BfN: Naturschutz und soziale Integration: Ziele lassen sich verknuepfen

Der gesellschaftliche und soziale Wandel in den letzten Jahrzehnten stellen auch den Naturschutz vor Herausforderungen. Die Chancen, die diese Herausforderungen in sich tragen, haben die Stiftung Naturschutzgeschichte, Königswinter und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in einer zweitägigen Dialogveranstaltung “Naturschutz – natürlich sozial!” gemeinsam mit rund 80 Vertreterinnen und Vertretern aus Naturschutz, Sozialwesen und Wissenschaft erörtert. Die Veranstaltung fand im Rahmen der neuen Dialogreihe “Bonner Gespräche zur Zukunft des Naturschutzes – Zukunft hat (auch) Vergangenheit” statt.

Naturschutz beruht auf gesellschaftlichen Wertentscheidungen. Er muss deshalb in Zeiten des sozialen Wandels seine Konzepte immer wieder anpassen und dabei auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren. Die Anliegen des Naturschutzes sind nach Ergebnissen der Naturbewusstseinsstudien des BfN vor allem in den bildungs- und einkommensbenachteiligten Milieus bislang nur schwach verankert. Daher stellt sich die Frage, auf welche Weise diese Menschen stärker für den Naturschutz gewonnen werden können, zumal vor dem Hintergrund einer in den letzten Jahrzehnten sich immer stärker öffnenden Schere zwischen Arm und Reich

Dabei sind, wie BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel, zum Auftakt der Tagung “Naturschutz – natürlich sozial!” erklärte, der Naturschutz und das Sozialwesen bzw. die Sozialpolitik “Verbündete im beiderseitigen Interesse”. Der Zusammenhang von Natur und Lebensqualität sei auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, beispielsweise der gesundheitlichen Chancengleichheit oder des gleichberechtigten Zugangs zu Grün- und Erholungsräumen im urbanen Bereich. “Naturschutz kann Menschen aus benachteiligten sozialen Schichten Zugänge zur Natur eröffnen, um deren Lebensbedingungen zu verbessern. Der Naturschutz kann damit wichtige Beiträge zur sozialen Integration leisten. Dies kann uns aber nur in Kooperation mit den Sozialverbänden gelingen”, sagte die BfN-Präsidentin.

Aus der Perspektive der Geschichte betonte Dr. Hans-Werner Frohn (Stiftung Naturschutzgeschichte), dass der Naturschutz ein Kind der Reformbewegungen sei, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Deutschland wie Pilze aus dem Boden geschossen seien. Wie in vielen anderen Reformgruppierungen habe es auch im Naturschutz maßgebliche Akteure gegeben, die ihre Schutzforderungen stets auch als sozial- und gesundheitspolitische Maßnahmen verstanden hätten. Immer wieder hätten in den letzten über 100 Jahren Naturschutzakteure Konzepte entwickelt, die sowohl naturschützerische als auch soziale Ziele verfolgten. Allerdings zeigten historische Erfahrungen, aber auch aktuelle repräsentative Erhebungen, dass die Angebote in den bildungs- und einkommensbenachteiligten Milieus nur suboptimal wahrgenommen werden. Dies werfe die Frage nach der angemessenen Strategie auf. Paternalistische Ansätze hätten sich als unzureichend erfolgreich erwiesen.

