VENRO: Nachhaltige Entwicklungsziele – Deutschland muss Vorreiterrolle einnehmen

VENRO hat am 4. Februar an einem Fachgespräch zum Thema „Sustainable Development Goals“ (SDG) im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin teilgenommen. Heike Spielmans, Geschäftsführerin von VENRO, forderte von der Bundesregierung bei der Umsetzung der neuen nachhaltigen Entwicklungsziele eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Statement zum öffentlichen Fachgespräch zum Thema „Sustainable Development Goals“

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Mittwoch, 4. Februar 2015, 11.00-13.00 Uhr

Heike Spielmans, Geschäftsführerin von VENRO

Sehr geehrte Abgeordnete,

es ist mir eine große Freude, die Gelegenheit zu haben, Sie über Positionen des Verbandes Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe zu den SDG zu informieren. VENRO ist der Dachverband von aktuell 122 entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen in Deutschland. Seit ihrer Verabschiedung haben wir die Umsetzung der MDG intensiv verfolgt und seit Beginn der Diskussionen um eine neue globale Agenda für Entwicklung und Nachhaltigkeit sind wir daran beteiligt. U.a. haben wir zusammen mit 11 Verbänden und Netzwerken aus dem Umwelt-, Menschenrechts- und Friedensbereich in acht Kernpunkten http://venro.org/uploads/tx_igpublikationen/VENRO-PP_8Kernpunkte_web_FINAL.pdf unsere Erwartungen an neue Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert. Uns geht es darum, dass im September 2015 eine ambitionierte globale Agenda verabschiedet wird, die eine Grundlage bildet für die Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen weltweit, der vollständigen Überwindung von extremer Armut und Hunger, der Durchsetzung der Menschenrechte sowie Geschlechter-, Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit und dies alles unter Wahrung der planetarischen Grenzen.

Die Verhandlungen über die SDG sind nun in die entscheidende Phase getreten. Ich möchte mich in meinem Beitrag in erster Linie auf die Position der Bundesregierung für die Verhandlungen konzentrieren.

  • Was bewerten wir positiv?
  • Welche weiteren Vorschläge haben wir?

Wir freuen uns sehr, dass die Bundesregierung mit den von ihr genannten vier strategischen Themenbereichen die vier Dimensionen nachhaltiger Entwicklung abbildet und Kernpunkte der neuen Agenda benennt:

  • Extreme Armut und Hunger beseitigen
  • Natürliche Lebensgrundlagen bewahren
  • Menschenwürdige Beschäftigung und angemessenes Einkommen
  • Gute Regierungsführung, Gleichstellung der Geschlechter, Menschenrechte und Frieden

Eine wichtige Basis im derzeit laufenden Verhandlungsprozess bilden die Vorschläge der Open Working Group (OWG). Wir begrüßen und unterstützen die in 17 Zielen und 169 Unterzielen dargelegten Vorschläge der OWG, wenngleich sie uns in manchen Punkten nicht weit genug gehen und zu unkonkret sind. Dennoch stellen sie aus unserer Sicht die „rote Linie“ der Verhandlungen dar. Wir appellieren an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Nachhaltigkeitsziele keinesfalls hinter die OWG-Vorschläge zurückfallen.

Wo sehen wir weiteren Handlungsbedarf? Ich möchte vier Punkte nennen, die wir im laufenden Prozess für besonders wichtig halten:

  1. Der Fokus der SDG hat sich im Vergleich zu den MDG verschoben. Es geht nicht mehr allein um die Entwicklung des armen Südens. Die Universalität der Ziele bedeutet eine große Herausforderung gerade auch für die Industrieländer, auch für Deutschland. Mit dem Begriff „ökologisch verträgliches Wachstum“ überspielt die Bundesregierung den bestehenden Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Einhaltung der planetarischen Grenzen. Wir fordern von der Bundesregierung, eine umfassende Transformation hin zu einer nachhaltigen, auf Suffizienz und Effizienz gerichteten Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten.
  2. Auch wenn es bei der neuen Agenda nicht mehr allein um Entwicklungspolitik geht, muss ihre Umsetzung durch solide Finanzierungszusagen und die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel begleitet werden. Wir fordern von der Bundesregierung, das Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung für die neue Agenda zu übernehmen und als eigenen Beitrag einen konkreten Zeitplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels vorzulegen.
  3. Es geht bei der neuen Agenda nicht um nationale Lösungen oder die Politik einzelner Nationalstaaten. Mit ihrer Betonung einer „neuen Globalen Partnerschaft“ unterstreicht die Bundesregierung die notwendige internationale Zusammenarbeit. Sie legt dabei einen starken Fokus auf die Eigenverantwortung der Länder wie auf die Einbeziehung privater Akteure. Ebenso wichtig wie die Ziele selbst, sind aber klare Regelungen für deren Verbindlichkeit und regelmäßige Überprüfung. Wir fordern von der Bundesregierung, sich für eine verbindliche, transparente Rechenschaftspflicht und regelmäßige Überprüfung auf Basis noch zu erarbeitender Indikatoren einzusetzen. Dabei darf die Verantwortlichkeit der Regierungen nicht auf sogenannte Multiakteurspartnerschaften verschoben werden.
  4. Es wird also auch darum gehen, die SDG in Deutschland umzusetzen. Da unser ökologischer Fußabdruck weit überschritten ist, bedeutet eine Umsetzung der SDG, über das Vorhandene deutlich hinauszugehen. Die Bundesregierung verweist in ihrem Bericht auf eine Weiterentwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016. Diese darf sich jedoch nicht auf die Stärkung oder Verbesserung in einzelnen ausgewählten Sektoren beschränken. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit der Umsetzung der SDG auf nationaler Ebene eine Vorreiterrolle einzunehmen und anspruchsvolle, verbindliche nationale Ziele zu formulieren, die den Zielkatalog der SDG vollständig abbilden.

