Geplante engere Zusammenarbeit der EU mit Niger und Tschad ist aufgrund der aktuellen Menschenrechtslage vor Ort problematisch
Das Gipfeltreffen in Paris zur europäischen Flüchtlingspolitik hatte vor allem ein Ziel: Das Leid von Schutzbedürftigen und Migranten soll aus dem Blickfeld der Europäer verschwinden, indem die europäischen Außengrenzen de facto vollends nach Afrika verlagert werden. „Die Vorschläge der deutschen und französischen Regierungen zum Umgang mit Flüchtlingen und Migranten aus Subsahara-Afrika sind eine Farce“, sagt Franziska Vilmar, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland. „Migrationskooperationen mit dem Tschad, mit Niger und Libyen schätzt Amnesty zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der dortigen Menschenrechtssituation als problematisch ein.“
Der Armee des Tschad werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, so haben Sicherheitskräfte im vergangenen Jahr wiederholt mit exzessiver Gewalt friedliche Demonstrationen niedergeschlagen, dabei wurden immer wieder Menschen erschossen. In Niger ließ die Regierung im vergangenen Jahr im Kampf gegen Boko Haram Hunderte Menschen einsperren, denen ohne ausreichende Beweise Unterstützung von Boko Haram unterstellt wurde.
„Der Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) solle Asylverfahren vor Ort im Niger und im Tschad durchführen, ist aufgrund fehlender Kapazitäten beim UNHCR bisher völlig unrealistisch“, so Vilmar. Hinzu kommt, dass es bei der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten überhaupt keine Bereitschaft gibt, Flüchtlinge oder Migranten aufzunehmen.
„Die neuen Vorschläge aus Deutschland und Frankreich zur Flüchtlingspolitik lenken ab von akuten Problemen, bei denen es dringenden Handlungsbedarf gibt: Weiterhin machen sich Menschen auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa, um Folter und Haft in Libyen zu entkommen“, sagt Vilmar.
Dieses von Konflikten erschütterte Land hat – aufgerüstet und geschult durch die EU – seine eigene Seenotrettungszone ausgerufen und Rettungsschiffe von Menschenrechtsorganisationen vertrieben. Die europäischen Staaten haben die libyschen Gewaltdrohungen gegen Nichtregierungsorganisationen im Mittelmeer billigend in Kauf genommen.
„Amnesty International fordert die europäischen Regierungen dringend dazu auf, eine europäische Seenotrettung im Mittelmeer einzurichten“, so Vilmar.
Mehr zur Situation in Libyen und zur Fluchtroute über das Mittelmeer finden Sie in dem Amnesty-Bericht „A perfect storm: The failure of European policies in the Central Mediterranean“: bit.ly/AmnestyLibyen.
Quelle: Pressemitteilung Amnesty International, 29.08.2017