DNR: Kommentar zum Weltagrarbericht 2009

Die Steigerung der Produktivität in der Landwirtschaft um jeden Preis ist nicht der Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt. Zudem sind die ökologischen Folgen nicht vertretbar. Dies ist das einleuchtende Fazit des Weltagrarberichts IAASTD, den bisher mehr als 60 Staaten unterzeichnet haben und dessen Synthesebericht nun in deutscher Übersetzung vorliegt.

Die große Herausforderung für die kommenden Jahre besteht darin, der andauernden Ernährungskrise – über eine Milliarde Menschen hungern – ein Ende zu setzen und für die wachsende Weltbevölkerung die Ernährung zu sichern, ohne Ökosysteme und natürliche Lebensgrundlagen weiter zu zerstören. Das kann, so der Weltagrarbericht, nur mit einem radikalen Wandel in der landwirtschaftlichen Forschung, Entwicklung und Praxis bewältigt werden. Dazu gehört, dass die Multifunktionalität der Landwirtschaft anerkannt und gezielt gefördert wird: Landwirtschaft produziert nicht nur Lebensmittel und Agrar­roh­stof­fe, sondern kann – nachhaltig betrieben – natürliche Ressourcen und Biodiversität erhalten, CO2 binden, gesunde Ernährung fördern und Existenzen in ländlichen Gebieten schaffen.

Der im vergangenen Jahr vorgelegte Weltagrarbericht geht davon aus, dass Ernährungssicherheit in Zeiten des Klimawandels nur regional und lokal zu gewährleisten ist. Entsprechend lenkt er den Blick auf kleinbäuerliche Strukturen, die im Zentrum der Bemühungen um ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung stehen müssen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis lautet, dass die Verfügbarkeit von Wissen vor Ort – gerade auch von lokalem, traditionellem und indigenem Wissen – für eine langfristig nachhaltige Entwicklung bedeutsamer ist als Hightechlösungen wie die Agrogentechnik.

Nicht nur der Inhalt, sondern auch der interdisziplinäre Prozess, aus dem der Weltagrarbericht hervorgegangen ist, überzeugt. Auf Initiative von Robert T. Watson, Chefwissenschaftler für nachhaltige Entwicklung bei der Weltbank, und im Auftrag der Vereinten Nationen beschlossen im September 2004 Regierungsvertreter aus über 70 Ländern, ein International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development (IAASTD) durchzuführen. 400 ExpertInnen aus allen Disziplinen und aus allen Weltregionen erhielten den Auftrag, das verfügbare Wissen über Landwirtschaft zu bewerten. In den Folgejahren legten sie einen globalen Bericht und fünf regionale Berichte jeweils zweimal zur öffentlichen Kommentierung vor. Eigens ausgewählte Review-Editoren garantierten, dass die unzähligen kritischen Kommentare in den Überarbeitungen berücksichtigt wurden.

Noch sind die Erkenntnisse des Berichts nicht bei den Entscheidungsträgern angekommen. Selbst die Weltbank als Initiatorin des Weltagrarberichts verbreitet die Resultate nicht offensiv, da sie zu sehr von ihrem eigenen Weltentwicklungsbericht 2008 abweichen. Croplife, ein internationaler Interessenverband der Agrarindustrie, stieg in letzter Minute aus dem IAASTD-Prozess aus, weil er neue Technologien und industrielle Landwirtschaft nicht genug gewürdigt sah. Auch die deutsche Bundesregierung beteiligte sich bisher nicht. Die Übersetzung des Weltagrarberichts wird hierzulande hoffentlich zu einer breiteren öffentlichen Debatte über nachhaltige Landwirtschaft führen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollten besser jetzt als später zu zentralen Grundsätzen globalen Denkens und Verhandelns werden.

