Fairtrade will ein neues Label für Textilien entwickeln. Bisher gibt es zwar Kleidung aus fair produzierter Baumwolle, bei der Weiterverarbeitung muss aber lediglich die ILO-Kernarbeitsnorm eingehalten werden, die etwa Kinder- oder Zwangsarbeit verbietet. Künftig soll nun die gesamte Produktionskette inklusive der Bedingungen für Arbeiter in den Fabriken dem fairen Standard entsprechen. In drei Jahren könnten die ersten Fairtrade-zertifizierten Hemden und Hosen zu kaufen sein, sagt Maren Sartory von Fairtrade Deutschland im Interview.
Frau Sartory, beeinflusst Fairtrade den Textilmarkt positiv oder fristet entsprechende Kleidung noch ein Nischendasein?
Der Marktanteil ist leider noch sehr gering, ich kann nicht einmal sagen, wie hoch. Aber von einem Nischendasein würde ich nicht sprechen. Das mediale Interesse an fair produzierter Kleidung ist sehr groß, auch Konsumenten wünschen sich mehr davon. Aber wer faire Kleidung kaufen will, der muss momentan danach suchen.
Warum eigentlich?
Die meisten Unternehmen kaufen irgendwo fertige Stoffe, T-Shirts oder Hosen und kennen ihre Lieferkette nicht. Die meisten Konsumenten wiederum wollen zwar keine Kleidung aus Kinderarbeit, aber ein Schnäppchen. Beim Kaffee greifen sie häufiger zu Fairtrade, bei Textilien kaufen sie aber mit einer ganz anderen Intention ein: Sie wollen primär Kleidung, die ihnen steht. Das Einkaufsverhalten ist ein komplett anderes. Deshalb sind hier weniger die Konsumenten und mehr die Firmen in der Verantwortung. Die müssen dafür sorgen, dass ihre Lieferketten fair sind.
Momentan ist bei Fairtrade-Kleidung nur die Baumwolle fair, nicht die gesamte Lieferkette.
Richtig, bisher gibt es tatsächlich keinen Standard, der das von Anfang bis Ende komplett garantiert. Der GOTS, also der Global Organic Textile Standard, bezieht sich nur auf den Bio-Bereich, der macht aber am Markt nur einen kleinen Anteil aus. Bei Fairtrade ist die Baumwolle fair, weil sich die Standards nur auf den Anbau beziehen. Jetzt wollen wir aber die gesamte Lieferkette zertifizieren. Fairtrade ist übrigens nicht bio, auch wenn wir den entsprechenden Anbau mit einem Bonus fördern und auch ökologische Kriterien haben.
Warum ist es so schwer, die gesamte Lieferkette zu zertifizieren?
Wir wollen nicht einfach einen neuen Standard schaffen. Vor kurzem waren wir in Indien unterwegs, da waren wir in Fabriken, in denen hängen schön nebeneinander aufgereiht 20 Zettel mit diversen Zertifizierungen und Verhaltensnormen. Die werden aber nicht gelebt. Nach der Zertifizierung herrscht Stillstand. Wir wollen, dass sich ein Unternehmen auch in eine bestimmte Richtung entwickelt. Es bringt nichts, nur eine Liste abzuhaken.
Was heißt das konkret?
Beispielsweise müssen die Fabriken nachweisen, dass sich die Einkommen nach oben entwickeln. Wir wollen auch, dass die Mitarbeiter geschult und qualifiziert werden. Allgemein arbeiten wir im Fairtrade-System mit einem Netzwerk an Beratern zusammen. Sie helfen dann den Gremien, die darüber entscheiden, wie die Fairtrade-Gelder investiert werden, weil die Arbeiter, die darüber entscheiden, oft keinen höheren Schulabschluss haben. Das alles muss sich erst etablieren.
Wie viele der großen Bekleidungsketten springen bisher auf ihre Idee an?
Bisher gibt es den Standard noch nicht, aber das Interesse ist groß. Manche haben zumindest vereinzelt Bio-Kleidung im Angebot. Aber bei Fairtrade müssen Sie auf langfristige Beziehungen zu ihren Lieferanten setzen. Momentan existieren diese häufig nicht. Wir wollen die Entwicklung des Standards noch dieses Jahr beginnen und hoffen, dass wir dann für die Implementierung möglichst schnell Unternehmen mit an Bord bekommen.
Wird die Kleidung dann teurer?
Das muss nicht sein. Wir haben in Indien Fabriken gesehen, da kommen das billige T-Shirt und das Designer-T-Shirt aus der gleichen Produktionslinie. Die Lohnkosten fallen bei Textilien ohnehin kaum ins Gewicht. Faire Rohstoffe sind auf jeden Fall genug da: Wir haben Bauern, die verkaufen 80 Prozent ihrer Fairtrade-zertifizierten Baumwolle zum normalen Preis, weil die Nachfrage nach fairer Produktion so gering ist.
Das Interview führte Ingo Arzt
Das Original des Inteviews finden Sie hier, und im Newsletter des Rats für Nachhaltige Entwicklung vom 16.01.2014.
Quelle: Rat für Nachhaltige Entwicklung