Sehr geehrter Herr Horstmann, Sie sind Pfarrer und zudem im Gemeindedienst für Mission und Ökumene der Region Köln-Bonn tätig. Wie sieht Ihre Arbeit neben der Gestaltung der Gottesdienste aus?
Ich bin Pfarrer und ganz und gar im GMÖ tätig. Meine Aufgabe ist es, die sieben Kirchenkreise, in denen die 124 Gemeinden meiner Region miteinander verbunden sind, darin zu unterstützen, die Ökumene vor Ort wahrzunehmen. Ökumene meint dabei im Übrigen nicht das Miteinander über konfessionelle Grenzen hinweg, wie zum Beispiel zur römisch-katholischen Kirche. Es geht um das Miteinander der Christinnen und Christen weltweit, etwa im Rahmen des Ökumenischen Rates der Kirche.
Konkret bestehen hier bei uns seit Jahrzehnten die Partnerschaft des Kirchenkreises Bonn mit dem Kirchenkreis Kusini A im Westen Tansanias, seitens des Kirchenkreises An Sieg und Rhein eine Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Tsumeb im Norden Namibias und die Gemeinde Beuel ist mit einer indonesischen Kirche eng verbunden. Das gilt auch für das Oberbergische und den Kölner Norden. Die Kirchenkreise Köln-Mitte und Rechtsrheinisch sind partnerschaftlich mit Hongkong, Taiwan, dem Ost-Kongo und dem Süden Brasiliens verbunden.
Ich fördere diese internationalen Verbindungen indem ich die Partnerschaftsgruppen begleite und berate. Und natürlich auch indem ich Gottesdienste mitgestalte oder Bildungsangebote für Gemeindegruppen oder Konfirmandinnen und Konfirmanden mache. Im Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel hat z.B. ein Eine-Welt-Gottesdienst Tradition, den ein Arbeitskreis thematisch und liturgisch mit mir zusammen entwickelt und der jedes Jahr im Sommer in den Gemeinden gefeiert wird. In diesem Jahr ging es um das „Buen vivir“. Im Ganzen geht es immer darum, die Erfahrungen unserer Partner in Afrika oder Asien hier bekannt zu machen und ins Gespräch zu bringen. Dieser Blickwinkel ist für meine ökumenische Arbeit maßgeblich.
Und was bedeutet Mission in diesem Zusammenhang?
Die Zeit, in der die Kirche Menschen aussandte, um gewissermaßen weiße Flecken zu erobern, ist ganz und gar vorbei. Mit unseren Geschwistern in den Kirchen, die aus der Arbeit der europäischen und amerikanischen Missionsgesellschaften hervorgingen, verstehen wir uns heute in der Mission miteinander verbunden. Was Mission heute bedeutet, lernen wir miteinander. Es geht in der Mission um Gottes Zuwendung zur Welt und für uns darum, zur heilvollen Entwicklung dieser Welt beizutragen. Darum ist der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung ein zentrales Anliegen in der Mission. Wenn wir als Christinnen und Christen so auf andere überzeugend wirken, freut uns das natürlich auch. Aber Mission ist Gottes Sache, kein Projekt der Kirche.
Gleichzeitig unterrichten Sie Evangelische Theologie an der Universität des Saarlandes. Welche Arbeit begeistert Sie mehr, die Arbeit als Pfarrer oder als Dozent?
Ja, das stimmt. Ich wirke in Saarbrücken als Privatdozent für Praktische Theologie an der Lehre mit. Ich studiere und unterrichte gern. Darum habe ich mich habilitiert. Was mich begeistert ist nicht das eine oder das andere. Ich freue mich darüber, dass es mir gelingt, kirchliche Praxis und die theologische Reflexion so miteinander zu verbinden. Klar ist aber auch: Ich bin Pfarrer von Beruf. Dozent bin ich nur privat.
Man kann in den Zeitungen lesen, dass immer mehr junge Menschen die Kirche verlassen. Wie kann man Ihrer Meinung nach die Jugend mit aktuellen Themen wieder für die Kirche begeistern?
Wenn es so einfach wäre. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir aktuelle Themen in der Jugendarbeit aufnehmen. Die Jugendleiter machen ihre Angebote sehr bewusst im Blick auf das, was bei Jugendlichen dran ist: altersmäßig und lebensweltlich. Und das gilt grundsätzlich auch für die Pfarrerinnen. Wahrscheinlich haben wir auch deswegen ein größeres Problem mit der Entwicklung der Alterspyramide insgesamt, als mit Kirchenaustritten.