Autorin: Frauke Wiprich

Der Weltagrarbericht 2009 ist unter folgendem Link herunterladbar: http://hup.sub.uni-hamburg.de/products-page/publikationen/78/

Weitere Informationen unter: http://www.weltagrarbericht.de/Die Steigerung der Produktivität in der Landwirtschaft um jeden Preis ist nicht der Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt. Zudem sind die ökologischen Folgen nicht vertretbar. Dies ist das einleuchtende Fazit des Weltagrarberichts IAASTD, den bisher mehr als 60 Staaten unterzeichnet haben und dessen Synthesebericht nun in deutscher Übersetzung vorliegt.

Die große Herausforderung für die kommenden Jahre besteht darin, der andauernden Ernährungskrise – über eine Milliarde Menschen hungern – ein Ende zu setzen und für die wachsende Weltbevölkerung die Ernährung zu sichern, ohne Ökosysteme und natürliche Lebensgrundlagen weiter zu zerstören. Das kann, so der Weltagrarbericht, nur mit einem radikalen Wandel in der landwirtschaftlichen Forschung, Entwicklung und Praxis bewältigt werden. Dazu gehört, dass die Multifunktionalität der Landwirtschaft anerkannt und gezielt gefördert wird: Landwirtschaft produziert nicht nur Lebensmittel und Agrar­roh­stof­fe, sondern kann – nachhaltig betrieben – natürliche Ressourcen und Biodiversität erhalten, CO2 binden, gesunde Ernährung fördern und Existenzen in ländlichen Gebieten schaffen.

Der im vergangenen Jahr vorgelegte Weltagrarbericht geht davon aus, dass Ernährungssicherheit in Zeiten des Klimawandels nur regional und lokal zu gewährleisten ist. Entsprechend lenkt er den Blick auf kleinbäuerliche Strukturen, die im Zentrum der Bemühungen um ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung stehen müssen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis lautet, dass die Verfügbarkeit von Wissen vor Ort – gerade auch von lokalem, traditionellem und indigenem Wissen – für eine langfristig nachhaltige Entwicklung bedeutsamer ist als Hightechlösungen wie die Agrogentechnik.

Nicht nur der Inhalt, sondern auch der interdisziplinäre Prozess, aus dem der Weltagrarbericht hervorgegangen ist, überzeugt. Auf Initiative von Robert T. Watson, Chefwissenschaftler für nachhaltige Entwicklung bei der Weltbank, und im Auftrag der Vereinten Nationen beschlossen im September 2004 Regierungsvertreter aus über 70 Ländern, ein International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development (IAASTD) durchzuführen. 400 ExpertInnen aus allen Disziplinen und aus allen Weltregionen erhielten den Auftrag, das verfügbare Wissen über Landwirtschaft zu bewerten. In den Folgejahren legten sie einen globalen Bericht und fünf regionale Berichte jeweils zweimal zur öffentlichen Kommentierung vor. Eigens ausgewählte Review-Editoren garantierten, dass die unzähligen kritischen Kommentare in den Überarbeitungen berücksichtigt wurden.

Noch sind die Erkenntnisse des Berichts nicht bei den Entscheidungsträgern angekommen. Selbst die Weltbank als Initiatorin des Weltagrarberichts verbreitet die Resultate nicht offensiv, da sie zu sehr von ihrem eigenen Weltentwicklungsbericht 2008 abweichen. Croplife, ein internationaler Interessenverband der Agrarindustrie, stieg in letzter Minute aus dem IAASTD-Prozess aus, weil er neue Technologien und industrielle Landwirtschaft nicht genug gewürdigt sah. Auch die deutsche Bundesregierung beteiligte sich bisher nicht. Die Übersetzung des Weltagrarberichts wird hierzulande hoffentlich zu einer breiteren öffentlichen Debatte über nachhaltige Landwirtschaft führen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollten besser jetzt als später zu zentralen Grundsätzen globalen Denkens und Verhandelns werden.

Autorin: Frauke Wiprich

Der Weltagrarbericht 2009 ist unter folgendem Link herunterladbar: http://hup.sub.uni-hamburg.de/products-page/publikationen/78/

Weitere Informationen unter: http://www.weltagrarbericht.de/