Zahlreiche Missstände im Arbeitsalltag der boomenden Industrie des 19. Jahrhunderts führten vor mittlerweile fast 100 Jahren zur Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Mit ihr sollte unter Beteiligung von Regierungen, Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmer-organisationen die Lage der Beschäftigten verbessert werden. Kurz vor dem 100. Geburtstag der ILO fragt SÜDWIND nun in einer neuen Studie: Ist diese Mission angesichts der vielen Arbeitsrechtsverletzungen weltweit gescheitert?
Die häufig zitierten sog. Kernarbeitsnormen verurteilen Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz und sichern das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Und stellen damit also so etwas wie einen Mindeststandard dar. Sabine Ferenschild, die Autorin der Studie, betont aber, dass die ILO aus weit mehr besteht als nur aus den Kernarbeitsnormen. So wird die Einhaltung des weitreichenden ILO-Rechts durch ein vielschichtiges Aufsichtssystem überwacht. „Ein grundlegendes Problem ist aber, dass die Umsetzung des ILO-Rechts unter anderem an der Entscheidungsfreiheit einzelner Mitgliedsstaaten scheitert, die einzelnen Übereinkommen zu ratifizieren oder eben nicht zu ratifizieren.“
Die SÜDWIND-Studie skizziert die Entstehungsgeschichte der ILO, gibt einen Überblick über die Strukturen sowie die grundlegenden Dokumente der ILO. Thematisiert wird auch, dass mit Brasilien, China, Indien, Japan und den USA selbst fünf der zehn ständigen Mitglieder des ILO-Verwaltungsrates nicht alle Kernarbeitsnormen ratifiziert haben. Auch die von vielen als Stärke gepriesene Dreigliedrigkeit der ILO (mit Regierungen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gibt es drei Parteien, die das ILO-Recht formulieren und überwachen) stellt die Studie angesichts des seit dem Jahr 2012 eskalierten Konflikts zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite um das Streikrecht infrage.
Für eine gute Zukunft der Organisation und für mehr Erfolg bei der Umsetzung des ILO-Rechts bedarf es deshalb struktureller Reformen, sonst droht die Mission der ILO zu scheitern. Doch, so Ferenschild, „eine internationale Regelungsinstanz wie die ILO ist nötiger denn je: Wo sonst wird in einer Fülle freiwilliger Unternehmensverantwortung noch verbindliches Recht für globale Wirtschaftsprobleme geschaffen?“
Ergänzt wird die Studie durch ein vierseitiges Fact Sheet, das die Inhalte der Studie knapp zusammenfasst.
Die Studie, die von Engagement Global im Auftrag des BMZ und von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert wurde, bildet den Ausganspunkt von insgesamt sechs Studien zur Internationalen Arbeitsorganisation, die SÜDWIND in diesem und im nächsten Jahr vorlegen wird.
Quelle: Pressemitteilung SÜDWIND, 25.09.2017