DLR: Dem Klimawandel auf der Spur – Bundesministerin Hendricks besucht Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

Wer in die Zukunft unseres Klimas sehen will, muss seinen Blick nach oben richten. Fast bis ins Weltall, rund 100 Kilometer hoch, nachts. Die Auswirkungen der Erderwärmung geben sich dann besonders schnell zu erkennen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beobachtet seit Jahren die Atmosphärentemperatur in diesem Höhenbereich und analysiert Veränderungen – zur Verbesserung von Klimamodellen und zur Früherkennung von Naturkatastrophen wie Hochwasser, Erdbeben oder Tsunamis. “Basislager” für die Messungen ist Deutschlands höchstgelegene Forschungsstation: die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) auf der Zugspitze.

In Hinblick auf die diesjährige UN-Klimakonferenz in Paris besuchte Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 6. Juli 2015 das Schneefernerhaus. Sie informierte sich über die neuesten Entwicklungen in der Klima- und Umweltforschung – gemeinsam mit Ulrike Scharf, Bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, und Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention.

“Der Klimawandel hinterlässt seinen Fußabdruck in nahezu allen Bereichen des Erdsystems. In der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus arbeiten wissenschaftliche Einrichtungen arbeitsteilig zusammen, um die Spuren und Auswirkungen des Klimawandels in allen Bereichen von der Oberfläche bis in die Hochatmosphäre zu erfassen. Damit leisten wir einen Beitrag zu internationalen Aktivitäten im Bereich der Klimaforschung”, so Prof. Dr. Michael Bittner vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum des DLR und Sprecher des UFS-Wissenschaftsteams.

Atmosphärentemperatur als Frühindikator

Die Erdoberfläche erwärmt sich in zehn Jahren etwa um ein halbes Grad Celsius. Messungen, die diesen Anstieg zuverlässig dokumentieren können, sind anspruchsvoll. In den oberen Stockwerken der Atmosphäre zeigen sich Veränderungen deutlich stärker. Die Erwärmung am Boden führt in der Mesosphäre – einer Atmosphärenschicht in 50 bis 80 Kilometer Höhe – zu einer Abkühlung von bis zu fünf oder gar zehn Grad Celsius innerhalb von zehn Jahren. Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen können damit über die Atmosphärentemperatur in diesen Höhen schneller zuverlässig erfasst werden. Im DLR-Labor der Forschungsstation machte sich die Bundesumweltministerin mit der Technologie vertraut.

Bittner und seine Team betreiben auf der Zugspitze ein spezielles “Atmosphärenthermometer”: Das GRIPS-Infrarotspektrometer (Ground-based Infrared P-branch Spectrometer) und eine bildgebende Infrarotkamera lösen jede Nacht Messungen im Minutentakt aus. An der Schwelle zum Weltraum sendet der sogenannte “Airglow”, das Eigenleuchten der Atmosphäre, eine charakteristische Infrarotstrahlung aus. Wie ein Fingerabdruck kann diese Strahlung von den Wissenschaftlern gelesen werden. Angeregte Hydroxyl-Moleküle (OH) emittieren eine Signatur, die auf die dort herrschende Temperatur schließen lässt.

Die hochalpine Lage des Schneefernerhauses ermöglicht dabei präzise Messungen ohne Lichtverschmutzung durch Straßenlaternen oder andere künstliche Beleuchtung. Weltweit werden an insgesamt elf Standorten GRIPS-Messungen durchgeführt, von Tel Aviv in Israel bis zur Forschungsstation Neumeyer in der Antarktis.

Naturgefahren schneller erkennen

GRIPS-Daten werden nicht nur im Bereich des Klima-Monitorings verwendet, sondern auch zur schnellen Erkennung von Naturgefahren. Eine Anwendungsmöglichkeit, die ebenfalls das Interesse von Bundesumweltministerin Hendricks weckte. Wie die neuesten Forschungsarbeiten des DLR zeigen, erzeugen Tsunamis oder Erdbeben Infraschall – mit jeweils eigenen charakteristischen Temperatursignaturen.

Das Schall-Ereignis steigt in die Atmosphäre und breitet sich wie eine Druckwelle aus. Die Luft wird gestaucht und entfaltet, mit jedem Höhenmeter nimmt die Luftdichte exponentiell ab. Dies wirkt sich auf die Temperaturfluktuation der Atmosphäre aus. In rund 100 Kilometer Höhe sind die Schwankungen teils erheblich. Die DLR-Wissenschaftler haben beispielsweise festgestellt, dass Tsunamis im Airglow der Mesopause ein “Flackern” hervorrufen.

