis sind, ist als Nachweis und Zugangsberechtigung für die Nutzung des Grünen Knopfes unzureichend, da
- die Anforderungen (Zeit- und Mengenziele) derzeit noch nicht einmal alle ILO-Kernarbeitsnormen abdecken (wie z.B. Vereinigungsfreiheit oder Anti-Diskriminierung, wozu Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz gehören würden) und das Ambitionsniveau der einzelnen Zielsetzungen den Mitgliedern selbst überlassen bleibt.
- die in den Roadmaps dargestellten Zeit- und Mengenziele keinen ausreichenden Aufschluss über die tatsächliche Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten liefern, da nur die Roadmaps veröffentlicht werden, nicht aber der zugrunde liegende Ist-Zustand (die sog. „Baseline“), den man mit den Roadmaps verbessern möchte. Zudem ist der Prüfprozess intransparent, da die Nachweise nicht veröffentlicht werden und ebenso noch keine klaren, inhaltlichen Kriterien für die akzeptierten Nachweise existieren.
- Die auf der Plattform „Siegelklarheit“ mit „gut“ bewerteten Siegel, die nach derzeitigen Plänen des BMZ als ausreichend für den Grünen Knopf akzeptiert werden sollen, erfüllen nicht die Ansprüche, die ambitionierte Unternehmen der Branche und an nachhaltigem Einkauf interessierte KonsumentInnen erheben.
- Der Grüne Knopf verlangt keinerlei Offenlegung der Lieferkette, obwohl inzwischen zahlreiche Unternehmen ihre Zulieferer veröffentlicht haben (z.B. Aldi, Lidl, C&A, Primark, H&M, Esprit, Tchibo, uvm.) und auch Standardorganisationen die zertifizierten Produktionsbetriebe offenlegen (z.B. GOTS). Damit fallen die Anforderungen für den GK hinter den Standard zurück, der schon heute im Markt etabliert ist.
- Der Grüne Knopf ist ein freiwilliges Siegel, es fehlt eine gesetzliche Regelung für die Vergabekriterien des GK sowie für die Sorgfaltspflicht aller Unternehmen.
- Eine öffentliche Kommunikation, die “100% soziale und ökologisch nachhaltige Produkte” verspricht, ist unglaubwürdig und evtl. juristisch angreifbar.
- Auditergebnisse und Zertifizierungen müssen hinterfragt und staatlicherseits überprüft werden, sie stellen derzeit nur Schritte dar, spiegeln aber nicht immer die Realität wider.
Wenn Verbraucher_innen einem Grünen Knopf vertrauen sollen, muss er folgende Anforderungen erfüllen:
- Als Zugangsberechtigung zum Grünen Knopf müssen Mindestanforderungen an die Sorgfaltspflicht von Unternehmen erfüllt sein. Die Roadmaps im Textilbündnis sind als Nachweis nach gegenwärtigem Stand unzureichend. Diese Mindestanforderungen müssen – entsprechend der OECD-Guidance für Textilien und Schuhe – unter anderem umfassen:
- Die Einkaufspolitik des Unternehmens, das den GK nutzen möchte, muss überprüft werden (z.B. PPSA von ACT).
- Bei Audits müssen Gewerkschaften / NGO’s mit einbezogen und Inhalte von Audits müssen mit Beschäftigten geteilt werden.
- Sichere, vertrauenswürdige Beschwerdemechanismen müssen eingerichtet sein.
- Vorbeugende Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt müssen umgesetzt sein.
- Maßnahmen zur Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen und für existenzsichernde Löhne müssen durchgeführt werden.
- Es muss ein staatliches Kontrollsystem etabliert sein: Es müssen gesetzliche Regeln zur Überwachung der Zertifizierung Dritter z.B. in Form unabhängiger Kontrollen etabliert und es muss eine Überprüfung vor Ort in den Produktionsländern unter Einbeziehung von Gewerkschaften und NROs von Beginn an eingeplant werden (Nachweisführung).
- Die Governance-Struktur und das Verifizierungssystem des Grünen Knopfs müssen Mechanismen vorsehen, die eine missbräuchliche Nutzung des GK ahnden können.
- Der GK muss bereits in der Anfangsphase auch auf die anderen Produktionsstufen der gesamten Lieferkette angewendet werden. Falls dies nicht geschieht, muss die Bundesregierung von Beginn an klare zeitliche und verbindliche Vorgaben für die verschiedenen Stufen des GK festlegen, damit der strategische Charakter des Metasiegels deutlich wird. Dies muss auch transparent der Öffentlichkeit gegenüber am Dachsiegel selber vermerkt sein.
- Unter dem Dachsiegel des GK dürfen nur solche Siegel / Standards der Plattform „Siegelklarheit“ anerkannt werden, die mit „sehr gut“ bewertet werden (vorbehaltlich einer Bewertung der überarbeiteten Kriterien). Die Kontrolle dieser Siegel / Standards durch eine glaubwürdige und transparent arbeitende Multi-Stakeholder-Initiative ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium.
- Über alle Maßnahmen muss transparent gegenüber der Öffentlichkeit berichtet werden. Dies umfasst auch die Auditberichte der zertifizierten Produktionsstätte. Die Nachweise müssen darlegen, inwieweit sie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Umwelt beigetragen haben (Wirkungen).
- Gegenüber den Verbraucher_innen muss eindeutig kommuniziert werden, welche Stufe der Wertschöpfung der GK abdeckt und welche noch nicht.
- Im Beirat muss sichergestellt werden, dass wenig ambitionierte Unternehmen und Verbandsvertreter_innen nicht übermäßig stark vertreten sind und vor allem auch ambitionierte Unternehmen gehört werden.
Generell sehen wir die Einführung eines Metasiegels kritisch. Im Kontext der Stärkung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten gemäß der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sehen wir die Einführung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Transparenz-, Sorgfalts-, und Haftungspflichten als prioritär an.
Dr. Gisela Burckhardt (FEMNET e.V.)
Dr. Sabine Ferenschild (Südwind e.V.)
Bernd Hinzmann (INKOTA-netzwerk e.V.)
Quelle: Pressemitteilung FEMNET e.V., 26.09.2018