Nichtsdestotrotz: In der Ausdifferenzierung der Lebenswelten hat die Kirche als Institution in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Es gibt für junge Menschen eine ungeheure Fülle an Angeboten und Möglichkeiten, zusammen zu kommen, Interessen zu verfolgen. Dieses Schicksal teilen wir ja auch mit anderen Großorganisationen. Gleichwohl: Zum Jugendcamp der Evangelischen Kirche im Rheinland, das vom 19. bis 22. Juni 2014 in Siegburg stattfinden wird, erwarten wir über 3000 Jugendliche als Dauerteilnehmende. Seitens des GMÖ sind wir an der Vorbereitung dieses Camps beteiligt. Geplant sind unter anderem Ausstellungen und Workshops wie z.B. zu Themen wie Fairer Kleidung, Wasser und Menschenrechten. Denn wie schon gesagt: Missionarisch geht es nicht darum, Jugendliche für die Kirche zu begeistern, sondern darum, die Kirche als Ort erfahrbar zu machen, an dem es um das Leben in dieser Welt geht und darum, Gottes Angebot für uns in dieser Welt zu entdecken.
Auf Ihrer Homepage berichten Sie von Ihrem großen Interesse am Umweltmanagement. Woher kommt diese Begeisterung?
Als Pfarrer der Ev. Studierendengemeinde in Saarbrücken habe ich von 2001 bis 2003 an einem Pilotprojekt der Heidelberger Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft mitgewirkt. Ziel des Projektes war es, Methoden und Verfahren des Umweltmangements in kirchlichen Modelleinrichtungen so zu entwickeln, dass sie sich für die alltägliche Praxis eignen. Schon die Datenerhebung – das bewusste Wahrnehmen dessen, was ist – hat in unserem Gemeindezentrum und Wohnheim als Augenöffner gewirkt. Ganz schnell haben wir ökologische Standards in allen Bereichen unseres Wirtschaftens angehoben, weil es schlicht auch ökonomisch angezeigt war. In der Folgezeit, bis zu meinem Wechsel nach Köln/Bonn, hat das System des Umweltmanagements dann ganz erheblich dazu beigetragen, die Standards zu halten und weiter zu verbessern. Die Sache eben nicht allein dem guten Willen und also einiger Zufälligkeit zu überlassen. Das hat mich überzeugt. Begeisterung ist natürlich was anderes. Das mir der Natur- und Umweltschutz so wichtig ist hat schlicht damit zu tun, dass ich gerne draußen bin. Als Jugendlicher war ich im Deutschen Bund für Vogelschutz engagiert, dem heutigen Nabu.
Welche Bedeutung hat die Umwelt in Ihrer Arbeit als Pfarrer?
Wie heißt es: Man schützt was man liebt? Als Studierendenpfarrer waren es Kanutouren und Wanderungen, die ich regelmäßig mit Gemeindegruppen unternommen habe. Erlebnispädagogische Ansätze, Menschen mit der Natur vertraut machen, mit ihrer Mitwelt als Lebensraum. In meiner Arbeit im GMÖ geht es heute vor allem darum dazu beizutragen, dass wir in unseren Gemeinden, die Bewahrung der Schöpfung im globalen Kontext auch als Frage nach globaler Gerechtigkeit verstehen lernen. Auf der zehnten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen Ende Oktober/Anfang November diesen Jahres haben Delegierte aus dem Pazifik berichtet, wie Ihnen das Wasser langsam aber sicher bis zum Hals steigt. Bewahrung der Schöpfung, das hat bei uns heute oft einen etwas süßlichen Klang. Die Sache, um die es geht, ist dramatisch! Darum vermitteln wir im GMÖ Erfahrungen unserer Partner im globalen Süden, bringen deren Erfahrungen vom Rand in unsere Mitte und engagieren uns dementsprechend in unserer Kirche im Sinne eines Wirtschaftens für das Leben.
Was motiviert Sie morgens und wie denken Sie abends darüber nach?
Was mich motiviert? Die Freude an dem, was sein soll. Ich kann nicht einfach im Bett liegen bleiben. Ich will mich einmischen und tun, was ich tun kann, um das Schöne zu bewahren und das zu fördern, was mir im Horizont des Reiches Gottes gut zu sein scheint. Abends, wenn ich nach getaner Arbeit einfach nur müde bin, denke ich oft, dass mir eine größere Gelassenheit gut täte. All der Sachen wegen, die zu tun sind, genieße ich zu wenig. Und darüber ärgere ich mich dann. Ich arbeite gern. Aber Genuß ist ist die Unterbrechung von Arbeit.
Welche Frage würden Sie gerne einmal beantworten, die Ihnen noch nie gestellt wurde?
Na, da bin ich überfragt. Ihre letzte Frage ist mir noch nie gestellt worden! Und sie zu beantworten hat mir zu einer kleinen Selbsterkenntnis verholfen. Vielen Dank.
Das Interview führte Janine Dornbusch