Abschließend möchte ich dafür plädieren, die Entwicklung einer neuen globalen Agenda nicht in erster Linie technisch zu betrachten. Nicht allein die Zahl der Ziele oder auf welcher Ebene sie verortet sind, wird darüber entscheiden, ob die SDG tatsächlich einen Beitrag für die Gestaltung einer nachhaltigen Welt leisten werden. Für die notwendigen Weichenstellungen braucht es eine neue Kooperationsfähigkeit der Weltgemeinschaft und politische Mehrheiten. Die breite Debatte dazu steht in Deutschland noch aus.

VENRO wird mit seiner Kampagne „Deine Stimme gegen Armut“ daran mitwirken, die noch unzureichende öffentliche Debatte anzustoßen. Wir ermuntern dazu, sich für die Herstellung von globaler Gerechtigkeit einzusetzen – ein Begriff, der sich in der Position der Bunderegierung leider nicht finden lässt.

Ich freue mich auf die Gelegenheit, unsere Einschätzungen und Anregungen mit Ihnen zu diskutieren.

Das vollständige Statement zum Download

Bild: VENRO

Quelle: VENRO Newsletter Februar 2015VENRO hat am 4. Februar an einem Fachgespräch zum Thema „Sustainable Development Goals“ (SDG) im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin teilgenommen. Heike Spielmans, Geschäftsführerin von VENRO, forderte von der Bundesregierung bei der Umsetzung der neuen nachhaltigen Entwicklungsziele eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Statement zum öffentlichen Fachgespräch zum Thema „Sustainable Development Goals“

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Mittwoch, 4. Februar 2015, 11.00-13.00 Uhr

Heike Spielmans, Geschäftsführerin von VENRO

Sehr geehrte Abgeordnete,

es ist mir eine große Freude, die Gelegenheit zu haben, Sie über Positionen des Verbandes Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe zu den SDG zu informieren. VENRO ist der Dachverband von aktuell 122 entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen in Deutschland. Seit ihrer Verabschiedung haben wir die Umsetzung der MDG intensiv verfolgt und seit Beginn der Diskussionen um eine neue globale Agenda für Entwicklung und Nachhaltigkeit sind wir daran beteiligt. U.a. haben wir zusammen mit 11 Verbänden und Netzwerken aus dem Umwelt-, Menschenrechts- und Friedensbereich in acht Kernpunkten http://venro.org/uploads/tx_igpublikationen/VENRO-PP_8Kernpunkte_web_FINAL.pdf unsere Erwartungen an neue Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert. Uns geht es darum, dass im September 2015 eine ambitionierte globale Agenda verabschiedet wird, die eine Grundlage bildet für die Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen weltweit, der vollständigen Überwindung von extremer Armut und Hunger, der Durchsetzung der Menschenrechte sowie Geschlechter-, Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit und dies alles unter Wahrung der planetarischen Grenzen.

Die Verhandlungen über die SDG sind nun in die entscheidende Phase getreten. Ich möchte mich in meinem Beitrag in erster Linie auf die Position der Bundesregierung für die Verhandlungen konzentrieren.

  • Was bewerten wir positiv?
  • Welche weiteren Vorschläge haben wir?