Der Mainzer Soziologe Prof. Dr. Stefan Hradil, der den Naturschutz angesichts einer immer stärker auseinanderrückenden Gesellschaft vor großen Herausforderungen sieht, entwickelte hierzu zwei Möglichkeiten. Eine Vorbildstrategie setze bei den besonders naturbewussten sozialen Milieus an und basiere auf der Annahme, dass vorbildhaftes Naturbewusstsein von den sozial gehobenen nach “unten” in die übrigen Milieus diffundiere. Ihr Erfolg hielte sich aber bislang in Grenzen. Eine Kompensationsstrategie setze dagegen im Schichtgefüge “unten” bei den weniger naturbewussten Milieus an. Da sich beide nicht ausschlössen, empfahl Hradil eine Doppelstrategie.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurde beleuchtet, inwieweit der Naturschutz mit dem sozialen Bereich kooperieren kann. Die Vertreterin und der Vertreter der Praxis, Sonja Gaja von der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern und Hans Scholten vom Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen, verdeutlichten, dass vor allem in den Projekten mit Kindern und Jugendlichen sowohl Ziele des Naturschutzes als auch solche der Integration verknüpft werden können. Beide Seiten profitieren von dieser wechselseitigen Ergänzung. Vonseiten der Diskussionsteilnehmer aus der Wissenschaft, Prof. Dr. Stefan Hradil und Prof. Dr. Kai Niebert, wurde der Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und Naturbewusstsein sowie Verlust der biologischen Vielfalt thematisiert. In einer hinsichtlich ihrer Werthaltungen und Lebensstile immer mehr auseinander diffundierenden Gesellschaft könnte der Schutz der biologischen Vielfalt und unserer Lebensgrundlagen ein gemeinsames Band in den Köpfen darstellen, so Professor Hradil. Über Möglichkeiten einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit tauschten sich Thomas Graner vom Bundesamt für Naturschutz und Christoph Majewski vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit den Teilnehmern der Podiumsrunde aus.

Die Präsentation verschiedener, zum Teil auch prämierter Projekte zeigte, dass die “Verbündeten im beiderseitigen Interesse” bereits exzellente Arbeit leisten. Naturerfahrungen gehen hier beispielsweise in der Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen einher mit Selbstwertsteigerungen, der Förderung wichtiger beruflicher Kompetenzen und gesellschaftlichem Engagement. Um die positiven Synergien stärker zu nutzen, will das BfN die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und dem sozialen Bereich zukünftig intensivieren.

Diese Pressemitteilung finden Sie auch hier.

Quelle: Mitteilung vom BfN vom 26.11.2015

Der gesellschaftliche und soziale Wandel in den letzten Jahrzehnten stellen auch den Naturschutz vor Herausforderungen. Die Chancen, die diese Herausforderungen in sich tragen, haben die Stiftung Naturschutzgeschichte, Königswinter und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in einer zweitägigen Dialogveranstaltung “Naturschutz – natürlich sozial!” gemeinsam mit rund 80 Vertreterinnen und Vertretern aus Naturschutz, Sozialwesen und Wissenschaft erörtert. Die Veranstaltung fand im Rahmen der neuen Dialogreihe “Bonner Gespräche zur Zukunft des Naturschutzes – Zukunft hat (auch) Vergangenheit” statt.

Naturschutz beruht auf gesellschaftlichen Wertentscheidungen. Er muss deshalb in Zeiten des sozialen Wandels seine Konzepte immer wieder anpassen und dabei auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren. Die Anliegen des Naturschutzes sind nach Ergebnissen der Naturbewusstseinsstudien des BfN vor allem in den bildungs- und einkommensbenachteiligten Milieus bislang nur schwach verankert. Daher stellt sich die Frage, auf welche Weise diese Menschen stärker für den Naturschutz gewonnen werden können, zumal vor dem Hintergrund einer in den letzten Jahrzehnten sich immer stärker öffnenden Schere zwischen Arm und Reich

Dabei sind, wie BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel, zum Auftakt der Tagung “Naturschutz – natürlich sozial!” erklärte, der Naturschutz und das Sozialwesen bzw. die Sozialpolitik “Verbündete im beiderseitigen Interesse”. Der Zusammenhang von Natur und Lebensqualität sei auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, beispielsweise der gesundheitlichen Chancengleichheit oder des gleichberechtigten Zugangs zu Grün- und Erholungsräumen im urbanen Bereich. “Naturschutz kann Menschen aus benachteiligten sozialen Schichten Zugänge zur Natur eröffnen, um deren Lebensbedingungen zu verbessern. Der Naturschutz kann damit wichtige Beiträge zur sozialen Integration leisten. Dies kann uns aber nur in Kooperation mit den Sozialverbänden gelingen”, sagte die BfN-Präsidentin.

