VENRO: Ambitionierte Zukunftscharta muss umgesetzt werden!

Am 24. November 2014 übergab Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller die Zukunftscharta „EINEWELT – Unsere Verantwortung“ an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim EINEWELT-Zukunftsforum in Berlin. Die Zukunftscharta wurde vom Minister initiiert und in den letzten sechs Monaten in einem breit angelegten Beteiligungsprozess erstellt. Es ist zu wünschen, dass das Thema nachhaltige globale Entwicklung durch diesen symbolischen Akt in Deutschland den Stellenwert erhält, der ihm angesichts der immensen globalen Herausforderungen wie Armut und Hunger, Klimawandel sowie Ernährungs-, Finanz-, und Wirtschaftskrisen gebührt. Durch Online-Dialoge, Themenforen und Möglichkeiten der Kommentierung des Entwurfs konnten sich gesellschaftliche Akteure und Verbände, Bürgerinnen und Bürger in die Debatte um nachhaltige Entwicklung einbringen. Rege Beteiligung gab es vor allem von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den Bereichen Entwicklung, Menschenrechte und Umwelt. Sie haben mit ihren Ideen, Anregungen und Forderungen deutlich die Inhalte der Zukunftscharta geprägt.

VENRO bewertet den Erarbeitungsprozess der Zukunftscharta deshalb als durchaus gelungen und insgesamt sehr positiv. Aus zivilgesellschaftlicher Sicht hat die Zukunftscharta einige wichtige Stärken: Sie umfasst acht Handlungsfelder, die die gewaltigen Aufgaben gut beschreiben, die zu bewältigen sind, um ein Leben in Würde für alle Menschen im Einklang mit der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen zu erreichen. Die Zukunftsziele sind in diesem Sinne ausgerichtet, wobei der Zielkatalog über die entwicklungspolitischen Aufgaben hinausgeht und versucht, die ökologische, soziale und ökonomische Dimension nachhaltiger Entwicklung miteinander zu verbinden. Besonders erfreulich ist, dass in der Zukunftscharta ein menschenrechtsbasierter Ansatz verankert ist.

Die Zukunftscharta weist aber auch einige zentrale Schwächen auf. Sie beschreibt die zentralen globalen Probleme wie Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung, macht aber kaum Aussagen zu deren Ursachen. Insbesondere die strukturellen Faktoren, die weltweit zu Ungleichheit führen, das auf Wachstum und Profitmaximierung ausgerichtete und weltweit vorherrschende Wirtschaftsmodell und das internationale Handels- und Finanzsystem finden keine Erwähnung.

Die Zukunftscharta findet deutliche Worte für eine humane Flüchtlingspolitik. Nun muss Deutschland auch in diesem Sinne eine Vorreiterrolle bei der Aufnahme und der menschenwürdigen Behandlung von Flüchtlingen einnehmen. Die Zukunftscharta spricht sich für die Schaffung friedlicher Gesellschaften aus. Um allen Menschen ernsthaft ein Leben in Sicherheit und Wohlstand zu ermöglichen, muss ein Verbot jeglicher Rüstungsexporte in Krisen- und Konfliktgebiete sowie an menschenrechtsverletzende Regime durchgesetzt werden.

Auch bei der geplanten Umsetzung bleibt die Zukunftscharta ausgesprochen vage. Konkrete Zuschreibungen von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten bei der Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung finden sich kaum. Jede und jeder kann und sollte einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten, beispielsweise durch verantwortlichen Konsum. Bei der Schaffung der Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben und beim Schutz der globalen Gemeinschaftsgüter sind aber in erster Linie Regierung und Parlament sowie die internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht. Sie müssen entsprechende verbindliche Regelungen formulieren. Diese politischen Verantwortlichkeiten hätten noch wesentlich deutlicher zugeschrieben werden müssen.

Die Zukunftscharta vermeidet es auch, die Zielkonflikte klar zu benennen, die sich insbesondere im Handlungsfeld Wirtschaft auftun. Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und menschenwürdiger Beschäftigung zu verbinden, ist überaus erstrebenswert. Der grundlegende Konflikt zwischen einem auf Wachstum basierenden Wirtschaftsmodell und des unweigerlich damit verbundenen Verbrauchs der natürlichen Ressourcen ist damit aber nicht gelöst. Konkrete Vorschläge, wie die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen durch nachhaltiges Wirtschaften erhalten werden sollen, wären hier wünschenswert gewesen.

