Am heutigen Mittwoch hat eine Expertenkommission der EU Empfehlungen für ein nachhaltiges Finanzsystem veröffentlicht, die nach Angaben des SÜDWIND-Instituts jedoch viel zu kurz greifen und nur an der Oberfläche der Problematik kratzen. Zwar begrüßt SÜDWIND den Versuch, Regeln für ein nachhaltigeres Finanzsystem aufzustellen und damit ein wichtiges Signal in Richtung der deutschen Koalitionsverhandlungen zu senden. Diese werden aber ohne eine ernstgemeinte Regulierung der Realwirtschaft zu Alibiveranstaltungen degradieren
Die in dem Abschlussbericht aufgeführten Empfehlungen zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzwesen in der Europäischen Union könnten den Finanzmarkt befähigen, einen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu leisten. „Solange es aber möglich bleibt, mit Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen viel Geld zu verdienen, wird es Investoren geben, die Ihr Kapital dort anlegen“ sagt Antje Schneeweiß, Finanzexpertin bei SÜDWIND.
Für eine tatsächlich nachhaltige Umsetzung der Empfehlungen muss an zahlreichen Stellen nachgebessert werden. So ist es nach Angaben von SÜDWIND bedauerlich und nicht nachvollziehbar, dass sich die Expertengruppe nicht auf eine Empfehlung einigen konnte, Investitionen in Umweltzerstörung (braune Investitionen) zu erschweren. Antje Schneeweiß stellt fest, dass „damit eine echte Chance vertan wurde, über die Finanzmärkte umweltschädliches Verhalten von Unternehmen und Investoren zu bremsen.“
Auch läuft die Empfehlung der Expertengruppe an die EU-Kommission, ein Klassifizierungsmodell (Taxonomie) für nachhaltige Investitionen zu erstellen, und darauf Standards aufzubauen, Gefahr, die notwendigen Regulierungen zu umgehen und sich in Beliebigkeit zu verlieren. Eine solche Taxonomie kann zwar helfen, „grüne“ Investitionsmöglichkeiten zu klassifizieren, führt aber in keiner Weise zu einer realen, nachhaltig orientierten Umlenkung von Kapitalströmen. Dies kann nur über einen klaren und weitreichenden Ausschluss inakzeptabler Aktivitäten geschehen.
Angesichts der hohen Präsenz von IndustrievertreterInnen im EU-Expertengremium war nach Ansicht von Antje Schneeweiß nicht wirklich mit bahnbrechenden Empfehlungen zu rechnen. Zu kritisieren ist aber darüber hinaus, dass die zivilgesellschaftliche Expertise z.B. der Brüsseler Organisation „Finance Watch“ ebenso außen vor blieb, wie die Berücksichtigung der Erfahrung von Alternativbanken, die seit Jahrzehnten in einem schwierigen Umfeld eine konsequent nachhaltige Anlagestrategie umsetzen.
Mit der heutigen Veröffentlichung des Berichts erneuert SÜDWIND seine Forderung für eine Finanzmarktregulierung, die die Risiken von Umweltzerstörung, Klimawandel und Menschenrechtsverletzungen in höhere Eigenkapitalanforderungen für Banken umsetzt. Darüber hinaus bedarf es endlich einer europäischen Standardsetzung, die eine Negativliste von inakzeptablen Investitionen enthält.
Die hochrangige EU-Expertenkommission zum nachhaltigen Finanzwesen, kurz HLEG (High Level Expert Commission on Sustainable Finance), wurde im Jahr 2016 von der EU-Kommission einberufen. Sie besteht aus Expertinnen und Experten aus Finanzwesen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Gruppe sollte für die EU-Kommission Empfehlungen zur systematischen Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzwesen der Europäischen Union erarbeiten.
Stellungnahme zivilgesellschaftlicher Organisationen
Quelle: Pressemitteilung SÜDWIND, 31.01.2018