Temperaturstörungen von nur einem Zehntel Grad an der Meeresoberfläche führen in der oberen Mesosphäre zu Fluktuationen im Bereich von etwa zehn Grad; eine Störung, die mit GRIPS leicht nachgewiesen werden kann. Die Messungen mit dem speziellen Infrarot-Spektrometer sollen helfen, auch meteorologische Vorhersagemodelle künftig zu verbessern. So könnten zum Beispiel schwere Regenstürme mit Überflutungsgefahr bereits zwei bis drei Wochen vorher zuverlässiger prognostiziert werden, anstatt der bisherigen 3-bis-5-Tages-Prognose.

Ganz neu ist die Forschung mit GRIPS im Bereich Erdbeben- und Vulkanaktivität. Seit einiger Zeit finden deshalb auch GRIPS-Messungen auf dem Ätna in Italien und im Kaukasus in Georgien statt. Die Forschungsthemen und Anwendungsmöglichkeiten sind damit aber noch lange nicht ausgeschöpft. So ergänzt Bittner: “Wir wollen künftig auch aus dem Weltraum Messungen durchführen. Das GRIPS-System entwickeln wir in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus daher für den Einsatz auf Satelliten weiter.” Die Zukunft des Klimas zeigt sich dann für die Atmosphärenforscher auch von oben.

Über die Forschungsstation

Die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) ist das “virtuelle Institut” eines wissenschaftlichen Konsortiums, unter Federführung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Zu den zehn Konsortialpartnern gehören das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Deutsche Wetterdienst (DWD), das Helmholtz Zentrum München (HMGU), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die Max-Planck-Gesellschaft München (MPG), die Technische Universität München (TUM), die Universität Augsburg (UAU), das Umweltbundesamt sowie der Freistaat Bayern. Die Infrastruktur der hochalpinen Forschungsstation wird von der Betriebsgesellschaft UFS GmbH gewährleistet.

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Quelle: Pressemitteilung des DLR vom 06.07.2015

Wer in die Zukunft unseres Klimas sehen will, muss seinen Blick nach oben richten. Fast bis ins Weltall, rund 100 Kilometer hoch, nachts. Die Auswirkungen der Erderwärmung geben sich dann besonders schnell zu erkennen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beobachtet seit Jahren die Atmosphärentemperatur in diesem Höhenbereich und analysiert Veränderungen – zur Verbesserung von Klimamodellen und zur Früherkennung von Naturkatastrophen wie Hochwasser, Erdbeben oder Tsunamis. “Basislager” für die Messungen ist Deutschlands höchstgelegene Forschungsstation: die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) auf der Zugspitze.

In Hinblick auf die diesjährige UN-Klimakonferenz in Paris besuchte Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 6. Juli 2015 das Schneefernerhaus. Sie informierte sich über die neuesten Entwicklungen in der Klima- und Umweltforschung – gemeinsam mit Ulrike Scharf, Bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, und Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention.

“Der Klimawandel hinterlässt seinen Fußabdruck in nahezu allen Bereichen des Erdsystems. In der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus arbeiten wissenschaftliche Einrichtungen arbeitsteilig zusammen, um die Spuren und Auswirkungen des Klimawandels in allen Bereichen von der Oberfläche bis in die Hochatmosphäre zu erfassen. Damit leisten wir einen Beitrag zu internationalen Aktivitäten im Bereich der Klimaforschung”, so Prof. Dr. Michael Bittner vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum des DLR und Sprecher des UFS-Wissenschaftsteams.

Atmosphärentemperatur als Frühindikator

Die Erdoberfläche erwärmt sich in zehn Jahren etwa um ein halbes Grad Celsius. Messungen, die diesen Anstieg zuverlässig dokumentieren können, sind anspruchsvoll. In den oberen Stockwerken der Atmosphäre zeigen sich Veränderungen deutlich stärker. Die Erwärmung am Boden führt in der Mesosphäre – einer Atmosphärenschicht in 50 bis 80 Kilometer Höhe – zu einer Abkühlung von bis zu fünf oder gar zehn Grad Celsius innerhalb von zehn Jahren. Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen können damit über die Atmosphärentemperatur in diesen Höhen schneller zuverlässig erfasst werden. Im DLR-Labor der Forschungsstation machte sich die Bundesumweltministerin mit der Technologie vertraut.