Als Kerninstrumente der Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung werden in der Zukunftscharta die Partnerschaften zwischen Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft genannt. Partnerschaften zwischen unterschiedlichen Akteuren können durchaus zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen. Dafür müssen sie aber bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich Kompetenzverteilung, Transparenz und Rechenschaftspflicht genügen, um zielorientiert und effizient arbeiten zu können. Sie sind allerdings kein Allheilmittel für die Bewältigung der globalen Herausforderungen.

In der Zukunftscharta wird auf die neuen globalen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) verwiesen, die im September 2015 verabschiedet werden sollen. Unklar bleibt aber, in welchem Verhältnis die Zukunftscharta zu der neuen globalen Agenda stehen soll. Ebenso bleibt das Verhältnis von nationaler Nachhaltigkeitsstrategie und Zukunftscharta weitgehend ungeklärt. Wenn sie ein wirksames Instrument sein soll, muss ihr Verhältnis zu anderen Ansätzen nachhaltiger Entwicklung eindeutig bestimmt werden.

Wenn sich das BMZ auf den Weg macht, die Zukunftscharta tatsächlich umzusetzen, wird es schnell an die Grenzen seiner Zuständigkeiten stoßen. Denn der überwiegende Teil der Zukunftsziele ist nicht allein durch entwicklungspolitische Maßnahmen zu erreichen. Die Bundeskanzlerin muss beantworten, wie die teilweise widersprüchlichen Ressortinteressen im Sinne der gemeinsamen Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht werden können. Letztlich muss die Bundesregierung dem eigenen Anspruch auch gerecht werden, eine kohärente Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik zu betreiben.

VENRO fordert die Bundesregierung deshalb auf:

  • das Verhältnis von Zukunftscharta und SDG sowie von Zukunftscharta und nationaler Nachhaltigkeitsstrategie zu bestimmen.
  • einen nationalen Umsetzungsplan der Zukunftscharta zu erstellen, der einen festen Zeitrahmen sowie eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten festlegt und konkrete, mit messbaren Indikatoren versehene Maßnahmen formuliert.
  • einen nationalen Finanzierungsplan vorzulegen, über den die Erreichung der ambitionierten Zukunftsziele abgesichert ist und der darlegt, wann 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen werden.
  • eine kohärente Politik aller Ressorts im Sinne der Umsetzung der Ziele der Zukunftscharta sicherzustellen.

Zur Stellungnahme

Weiter Informationen, unter anderem zur Zukunftscharta, finden Sie im VENRO-Newsletter

Quelle: VENRO-Newsletter 12/2014Am 24. November 2014 übergab Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller die Zukunftscharta „EINEWELT – Unsere Verantwortung“ an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim EINEWELT-Zukunftsforum in Berlin. Die Zukunftscharta wurde vom Minister initiiert und in den letzten sechs Monaten in einem breit angelegten Beteiligungsprozess erstellt. Es ist zu wünschen, dass das Thema nachhaltige globale Entwicklung durch diesen symbolischen Akt in Deutschland den Stellenwert erhält, der ihm angesichts der immensen globalen Herausforderungen wie Armut und Hunger, Klimawandel sowie Ernährungs-, Finanz-, und Wirtschaftskrisen gebührt. Durch Online-Dialoge, Themenforen und Möglichkeiten der Kommentierung des Entwurfs konnten sich gesellschaftliche Akteure und Verbände, Bürgerinnen und Bürger in die Debatte um nachhaltige Entwicklung einbringen. Rege Beteiligung gab es vor allem von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den Bereichen Entwicklung, Menschenrechte und Umwelt. Sie haben mit ihren Ideen, Anregungen und Forderungen deutlich die Inhalte der Zukunftscharta geprägt.

VENRO bewertet den Erarbeitungsprozess der Zukunftscharta deshalb als durchaus gelungen und insgesamt sehr positiv. Aus zivilgesellschaftlicher Sicht hat die Zukunftscharta einige wichtige Stärken: Sie umfasst acht Handlungsfelder, die die gewaltigen Aufgaben gut beschreiben, die zu bewältigen sind, um ein Leben in Würde für alle Menschen im Einklang mit der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen zu erreichen. Die Zukunftsziele sind in diesem Sinne ausgerichtet, wobei der Zielkatalog über die entwicklungspolitischen Aufgaben hinausgeht und versucht, die ökologische, soziale und ökonomische Dimension nachhaltiger Entwicklung miteinander zu verbinden. Besonders erfreulich ist, dass in der Zukunftscharta ein menschenrechtsbasierter Ansatz verankert ist.

Die Zukunftscharta weist aber auch einige zentrale Schwächen auf. Sie beschreibt die zentralen globalen Probleme wie Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung, macht aber kaum Aussagen zu deren Ursachen. Insbesondere die strukturellen Faktoren, die weltweit zu Ungleichheit führen, das auf Wachstum und Profitmaximierung ausgerichtete und weltweit vorherrschende Wirtschaftsmodell und das internationale Handels- und Finanzsystem finden keine Erwähnung.