Aus der Perspektive der Geschichte betonte Dr. Hans-Werner Frohn (Stiftung Naturschutzgeschichte), dass der Naturschutz ein Kind der Reformbewegungen sei, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Deutschland wie Pilze aus dem Boden geschossen seien. Wie in vielen anderen Reformgruppierungen habe es auch im Naturschutz maßgebliche Akteure gegeben, die ihre Schutzforderungen stets auch als sozial- und gesundheitspolitische Maßnahmen verstanden hätten. Immer wieder hätten in den letzten über 100 Jahren Naturschutzakteure Konzepte entwickelt, die sowohl naturschützerische als auch soziale Ziele verfolgten. Allerdings zeigten historische Erfahrungen, aber auch aktuelle repräsentative Erhebungen, dass die Angebote in den bildungs- und einkommensbenachteiligten Milieus nur suboptimal wahrgenommen werden. Dies werfe die Frage nach der angemessenen Strategie auf. Paternalistische Ansätze hätten sich als unzureichend erfolgreich erwiesen.

Der Mainzer Soziologe Prof. Dr. Stefan Hradil, der den Naturschutz angesichts einer immer stärker auseinanderrückenden Gesellschaft vor großen Herausforderungen sieht, entwickelte hierzu zwei Möglichkeiten. Eine Vorbildstrategie setze bei den besonders naturbewussten sozialen Milieus an und basiere auf der Annahme, dass vorbildhaftes Naturbewusstsein von den sozial gehobenen nach “unten” in die übrigen Milieus diffundiere. Ihr Erfolg hielte sich aber bislang in Grenzen. Eine Kompensationsstrategie setze dagegen im Schichtgefüge “unten” bei den weniger naturbewussten Milieus an. Da sich beide nicht ausschlössen, empfahl Hradil eine Doppelstrategie.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurde beleuchtet, inwieweit der Naturschutz mit dem sozialen Bereich kooperieren kann. Die Vertreterin und der Vertreter der Praxis, Sonja Gaja von der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern und Hans Scholten vom Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen, verdeutlichten, dass vor allem in den Projekten mit Kindern und Jugendlichen sowohl Ziele des Naturschutzes als auch solche der Integration verknüpft werden können. Beide Seiten profitieren von dieser wechselseitigen Ergänzung. Vonseiten der Diskussionsteilnehmer aus der Wissenschaft, Prof. Dr. Stefan Hradil und Prof. Dr. Kai Niebert, wurde der Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und Naturbewusstsein sowie Verlust der biologischen Vielfalt thematisiert. In einer hinsichtlich ihrer Werthaltungen und Lebensstile immer mehr auseinander diffundierenden Gesellschaft könnte der Schutz der biologischen Vielfalt und unserer Lebensgrundlagen ein gemeinsames Band in den Köpfen darstellen, so Professor Hradil. Über Möglichkeiten einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit tauschten sich Thomas Graner vom Bundesamt für Naturschutz und Christoph Majewski vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit den Teilnehmern der Podiumsrunde aus.

Die Präsentation verschiedener, zum Teil auch prämierter Projekte zeigte, dass die “Verbündeten im beiderseitigen Interesse” bereits exzellente Arbeit leisten. Naturerfahrungen gehen hier beispielsweise in der Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen einher mit Selbstwertsteigerungen, der Förderung wichtiger beruflicher Kompetenzen und gesellschaftlichem Engagement. Um die positiven Synergien stärker zu nutzen, will das BfN die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und dem sozialen Bereich zukünftig intensivieren.

Diese Pressemitteilung finden Sie auch hier.

Quelle: Mitteilung vom BfN vom 26.11.2015