Bittner und seine Team betreiben auf der Zugspitze ein spezielles “Atmosphärenthermometer”: Das GRIPS-Infrarotspektrometer (Ground-based Infrared P-branch Spectrometer) und eine bildgebende Infrarotkamera lösen jede Nacht Messungen im Minutentakt aus. An der Schwelle zum Weltraum sendet der sogenannte “Airglow”, das Eigenleuchten der Atmosphäre, eine charakteristische Infrarotstrahlung aus. Wie ein Fingerabdruck kann diese Strahlung von den Wissenschaftlern gelesen werden. Angeregte Hydroxyl-Moleküle (OH) emittieren eine Signatur, die auf die dort herrschende Temperatur schließen lässt.

Die hochalpine Lage des Schneefernerhauses ermöglicht dabei präzise Messungen ohne Lichtverschmutzung durch Straßenlaternen oder andere künstliche Beleuchtung. Weltweit werden an insgesamt elf Standorten GRIPS-Messungen durchgeführt, von Tel Aviv in Israel bis zur Forschungsstation Neumeyer in der Antarktis.

Naturgefahren schneller erkennen

GRIPS-Daten werden nicht nur im Bereich des Klima-Monitorings verwendet, sondern auch zur schnellen Erkennung von Naturgefahren. Eine Anwendungsmöglichkeit, die ebenfalls das Interesse von Bundesumweltministerin Hendricks weckte. Wie die neuesten Forschungsarbeiten des DLR zeigen, erzeugen Tsunamis oder Erdbeben Infraschall – mit jeweils eigenen charakteristischen Temperatursignaturen.

Das Schall-Ereignis steigt in die Atmosphäre und breitet sich wie eine Druckwelle aus. Die Luft wird gestaucht und entfaltet, mit jedem Höhenmeter nimmt die Luftdichte exponentiell ab. Dies wirkt sich auf die Temperaturfluktuation der Atmosphäre aus. In rund 100 Kilometer Höhe sind die Schwankungen teils erheblich. Die DLR-Wissenschaftler haben beispielsweise festgestellt, dass Tsunamis im Airglow der Mesopause ein “Flackern” hervorrufen.

Temperaturstörungen von nur einem Zehntel Grad an der Meeresoberfläche führen in der oberen Mesosphäre zu Fluktuationen im Bereich von etwa zehn Grad; eine Störung, die mit GRIPS leicht nachgewiesen werden kann. Die Messungen mit dem speziellen Infrarot-Spektrometer sollen helfen, auch meteorologische Vorhersagemodelle künftig zu verbessern. So könnten zum Beispiel schwere Regenstürme mit Überflutungsgefahr bereits zwei bis drei Wochen vorher zuverlässiger prognostiziert werden, anstatt der bisherigen 3-bis-5-Tages-Prognose.

Ganz neu ist die Forschung mit GRIPS im Bereich Erdbeben- und Vulkanaktivität. Seit einiger Zeit finden deshalb auch GRIPS-Messungen auf dem Ätna in Italien und im Kaukasus in Georgien statt. Die Forschungsthemen und Anwendungsmöglichkeiten sind damit aber noch lange nicht ausgeschöpft. So ergänzt Bittner: “Wir wollen künftig auch aus dem Weltraum Messungen durchführen. Das GRIPS-System entwickeln wir in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus daher für den Einsatz auf Satelliten weiter.” Die Zukunft des Klimas zeigt sich dann für die Atmosphärenforscher auch von oben.

Über die Forschungsstation

Die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) ist das “virtuelle Institut” eines wissenschaftlichen Konsortiums, unter Federführung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Zu den zehn Konsortialpartnern gehören das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Deutsche Wetterdienst (DWD), das Helmholtz Zentrum München (HMGU), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die Max-Planck-Gesellschaft München (MPG), die Technische Universität München (TUM), die Universität Augsburg (UAU), das Umweltbundesamt sowie der Freistaat Bayern. Die Infrastruktur der hochalpinen Forschungsstation wird von der Betriebsgesellschaft UFS GmbH gewährleistet.

Zum vollständigen Artikel

Quelle: Pressemitteilung des DLR vom 06.07.2015