Wir freuen uns sehr, dass die Bundesregierung mit den von ihr genannten vier strategischen Themenbereichen die vier Dimensionen nachhaltiger Entwicklung abbildet und Kernpunkte der neuen Agenda benennt:

  • Extreme Armut und Hunger beseitigen
  • Natürliche Lebensgrundlagen bewahren
  • Menschenwürdige Beschäftigung und angemessenes Einkommen
  • Gute Regierungsführung, Gleichstellung der Geschlechter, Menschenrechte und Frieden

Eine wichtige Basis im derzeit laufenden Verhandlungsprozess bilden die Vorschläge der Open Working Group (OWG). Wir begrüßen und unterstützen die in 17 Zielen und 169 Unterzielen dargelegten Vorschläge der OWG, wenngleich sie uns in manchen Punkten nicht weit genug gehen und zu unkonkret sind. Dennoch stellen sie aus unserer Sicht die „rote Linie“ der Verhandlungen dar. Wir appellieren an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Nachhaltigkeitsziele keinesfalls hinter die OWG-Vorschläge zurückfallen.

Wo sehen wir weiteren Handlungsbedarf? Ich möchte vier Punkte nennen, die wir im laufenden Prozess für besonders wichtig halten:

  1. Der Fokus der SDG hat sich im Vergleich zu den MDG verschoben. Es geht nicht mehr allein um die Entwicklung des armen Südens. Die Universalität der Ziele bedeutet eine große Herausforderung gerade auch für die Industrieländer, auch für Deutschland. Mit dem Begriff „ökologisch verträgliches Wachstum“ überspielt die Bundesregierung den bestehenden Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Einhaltung der planetarischen Grenzen. Wir fordern von der Bundesregierung, eine umfassende Transformation hin zu einer nachhaltigen, auf Suffizienz und Effizienz gerichteten Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten.
  2. Auch wenn es bei der neuen Agenda nicht mehr allein um Entwicklungspolitik geht, muss ihre Umsetzung durch solide Finanzierungszusagen und die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel begleitet werden. Wir fordern von der Bundesregierung, das Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung für die neue Agenda zu übernehmen und als eigenen Beitrag einen konkreten Zeitplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels vorzulegen.
  3. Es geht bei der neuen Agenda nicht um nationale Lösungen oder die Politik einzelner Nationalstaaten. Mit ihrer Betonung einer „neuen Globalen Partnerschaft“ unterstreicht die Bundesregierung die notwendige internationale Zusammenarbeit. Sie legt dabei einen starken Fokus auf die Eigenverantwortung der Länder wie auf die Einbeziehung privater Akteure. Ebenso wichtig wie die Ziele selbst, sind aber klare Regelungen für deren Verbindlichkeit und regelmäßige Überprüfung. Wir fordern von der Bundesregierung, sich für eine verbindliche, transparente Rechenschaftspflicht und regelmäßige Überprüfung auf Basis noch zu erarbeitender Indikatoren einzusetzen. Dabei darf die Verantwortlichkeit der Regierungen nicht auf sogenannte Multiakteurspartnerschaften verschoben werden.
  4. Es wird also auch darum gehen, die SDG in Deutschland umzusetzen. Da unser ökologischer Fußabdruck weit überschritten ist, bedeutet eine Umsetzung der SDG, über das Vorhandene deutlich hinauszugehen. Die Bundesregierung verweist in ihrem Bericht auf eine Weiterentwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016. Diese darf sich jedoch nicht auf die Stärkung oder Verbesserung in einzelnen ausgewählten Sektoren beschränken. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit der Umsetzung der SDG auf nationaler Ebene eine Vorreiterrolle einzunehmen und anspruchsvolle, verbindliche nationale Ziele zu formulieren, die den Zielkatalog der SDG vollständig abbilden.

Abschließend möchte ich dafür plädieren, die Entwicklung einer neuen globalen Agenda nicht in erster Linie technisch zu betrachten. Nicht allein die Zahl der Ziele oder auf welcher Ebene sie verortet sind, wird darüber entscheiden, ob die SDG tatsächlich einen Beitrag für die Gestaltung einer nachhaltigen Welt leisten werden. Für die notwendigen Weichenstellungen braucht es eine neue Kooperationsfähigkeit der Weltgemeinschaft und politische Mehrheiten. Die breite Debatte dazu steht in Deutschland noch aus.

VENRO wird mit seiner Kampagne „Deine Stimme gegen Armut“ daran mitwirken, die noch unzureichende öffentliche Debatte anzustoßen. Wir ermuntern dazu, sich für die Herstellung von globaler Gerechtigkeit einzusetzen – ein Begriff, der sich in der Position der Bunderegierung leider nicht finden lässt.

Ich freue mich auf die Gelegenheit, unsere Einschätzungen und Anregungen mit Ihnen zu diskutieren.

Das vollständige Statement zum Download

Bild: VENRO

Quelle: VENRO Newsletter Februar 2015