Die Zukunftscharta findet deutliche Worte für eine humane Flüchtlingspolitik. Nun muss Deutschland auch in diesem Sinne eine Vorreiterrolle bei der Aufnahme und der menschenwürdigen Behandlung von Flüchtlingen einnehmen. Die Zukunftscharta spricht sich für die Schaffung friedlicher Gesellschaften aus. Um allen Menschen ernsthaft ein Leben in Sicherheit und Wohlstand zu ermöglichen, muss ein Verbot jeglicher Rüstungsexporte in Krisen- und Konfliktgebiete sowie an menschenrechtsverletzende Regime durchgesetzt werden.

Auch bei der geplanten Umsetzung bleibt die Zukunftscharta ausgesprochen vage. Konkrete Zuschreibungen von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten bei der Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung finden sich kaum. Jede und jeder kann und sollte einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten, beispielsweise durch verantwortlichen Konsum. Bei der Schaffung der Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben und beim Schutz der globalen Gemeinschaftsgüter sind aber in erster Linie Regierung und Parlament sowie die internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht. Sie müssen entsprechende verbindliche Regelungen formulieren. Diese politischen Verantwortlichkeiten hätten noch wesentlich deutlicher zugeschrieben werden müssen.

Die Zukunftscharta vermeidet es auch, die Zielkonflikte klar zu benennen, die sich insbesondere im Handlungsfeld Wirtschaft auftun. Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und menschenwürdiger Beschäftigung zu verbinden, ist überaus erstrebenswert. Der grundlegende Konflikt zwischen einem auf Wachstum basierenden Wirtschaftsmodell und des unweigerlich damit verbundenen Verbrauchs der natürlichen Ressourcen ist damit aber nicht gelöst. Konkrete Vorschläge, wie die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen durch nachhaltiges Wirtschaften erhalten werden sollen, wären hier wünschenswert gewesen.

Als Kerninstrumente der Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung werden in der Zukunftscharta die Partnerschaften zwischen Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft genannt. Partnerschaften zwischen unterschiedlichen Akteuren können durchaus zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen. Dafür müssen sie aber bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich Kompetenzverteilung, Transparenz und Rechenschaftspflicht genügen, um zielorientiert und effizient arbeiten zu können. Sie sind allerdings kein Allheilmittel für die Bewältigung der globalen Herausforderungen.

In der Zukunftscharta wird auf die neuen globalen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) verwiesen, die im September 2015 verabschiedet werden sollen. Unklar bleibt aber, in welchem Verhältnis die Zukunftscharta zu der neuen globalen Agenda stehen soll. Ebenso bleibt das Verhältnis von nationaler Nachhaltigkeitsstrategie und Zukunftscharta weitgehend ungeklärt. Wenn sie ein wirksames Instrument sein soll, muss ihr Verhältnis zu anderen Ansätzen nachhaltiger Entwicklung eindeutig bestimmt werden.

Wenn sich das BMZ auf den Weg macht, die Zukunftscharta tatsächlich umzusetzen, wird es schnell an die Grenzen seiner Zuständigkeiten stoßen. Denn der überwiegende Teil der Zukunftsziele ist nicht allein durch entwicklungspolitische Maßnahmen zu erreichen. Die Bundeskanzlerin muss beantworten, wie die teilweise widersprüchlichen Ressortinteressen im Sinne der gemeinsamen Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht werden können. Letztlich muss die Bundesregierung dem eigenen Anspruch auch gerecht werden, eine kohärente Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik zu betreiben.

VENRO fordert die Bundesregierung deshalb auf:

  • das Verhältnis von Zukunftscharta und SDG sowie von Zukunftscharta und nationaler Nachhaltigkeitsstrategie zu bestimmen.
  • einen nationalen Umsetzungsplan der Zukunftscharta zu erstellen, der einen festen Zeitrahmen sowie eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten festlegt und konkrete, mit messbaren Indikatoren versehene Maßnahmen formuliert.
  • einen nationalen Finanzierungsplan vorzulegen, über den die Erreichung der ambitionierten Zukunftsziele abgesichert ist und der darlegt, wann 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen werden.
  • eine kohärente Politik aller Ressorts im Sinne der Umsetzung der Ziele der Zukunftscharta sicherzustellen.

Zur Stellungnahme

Weiter Informationen, unter anderem zur Zukunftscharta, finden Sie im VENRO-Newsletter

Quelle: VENRO-Newsletter 12/2014